: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 20. Januar 2012

Eigentlich wollte ich über Suizid schreiben

Aber am Tegernsee kommt man irgendwie nicht dazu, Ständig gaffen sie einen an und dagen: Ui, da arbeitet ja einer! Ja sowas! Und ihre Hunde kommen und schnüffeln, und dann fragen sie, wie zum Teufel man an einem Tag wie heute und an einem Ort wie diesem - arbeiten? - kann.



Und so kommt man ins Scherzen und lachen und nicht weiter als 6000 Zeichen und fragt sich, ob man das wirklich hier und jetzt schreiben sollte. Sicher schon, weil man dafür ein leichtes Herz für leichte Worte haben sollte, aber dann kommt einem eine andere Idee, und die geht dann viel schneller und leichter in den Rechner.

Und ausserdem haben die Stützen der Gesellschaft Geburtstag, 3 Jahre werden sie alt, und da kann man auch mal was anderes, Hübscheres schreiben. Über diesen Ort und was diese Frage - arbeiten? Was? Hier? Get a fucking life! - bedeutet.

Zu meiner Entschuldigung hätte ich natürlich anführen können, dass meine Marmeladenherstellerin nicht Zentis heisst und mir zwar die beste Konfitüre, aber keine Reisen gibt, was ich in Ordnung finde, und ich auch nicht einfach bei einer Hochschule anrufen kann, wenn ich mal ein paar Dutzend Leihdiener brauche. Ich will nicht, dass sowas wie der Schnorri-Wulff im Bundestag über den Holocaust spricht.

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Freitag, 20. Januar 2012

Plage Lalique

An der Grenze zwischen den Elementen gerinnt das Wasser des Sees in den bitterkalten Nächten zu einem schmalen Band aus Eis, so, wie es sich in Wellen ergiesst, und mitunter friert sogar der Schaum mit ein. Im Laufe des Tages löst die warme Luft vom See das Kunstwerk wieder auf, und in der Nacht erschafft die Natur das opake Glas am Ufer neu
















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Donnerstag, 19. Januar 2012

Es ist zwar etwas teurer

aber dafür ist man unter sich
und ich weiss jeder zweite hier
ist so ehrlich und korrekt wie ich.

Vielleicht sogar mehr als jeder zweite. Denn der Kostennachteil des Tegernsees schlägt schnell in einen Vorteil um, wenn einen der Nächste nicht zusammenschlägt oder einem das Auto beschädigt, sondern Gestürzten aufhilft oder bei Pannen stehenbleibt. Ich persönlich mag das. Sehr sogar.



Es hat mich deshalb fast ein wenig gewundert, dass meine Ende November an dieser Stelle verloren gegangene Casio Exilim nicht mehr aufgetaucht ist. Ich dachte mir, so etwas geben die Hiesigen doch sicher am Fundamt ab, und jemand musste sie gefunden haben, nachdem die Strecke zum nächsten Bildversuch kurz und stark frequentiert war. Abgesucht habe ich alles. Aber am Fundamt war nichts. Nun sollte man denken: Naja, eine mittelteure Kompaktkamera ohne Besitzer irgendwo in den Bergen, das ist fast wie ein paar Geldscheine, das nimmt man quasi als Geschenk, und in Frankfurt hätte ich mir einfach den Anruf beim Fundamt gespart.

Hier jedoch war es so, dass ich einfach zu früh angerufen habe: Der Finder ist tatsächlich zum Rathaus, und hat sie in der Touristeninformation abgegeben. Und von dort musste die Kamera noch per kleinem Verwaltungsakt ins Fundbüro überstellt werden. Das dauerte. Und ich war immer nur zu Zeiten beim Rathaus, als es geschlossen war. Ich war mir einfach sicher, dass sie wieder auftauchen würde. Noch ein Anruf, dann die Bestätigung: Ja, sie ist da, und wenn ich gleich komme, warten sie noch schnell auf mich. Der Tegernsee ist, muss man wissen, nicht der ideale Ort für Spätaufsteher.



Ein herzliches Danke an den unbekannten Finder, für die Kamera und die Erhaltung des Rufes des Tegernsees als Platz zum Leben.

Ich weiss gar nicht, was mich mehr geschmerzt hat: Der Verlust der Kamera oder die darin befindliche, fast volle SD-Karte mit 8 GB Bilder von September in Italien bis zu diesem Traumnovember in den Bergen. Die meisten Bilder sind natürlich auf der Festplatte, aber die Karte ist so etwas wie das Negativ, und das verliert man nicht gern. ameras kann man neu kaufen, Erinnerungen nicht.

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Südlage

Morgen



Mittag



Abend


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Mittwoch, 18. Januar 2012

Mittag am See

Es passiert hier ja nicht viel, ausser, dass ich mir ein paar Gedanken mache. Man muss sich deshalb keine Gedanken um mich machen, alles fein, alles bestens, alles läuft, nur habe ich jetzt seit drei Jahren etwas, das gut läuft, und da frage ich mich natürlich, was man sonst noch so bringen kann. Um es besser zu machen.











Irgendwelche Ideen und Anregungen? Irgendwie ist tolles Wetter ebenso wenig denkzuträglich wie gutes Essen.

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Hochformat

Heute Nachmittag am See. Da wird man schnell frühlingsmüde.



Natürlich wieder nichts geschafft. Vielleicht später.

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Der Teufel hat Schnaps und Rinderwahn gemacht

Mit dem Fleisch und generell mit den Tierprodukten - da tue ich mir seit ein paar Tagen noch schwerer als sonst. Erläuterungen folgen bald. Der früher verteufelte Gin und andere Getränke sind dagegen a) vergan und b) vermutlich auch sorgenreduzierend, was sie zu einem erstklassigen Material für einen Gastbeitrag bei den Stützen der Gesellschaft macht., selbst wenn ich persönlich natürlich nicht trinke.

Ausserdem sind, da weiss man seit Goethe, Sorgen erstlasige Themen zum Schreiben von Texten, die gern gelesen werden. Nur Zyniker würden sagen, die Welt stünde besser da, wenn die Literaten nicht über Suizid schrieben, sondern ihn auch ausprobierten. Nein, die Rollenverteilung passt schon, wie sie ist.

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Dienstag, 17. Januar 2012

Von A nach B

Die Krise ist vorbei, wenn die World of Interior wieder so üppig wie 2007 ist, mit 250 oder mehr Seiten. Diesmal - die neue Ausgabe ist gerade gekommen - sind es nur 150. Und eine Geschichte beschäftigt sich mit einem dort bislang stets werbenden Kaminfachmann. Ein Sammler, ein Händler und ein Reproduzent alter Stücke, die vor der Krise enorm gut an den Mann zu bringen waren. So ein kamin musste damals einfach sein. Von 2008 bis jetzt sah es eigentlich so aus, als könnte den Händler und seine Werbung kein Wässerchen trüben, aber die ganze Geschichte ist jetzt - quasi als letzter Freundschaftsdienst - darin nachzulesen: Die 1400 Quadratmeter Ladenfläche stehen nicht mehr zur Verfügung, der neue Laden ist sehr viel kleiner, und seine gesamte Hauseinrichtung geht jetzt zu Christie's. Vieles verschwindet, nur die alte Hässlichkeit des Münchner Bahnhofviertels, wo ich das Magazin erwerbe, hat Bestand.



Die Probleme der WoI, sich mit Anzeigen zu füllen, und Geschichten zu finden, die nicht so traurig sind - das Titelbild ist ein Haus eines Müllsammlers - deuten darauf hin, dass trotz all der Beschwichtigungen irgend etwas bei den Vermögenden nicht mehr richtig funktioniert. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich in guten Zeiten ausreichend eingedeckt haben. Vielleicht ist da aber auch die Angst vor dem grossen Knall, so, wie er sich jetzt mit der Ratingabwerung von Ländern und Eurotettungsfonds andeutet. Wobei, gewarnt wurde vor dem weitgehend fremdfinanzierten und gehebelten Vehikel schon länger: Die Idee ist so dumm wie jeder dieser auf unrealistische Erwartungen hin konstruierten Fonds, und ich sehe auch nicht, wieso sich die Staaten andere Schiefer als Starnberger Zahnärzte einziehen sollten, wie sie nun mal bei ähnlichen Konstrukten für normale Vermögende häufig waren. Das AAA-Rating dieser Einrichtung war schon ein enormes Entgegenkommen. Jetzt ist es weg. Das wurde schon lange befürchtet, das wurde schon beim Zusammenschludern der Konstruktion vorgetragen: Die Politik wollte anders, sie wollte sich den Märkten und ihrem fehlenden Vertrauen unterwerfen, jetzt kommt dafür die Rechnung.



Nein, das waren keine Geheomnisse, nein, das war nicht am Anfang noch undenkbar, und weil man damit rechnen konnte, ist das Geschrei von Westerwelle und Co. pure Heuchelei: Man wollte das Vertrauen, man hat es nicht bekommen, und die Idee, es jetzt mit einer eigenen Ratingagentur zu erzwingen, klingt für mich mehr nach Altersruhgesitz für gescheiterte Neoliberalalas. Will der eine Markt nicht, sucht man sich halt einen anderen, in der Hoffnung, dass der einem mehr vertraut, und der Steuerzahler soll diese Abnickgremium bezahlen. Inzwischen pfuscht man nicht an den Symptomen herum, sondern an denen, die auf die Schäden durch das Herumpfuschen an den Symptomen hinweisen. Und das tun ausgerechnet jene, die das alles beschlossen, abgenickt und bildlich gesprochen, ihre neoliberalgelben Hinterteile dem Markt zum Hineintreten hingehalten haben. Über die Vorstellungen einer marktfaschistoiden Ratingagentur der FDP-Ideale muss man sich keine Gedanken machen: Dort wird dann Lohnzurückhaltung und Steuersenkung als Grundlage der guten Noten gelten. Für die FDP ist das der feuchte Traum: Weg von der wählbaren Lobbyistenkamarilla hin zur institutionellen Selbstbereicherungsagentur.



Es gibt für die Abwertung des Fonds allerbeste Gründe: Europa bricht wirklich auseinander. Deutschland produziert und exportiert am Anschlag, in den PIIGS-Staaten gehen die Lichter aus, Jugendarbeitslosigkeit, Enteignung, Griffe in die Rentenkassen, Verstärkung der Ungleichgewichte zwischen Arm und Reich, Technokratenregime, die das Elend als Druckmittel benutzen. AA+ bedeutet übersetzt auch nur: Deutschland wird am Ende schon zahlen können, hoffentlich. Der Unterschied zu AAA ist nicht der Zweifel, ob Deutschland zahlen wollte, sondern dann letztlich könnte, wenn es hart auf hart käme. Und die Begehrlichkeiten au dem Euroraum, schon jetzt Ländern wie Italien bezuspringen, sind offensichtlich. Bei so einem politischen Konstrukt auf Basis von Entdemokratisierung und gegenseitiger Beraubung und Umverteilung ist die Einschätzung, es könnte da ein paar Probleme mit einem gemeinam verantworteten Finanzkonstrukt mit fiesem Leverage geben, nicht ganz falsch. Nun ja.



Ich verlasse München, fahre an den See, und wäre es nicht so entsetzlich kalt bei uns, ich wäre länger draussen geblieben und hätte mir den Nachthimmel angeschaut. Man sagt, dass man mit blossem Auge vielleicht 6000 Sterne am Himmel sehen kann, aber die Kamera hat inzwischen eine bessere Auflösung, und mit etwas Filtern und Schrauben sieht sogar das Grossbild dieser eisigen Winternacht ganz eindrucksvoll aus. Hin und wieder sollte man daran denken, dass das Grosse, Ganze ein Spiralnebel ist, an dessen Peripherie... an den Finanzplätzen sieht man dieen Himmel nie, und deshalb nehmen sie sich dort so wichtig. Der Galaxis fällt der kleine Drecksplanet gar nicht auf, sonst hätte sie schon längt einen Räumkometen vorbeigeschickt.

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Montag, 16. Januar 2012

Tortensporten

Zum Zieleinlauf der Alten Tanten in meiner Heimatstadt gibt es jetzt eine spezielle Torte mit dem typischen schwarz-weiss karierten Muster.



Nachdem wir schon eine vertikal rot-gelb-gestreifte Tortenflagge haben - die cremig-rutschige Havannatorte - ist diese Ergänzung durch Kokos mehr als nur angebracht. Darauf dann auch ein Glaserl Sekt. Sage keiner, dass man mit 80+ nicht auch noch Sport siegreich vollbringen kann. Angesichts der bescheidenen Reste, die um 15 Uhr noch zu bekommen waren, sah der Zielraum heute vermutlich einige echte WeltmeisterInnen in dieser Disziplin.

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Grenzen der Zukunft

So beliebt waren Blocks, so modern und fortschrittlich erschienen Appartments, dass selbst in der dummen, kleinen Stadt an der Donau bekannte Leute dort einzogen. Architekten. Politiker. Ärzte. Das galt als die Zukunft, was heute gemeinhin als das schlechte Viertel gilt. An einer anderen Schule war eine Arzttochter, bei der ein Freund eines Nachts fensterln gehen wollte. Das ist im Oberland bei den niedrigen Kaschemmen der Mägde vermutlich kein Problem, aber die Holde wohnte im brutalistischen Vorzeigeobjekt von 1968 im 7. Stock hinter einem Überhang, da ist alkoholisiertes Fensterln auch mit Baugerüst keine gute Idee. Nun ja, ich konnte ihn davon abhalten, und so wurde er kein weiterer Selbstmord im falschen Bauen, das bei der FAZ beschrieben wird.



Das Haus, in dem ich wohne, verhinderte bei uns die Teilnahme an diesem teuren Herdentrieb, denn es ist gross, und die Wohnung war vorhanden, und warum sollte man woanders zahlen, was es hier im Überfluss gab. Nicht neu natürlich, nicht mit riesigen Glasflächen und ohne Tiefgarage und Lift, aber damals gab es, man mag es kaum glauben, keinerlei Parkverbot in der Altstadt, und auch keinen Vandalismus. Aber viele zogen weg, die erste Welle in die Blocks und die zweite dann ins Westviertel, in nur selten dichte Bungalows, und in der Stadt blieben nur Bäcker, Handwerker, Metzger und einige schrullige Typen. Als ich hierher zurück gezogen bin, vor nunmehr auch schon über 20 Jahren, galt das noch als sehr seltsam. Aber alles ändert sich, heute ist es scbick, und gleichzeitig käme auch keiner mehr auf die Idee, geschmacklose Bonzen mit normalen Gewerbetreibenden gleichzusetzen, wie ich in der FAZ blogge.



Die blieben in den alten Häusern und starben aus, und deshalb brauchen wir dringend neue Vorverurteilungen und Vorurteile, wir, die wir wieder dort sitzen, wo wir schon immer sassen. Wir brauchen Grenzen des Wachstums und Stacheldraht für jene, die darüber hinaus wollen. Neue Feinde für alte Fronten. So schaut es aus.

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Sonntag, 15. Januar 2012

Was?

Keine Ahnung.

Ich weis wirklich nicht, warum mein Freund die Buchanzeige bezahlt hat. Das hat mich jetzt auch total überrascht.

Urlaub bei Freunden halt. Man wird doch noch Freunde haben können. Ach so, die waren gar nicht da, als wir bei denen waren... oh. Na, aber es war immer jemand da, wir haben uns bestens mit denen verstanden, der Chauffeur, der Koch, die Dienstmädchen, der Poolreiniger, der die Witze erzählt hat... das war wirklich so wie bei Freunden.



Das Buch und das Honorar Das hat mit mir nichts zu tun, das ist die Sache von denen, und sie sagen ja, dass es für was anderes war. Also fragen Sie mich jetzt nicht wegen Steuerhinterziehung oder verdeckten Parteispenden oder gefälschten Rechnungen.

Das im China Club, das war halt ein Empfang. Das hat man öfters als Politiker. War nett. Unter Freunden. Einfach eine Party in diesem Ensemble, ich glaub, das kostet auch fast nichts, wenn man Mitglied ist, wie mein Freund. Und die Kulturschaffenden und Künstler sollen doch auch mal Wertschätzung erfahren. Ist aber eine prima Örtlichkeit.

Diese Bonusmeilen... also da hab ich... also da hab ich so eine Karte die wo... wie war das noch gleich... also, ich kann mich nicht richtig... ähm... also das weiss ich wirklich nicht mehr. Und damals wusste ich auch nichts,

Ja, gut, dass mein Pressesprecher umsonst Urlaub gemacht hat - das hat mich auch geschockt! Geschockt! Wie konnte er nur! Ich habe ihn natürlich sofort entlassen.

Was? Ich soll selbst bei einer Einladung zum Oktoberfest ein schöneres Zimmer ohne Aufpreis bekommen haben, als ich damals mit Kind, Kegel und Freunden beim Käfer war? Das hat mein Freund bezahlt? Muss die hektik beim Einchecken gewesen sein, der Stress eines vielbeschäftigten Mannes, die Verantwortung für das Land. Davon wusste ich natürlich auch nichts, das wurde mir einfach so gegeben, das war das Hotel.



Rücktritt? Aber nie im Leben. Ich habe von all dem doch gar nichts gewusst.

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Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem der Präsident nicht mal erkennen kann, wo Freundschaft endet und Korruption beginnt. Und nein, Wulff ist im Grossen nicht so, wie die anderen im Kleinen sind. Wulff ist die deustche Ausgabe von Berlusconi mit weniger Geld und ohne Orgien.

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Samstag, 14. Januar 2012

Grand Hotel Europa

Sicher, es ist nicht mehr ganz die AAA-Lage, und es hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen. Bei manchen Räumen fehlen die Fenster, es regnet hinein, die Böden sind morsch und die Tapeten rissig: Trotzdem wird im Ballsaal grosszügig über die Scherben und Splitter hinweg getanzt. Gerade aus den verkommensten Winkeln geht man gern hinunter in den grossen Saal Deutschland, so, wie man früher vielleicht in den Saal Irland gegangen ist. Oder zur erbitterten Konkurrenz des Grand Britannia, das man inzwischen besser meidet. Da geben die Bankprolls oder auch die Plünderer den Ton an.



Immerhin, trotz des ungepflegten Rasens und der braunen Ratten, die hin und wieder durch die Gemächer huschen, ist dies immer nicht das erste Haus am Platze, und man hat nicht zu wenige Gäste, sondern immer noch zu viele. So viele, dass man die Tore schliessen muss, was drinnen durchaus auch auf Zustimmung stösst. Man schätzt zwar die Renovierungen in den Pensionen Tunis, Tripolis und zur Pyramide, aber wenn die jetzt schon einen neuen Anstrich haben, sollen sie bitte auch bleiben. Es ist hübsch dort, und sehr viel wärmer.



Sicher, die Aussicht auf den nicht gerade gepflegten Park ist allenfalls wildromantisch, und nicht mehr wirklich zauberhaft-Idyllisch, aber das macht auch ein wenig das Wunder dieses Hotels aus: Trotz aller Misswirtschaft ist es immer noch schön und ansprechend. Unten müssen die Säulen zwar mit Stahl gestützt werden, aber oben ist die Heiterkeit des sonnigen Lebens unverbrüchlich. Das liegt vor allem an der langen, traditionsreichen Geschichte des Hotels, die nicht immer schön war, aber wenigstens vorhanden ist: Gute Erinnerungen schwingen dort, wo die Kronleuchter längst gefallen und auf dem Parkett zerschellt sind.



Davor weitet sich der See, und auf der anderen Seite, davon hat man gehört, liegt das Disney Grand Royal Rockefellaz American Bigottery Plaza Seven Star Plus Luxury Ressort mit all seinen südamerikansichen Kellnern, die nichts kosten und nichts verlangen. Das war mal der letzte Schrei am See, besonders, als die braunen Ratten im Hotel Europa fast das Dach zum Einsturz gebracht hätten. Lange Zeit starrte man dort hinüber und überlegte, wie man das alte Hotel Europa auch mit diesem Luxus ausstatten könnte. Man liess sich Kurse im Wirtschaften erteilen, und das schien auch prima zu werden, bis drüben betrügerischer Bankrott angemeldet werden musste. Jetzt gehört das den Chinesen. Und im Hotel Europa kratzt man sich am Kopf.



Sicher, man könnte besser dastehen, und das Verputzen der Risse ist auch keine Lösung, wenn die schlechter gebauten Flügel italienischer, irischer, griechischer und spanischer Pfuscher wegbröckeln. Eventuell wird man da die Preise drastisch senken müssen, und ausserdem bekommen die keinen Zutritt mehr zum Frühstückssaal, sondern nur noch ein kleines Buffet. Die Deutschen wollen das Frühstück ohnehin nur auf dem Zimmer einnehmen, dann hören sie nicht, wie die Franzosen die zwei Wochen mehr Freizeit dazu nutzen, um über sie herzlich zu lachen. Man kann es schon gut aushalten, um Hotel Europa, trotz der Enge und der ständigen Angst, dass das alles auf Dauer nicht gut gehen kann.



Aber der Winter ist milde, da fällt es nicht auf, dass die Heizung und der Strom nicht gut funktionieren. Das Casino ist voll, das Management lässt sich für den besonderen Luxus auch gerne mal was zustecen, und korrupt geht es auch in anderen Hotels zu. An der Bar sind fadenscheinige Anwälte, Politiker und Ideologen, die für kleines Geld alles, wirklich alles machen, kein Tabu, ohne Gummi, ein Präsident kostet nur ein Upgrade beim Besuch eines Festzeltes, und die TV-Geräte sind natürlich, zumindest in den deutschen Zimmern, immer die allerneuesten. Die Zimmer in den Flügeln Frankreich und Österreich - bei denen fällt gerade die Aussenmauern weg - haben einen Stern weniger, das passiert schon mal, da kann man nichts tun, und der Topf, in dem das Geld für die Renovierung nicht ist, muss eventuell irgendwie also sagen wir mal, da werden wir reden müssen, aber jetzt erst mal in den Ballsaal. Denn wir sind zum feiern hier, und nicht zum darben, im Hotel Europa am See mit Blick für die Bessergestellten.

(Bilder: Hotel Grand Bretagne in Bellagio am Comer See)

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