Ugly in Pink
Ich bringe ihr das Luxusobjekt vorbei, und sie kommt noch mit runter. In diesem Moment fährt ein Auto aus einem Parkplatz. Sie sagt, ich soll schnell parken, dann können wir doch schnell was essen gehen. Es wäre sehr unhöflich, Nein zu sagen, also stelle ich den Wagen ab und gehe mit ihr durch das Gärtnerplatzviertel.
Sie sagt, es hat sich sehr verändert, seit sie hier 1990 eingezogen ist. In jedem zweiten Haus wäre eine Boatzn gewesen, eine dieser kleinen, schmalen Kneipen mit den üblichen Sozialfällen an der Theke und einem wenig erbaulich riechenden Besitzer, der entweder Schorsch oder Franzl heisst. In der Fraunhoferstrasse haben die nach Hundebraten riechenden chinesischen Takeaways, die mediterranen Feinkötzler und ein paar immer leere Griechen die Oberhand gewonnen.
An der Ecke zur Klenzestrasse haben sie aber auch schon wieder verloren: Hier hat, nachdem der Grieche vor ein paar Jahren aufgab, das Parkcafe sein wechselndes Unglück mit einem neuen Restaurant versucht. 2002, nachdem die New Economy in Scherben lag, stellte das Munich Network seinen Event "Venture City" für die breite Masse ein, verliess die alte Location, den Schlachthof, und versuchte hier was kleines, feines zu machen. Die Fenster wurden zugehängt, an die Tür kam ein Schild: "Geschlossene Gesellschaft!". Angesichts der miserablen Stimmung bei dieser Niedergangserscheinung hätte man auch "Erschossene Gesellschaft" schreiben können.
Inzwischen wurde es nochmal umgebaut und trägt jetzt einen Namen, der verpflichtet: Noodles. Das Noodles war Ende der famosen 80er ein Kellerrestaurant in der Maximilianstrasse, das outfitmässig ziemlich auf Mafia machte. Herr Praschl wird sich wohl noch an die Werbung erinnern, auf der ein ranker Jüngling einer drallen Blondine eine Nudel von den T*tten grapschte. Ins Noodles konnte man gehen, wenn man es auf Wolfratshausener höhere Töchter abgesehen hatte, oder auf die Tempo- und Wiener-Redakteure, die manchmal genug Geld hatten, um sich auf dem Weg ins Schumann´s noch eine solide Grundlage in den Bauch zu schaufeln.
Jetzt also ein neues Noodles. Postmodern/Poststrukturalistisch weit, hell und bei Tag beige.
Abends schalten sie die Lichter ein. Die haben sie sich bei eo von Interlübke abgeschaut. eo ist noch nicht mal New Economy, eo ist schlimmer: eo ist pre-IPO-fullservice-Webagentur, es ist Pit Kabel, es ist Argonauten, vielleicht auch Pixelpark. Das waren die Leute, die langsam überblendenden Lichter total frisch fanden. Wenn sie grade nichts zu tun hatten, spielten sie an der Fernbedienung rum und suchten cooles Blau. Es hatte was von Flash-Animationen in Möbelform.
Mein eigener Flash lässt gleich wieder nach, nachdem ich mich an dieses Retro-Ambiete der neuesten Unzeit gewöhnt habe. Die Musik ist ziemlich chillig, in etwa wie das Zeug, das 99 in den Warteräumen vor den CEO-Büros gespielt wurde, wo man als Berater gewohnheitsmässig mit einem Stundensatz von 400 Euro warten durfte, bis der Typ dahinter genug Arbeitsüberlastung simuliert hatte. Kost ja nur VC.
Auf jedem Tisch steht eine tropische Obszönität von Blume, die Stühle sind unbequem, und die Nudeln das einzige, was hier an Italien erinnert. Was nicht lang dauert, denn die Portionen sind eher klein. Noodles eben. Keine Pasta, wie damals noch im Keller an der Maxstrasse. Da gab es sogar dunkles Holz und weissrotkarrierte Tischdecken.
Rotweiss ist das einzige, was es hier nicht gibt. Es bleibt nicht Pink. Rot, Grün, Blau, Gelb, alles durcheinander und in verschiedenen Mustern. Fast sowas wie Glotze. Wenn einem nichts mehr einfällt, was man dem Gegenüber sagen soll, kann man über das Licht reden. Chillig, nicht?
Wir sitzen in diesem monströsem Alptraum der dekadenten Endphase der New Economy, ich muss um den Parmesan bitten, und während ich darauf warte und die paar Kräuterbrösel am Tellerrand affig finde, überlege ich, ob man das hier nicht unter Denkmalschutz stellen solllte und jeden, der nochmal was von Förderung der Neuen Medien erzählt, oder IPO, oder auch nur von Marktpositionierung, hier eine Woche einsperren sollte. Für Noodles al Zahnfleisch.
Sie sagt, es hat sich sehr verändert, seit sie hier 1990 eingezogen ist. In jedem zweiten Haus wäre eine Boatzn gewesen, eine dieser kleinen, schmalen Kneipen mit den üblichen Sozialfällen an der Theke und einem wenig erbaulich riechenden Besitzer, der entweder Schorsch oder Franzl heisst. In der Fraunhoferstrasse haben die nach Hundebraten riechenden chinesischen Takeaways, die mediterranen Feinkötzler und ein paar immer leere Griechen die Oberhand gewonnen.
An der Ecke zur Klenzestrasse haben sie aber auch schon wieder verloren: Hier hat, nachdem der Grieche vor ein paar Jahren aufgab, das Parkcafe sein wechselndes Unglück mit einem neuen Restaurant versucht. 2002, nachdem die New Economy in Scherben lag, stellte das Munich Network seinen Event "Venture City" für die breite Masse ein, verliess die alte Location, den Schlachthof, und versuchte hier was kleines, feines zu machen. Die Fenster wurden zugehängt, an die Tür kam ein Schild: "Geschlossene Gesellschaft!". Angesichts der miserablen Stimmung bei dieser Niedergangserscheinung hätte man auch "Erschossene Gesellschaft" schreiben können.
Inzwischen wurde es nochmal umgebaut und trägt jetzt einen Namen, der verpflichtet: Noodles. Das Noodles war Ende der famosen 80er ein Kellerrestaurant in der Maximilianstrasse, das outfitmässig ziemlich auf Mafia machte. Herr Praschl wird sich wohl noch an die Werbung erinnern, auf der ein ranker Jüngling einer drallen Blondine eine Nudel von den T*tten grapschte. Ins Noodles konnte man gehen, wenn man es auf Wolfratshausener höhere Töchter abgesehen hatte, oder auf die Tempo- und Wiener-Redakteure, die manchmal genug Geld hatten, um sich auf dem Weg ins Schumann´s noch eine solide Grundlage in den Bauch zu schaufeln.
Jetzt also ein neues Noodles. Postmodern/Poststrukturalistisch weit, hell und bei Tag beige.
Abends schalten sie die Lichter ein. Die haben sie sich bei eo von Interlübke abgeschaut. eo ist noch nicht mal New Economy, eo ist schlimmer: eo ist pre-IPO-fullservice-Webagentur, es ist Pit Kabel, es ist Argonauten, vielleicht auch Pixelpark. Das waren die Leute, die langsam überblendenden Lichter total frisch fanden. Wenn sie grade nichts zu tun hatten, spielten sie an der Fernbedienung rum und suchten cooles Blau. Es hatte was von Flash-Animationen in Möbelform.
Mein eigener Flash lässt gleich wieder nach, nachdem ich mich an dieses Retro-Ambiete der neuesten Unzeit gewöhnt habe. Die Musik ist ziemlich chillig, in etwa wie das Zeug, das 99 in den Warteräumen vor den CEO-Büros gespielt wurde, wo man als Berater gewohnheitsmässig mit einem Stundensatz von 400 Euro warten durfte, bis der Typ dahinter genug Arbeitsüberlastung simuliert hatte. Kost ja nur VC.
Auf jedem Tisch steht eine tropische Obszönität von Blume, die Stühle sind unbequem, und die Nudeln das einzige, was hier an Italien erinnert. Was nicht lang dauert, denn die Portionen sind eher klein. Noodles eben. Keine Pasta, wie damals noch im Keller an der Maxstrasse. Da gab es sogar dunkles Holz und weissrotkarrierte Tischdecken.
Rotweiss ist das einzige, was es hier nicht gibt. Es bleibt nicht Pink. Rot, Grün, Blau, Gelb, alles durcheinander und in verschiedenen Mustern. Fast sowas wie Glotze. Wenn einem nichts mehr einfällt, was man dem Gegenüber sagen soll, kann man über das Licht reden. Chillig, nicht?
Wir sitzen in diesem monströsem Alptraum der dekadenten Endphase der New Economy, ich muss um den Parmesan bitten, und während ich darauf warte und die paar Kräuterbrösel am Tellerrand affig finde, überlege ich, ob man das hier nicht unter Denkmalschutz stellen solllte und jeden, der nochmal was von Förderung der Neuen Medien erzählt, oder IPO, oder auch nur von Marktpositionierung, hier eine Woche einsperren sollte. Für Noodles al Zahnfleisch.
donalphons, 19:39h
Sonntag, 18. Juli 2004, 19:39, von donalphons |
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saunabiber,
Sonntag, 18. Juli 2004, 21:35
War da auch erst letzte Woche drin. Die Portionen fand ich in Ordnung, der frisch geriebene Parmesan kam in einem eigenen Schälchen an jedem Teller. Die Preise waren zivil und die Beleuchtung zu keinem Zeitpunkt so unangenehm wie auf deinem Foto. Kann es einfach sein, dass du zu voreingenommen da rein gegangen bist, oder du nur um des Verisses willen schreibst?
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donalphons,
Sonntag, 18. Juli 2004, 23:24
Ich würde nie sagen, dass es sowas wie Unvoreingenommenheit gibt. Ich fand es allerdings für ein Restaurant mit einem Schwerpunkt auf mediterrane Kost extrem unangenehm, weil es mit seiner gesamten Atmosphäre mehr mit den Vorstandsetagen vergangener NE-Tage zu tun hat.
Und die Ravioli kommen auf einem flachen Teller ohne Parmesan, im Gegensatz zu den Schüsseln mit Schälchen.
Und die Ravioli kommen auf einem flachen Teller ohne Parmesan, im Gegensatz zu den Schüsseln mit Schälchen.
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donalphons,
Montag, 19. Juli 2004, 00:13
P.S.: Überprüf mal die Gamma-Einstellung Deines Bildschirms - ich habe an dem Bild weder Photshop noch sonstwas ausprobiert, und die Minolta Dimage 414 ist keine schlechte Kamera.
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weltregierung,
Dienstag, 20. Juli 2004, 15:50
..delikat
wie sie mal wieder schreiben.
Flash-Animationen in Möbelform - hat´s mir so richtig besorgt!
Gruss,
- Weltregierung.
Flash-Animationen in Möbelform - hat´s mir so richtig besorgt!
Gruss,
- Weltregierung.
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kaltmamsell,
Montag, 26. Juli 2004, 18:24
Ich fand eigentlich die super-quietsche-fröhliche Bedienung am schlimmsten.
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donalphons,
Montag, 26. Juli 2004, 19:02
Mein gerade gefahrener Besuch wollte das haben, kaum zu glauben. Man kauft das wohl, wenn man punktgenau grössere Beträge steuerlich absetzen will.
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