Heikel

Manchmal bin ich ja etwas erstaunt - kaum zügle ich mich und versuche mal, eine Problematik im historischen Kontext zu sehen, auch wenn es um Offizialdelikte geht, schon verabschiedet sich der erste Leser mit Türenknallen. Wie auch immer: In der FAZ steht mein Versuch, mal ein wenig historisches Material zum Thema Missbrauchsvorwürfe zusammen zu tragen. Immerhin ist das Thema nicht neu, und hatte auch schon früher üble Konsequenzen, wenn es nicht vertuscht werden konnte.

Durch den Link hinaus, zur linken Reihe, und jeder nur eine Tür zum Knallen.

Dienstag, 9. März 2010, 16:07, von donalphons | |comment

 
Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren...
Das schlagkräftigste "Siehste"-Argument aller Kirchensteuersparer...

Guter Beitrag, Don.

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Bin selber (immer noch) Kirchensteuerzahlerin, wenn auch vielleicht nur, weil ich von klein auf gelernt habe, dass Kirchenaustritt ungefähr die größte denkbare Todsünde ist. So richtig überzeugt bin ich seit 15 Jahren nicht mehr. Als ich von den Missbrauchsfällen und insbesondere der Vertuschung gelesen habe, habe ich nur gedacht, das ist genau das, was "wir" Christen allen anderen Religionen heftigst um die Ohren hauen würden, wenn es dort passiert wäre. Es wäre sehr schön, wenn die wirklich gläubigen Kirchenleute auch zu dieser Überzeugung kämen und entsprechend reagieren würden - sowohl aus "politischen" Überlegungen heraus als auch, weil solche Verbrechen schlicht und einfach an sich schrecklich sind.

Ich habe übrigens wirklich gezögert, "Verbrechen" zu schreiben. Kirchenleute? Verbrechen??? So etwas Schlimmes darf man diesen guten Menschen doch nicht unterstellen! Die haben das doch ganz bestimmt nicht so gemeint... Das zeigt - leider, leider - wie stark religiöse Erziehung wirken kann, selbst wenn man eigentlich glaubt, man habe sich längst davon distanziert.

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amelia, Kirchenaustritt = Todsünde? Nicht wirklich, oder?
Es gibt sie, die religiösen Menschen, die nicht Mitglied einer Kirche sind. Die meisten sind jedoch eher Steuersparer, leider.

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Ok, nicht Todsünde im eigentlichen Sinne, natürlich. Aber schon ein sehr, sehr schwerer Fehlgriff. Jedenfalls war das deutlich aus dem herauszulesen, wie meine Eltern sich über Kirchenaustreter äußerten. Schlimm waren schon Leute, die nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst gingen, aber das war halt noch ein paar Stufen schlimmer. Als Kind glaubt man infolgedessen, einer ganz besonderen "Elite" anzugehören, weil man eben jeden Sonntag hingeht und nie, nie, nie austreten würde.

Ich glaube, das kann man anderen, die es nicht erlebt haben, nur schwer vermitteln. Auch, wie schwierig es ist, dieses Denken im Erwachsenenalter abzuschütteln, selbst wenn man es will. Vermutlich lässt sich so aber das Verhalten vieler Katholiken in diesem Fall erklären. Und ganz ähnlich das Verhalten der Anhänger anderer Religionen in ähnlichen Fällen.

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Wikipedia nennt übrigens "Glaubensabfall" als eine der Todsünden, und es wurde damals so getan, als sei Kirchenaustritt so ziemlich das Gleiche. Also vielleicht doch nicht ganz falsch, die Formulierung.

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Ich glaube allerdings nicht, dass meine Familie repräsentativ war. Viele andere christliche Eltern waren vermutlich damals schon wesentlich liberaler. Also, als Pauschalisierung war das hier nicht gemeint - bevor irgendwer das herausliest!

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Kritik ist nötig auch wenn es anderen weh tut
Man kann auch mit mässiger Kritik religiöse Menschen, die der Kirche trotz allem noch sehr verbunden sind, sehr verletzen. Aber Rücksicht muss man darauf trotzdem nicht nehmen weil die Kritik nun mal berechtigt ist und die Probleme des Missbrauchs in der katholischen Kirche und einigen kirchlichen Verbänden systemimmanent sind.
Solange sich dieser verknöcherte Haufen alter Männer in der oberen Hierarchieebene der Kirche nicht zu Reformen entschliessen können, muss man drauf hauen bis die Schwarte kracht.
Aber glücklicherweise bin ich Protestant (im tiefen Bayern) und die evangelische Kirche hat es dort nie geschafft mich wirklich zu ärgern. Deshalb bin ich als Agnostiker noch nicht ausgetreten und ausserdem bin ich der Meinung dass die Kirchen, zumindest auf der Ebene der Sozialarbeit, grösstenteils einen guten Job machen.

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Die Frage wäre dann aber: Braucht man dazu kirchliche Träger?

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Was wäre die Alternative? Steuern erhöhen, richtig.
Hö hö hö...

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@tubl. Ich stimme zu. Solange der Staat immer weniger macht, ist die Kirche als soziales Auffangnetz immer noch besser als nichts und meine Kirchensteuern sind dort gut angelegt. Relativ gesehen. Bei den Evangelen. Wobei ich diese Funktion auch der katholischen Kirche nicht absprechen würde, bei allen Fehlern.

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Nö, sephor, nicht Steuern erhöhen, sondern einfach nur das Geld nehmen, das der Staat den Kirchen in den Arsch bläst.

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Am liebsten wäre mir auch wenn der Staat allein dazu in der Lage wäre allen notwendigen sozialen Verpflichtungen im Sinne des Gemeinwohles nachzukommen. Dazu ist er aber immer weniger in der Lage wie damenwahl richtig anmerkt. Deshalb halte ich es für gut dass es mit den Kirchen noch andere Institutionen gibt die per se sich auch einer gewissen Sozialethik verpflichtet fühlen und in die Bresche springen. Ich hab da auf jeden Fall mehr Vertrauen als bei einigen privaten Organisationen und Stiftungen.

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Kirchliche Sozialarbeit gut und schön, aber grade diese Träger sind gegenüber ihren Mitarbeitern ja auch nicht sehr christlich eingestellt, Stichwort Hungerlöhne etc.. Und eine gute Sozialarbeit muss keinen kirchlichen Hintergrund haben, einen religiösen im Sinne von Nächstenliebe vielleicht schon, aber auch die jetzigen kirchlichen Träger von Kindergärten, Pflegeheimen usw. arbeiten immer auch mit unterbezahlten Angestellten - Braucht kein Mensch.
Und ja, ich finde den F.A.Z.-Blogeintrag angemessen, inhaltlich sowie stilistisch.

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Ist das so, mit den sozialen Einrichtungen der Kirche? Die kassieren doch für alles was sie machen die gleichen Sätze aus den Sozialkassen wie jede andere Organisation. Mit dem Unterschied, dass sich die Kirchen jeder Transparenz entziehen können.

Ich finde die aktuelle Debatte im übrigen sehr sachlich. Andere Organisationen mit jahrhundertelanger Verbrechensgeschichte dürften sich da mehr anhören und müßten drastische Konsequenzen hinnehmen.

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nun, die Kirchen können ihren Mitarbeitern immer noch einen Bonus anbieten. Den Gotteslohn. ;-)
Ich gebe euch da ja Recht, aber man muss fairerweise auch sagen dass die Kirchen auch mit spitzen Stift ihre Finanzierung kalkulieren müssen und nicht aus dem Vollen schöpfen können. Machen es andere besser? Ich glaub's nicht.
Auf jeden Fall ist das ein weiteres Beispiel warum wir einen Mindestlohn brauchen.

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... dummerweise gibt es keinen Gott.

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Gut, dass Sie da voll im Bilde sind, ilnonno.

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Machen es andere besser? Ich glaub's nicht.

andere zahlen zum beispiel tariflöhne. das finde tatsächlich besser.

besser auch, als wenn der gotteslohn als zehnt gleich einbehalten wird, denn soviel weniger zahlen einige kirchliche träger.

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Ich will nicht abstreiten, dass sich christliche Institutionen für Schwache einsetzen, aber andererseits gibt es z.B. auch eine Partei mit "C" im Namen, die eher dadurch auffällt, dass sie die Starken gegen die Interessen der sozial Schwachen schützt. Sie wird wohl auch von vielen Leuten gewählt, die eigentlich angeben, dass sie an der Kirche vor allem die Nächstenliebe schätzen. Kirchen haben es - nicht nur in Deutschland - recht erfolgreich geschafft, alle nur moderat "roten" politischen Tendenzen als "gottlos" darzustellen. Ein Schelm, wer denjenigen, die diese Ansichten verbreitet haben, Böses unterstellt? Ich glaube übrigens nicht, dass das im Sinne des realen Jesus war, aber das ist eben (auch) aus seinen Idealen geworden.

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So genannte "christliche Gewerkschaften" helfen leider auch nicht, dieses Bild zu verbessern (http://de.wikipedia.org/wiki/Christlicher_Gewerkschaftsbund#Kritik).

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Umfassend gebildet wie immer
unser Don. Und schön zu lesen. Wenngleich sich mir die Relevanz dieses eindrucksvollen historischen Abrisses für die Gegenwart nicht erschließt. Ich konnte noch nie erkennen, dass jemals in größerem Stil aus der Geschichte gelernt wurde.

Mir persönlich würde es schon genügen, wenn die Herrn in den teuren Gewändern als Konsequenz wenigstens den unsäglichen Zölibat ad Acta legten. Das würde wohl sprichwörtlich den größten Druck von den Priestern nehmen. Dann dürfen sie von mir aus weiter wurschteln wie gehabt.

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cbx, ich glaube nicht, daß es nur der Zölibat ist.

Die Ideologie, die Sexualität nicht losgelöst von der Fortpflanzung sehen kann, ist schon der Grundfehler!

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Beim Thema Zölibat und Kinderschändung bzw. der "einfachen Lösung" des Problems ( hebt das Zölibat auf und nehmt so den "Druck" von den Priester) frage ich mich immer: Bin ich nur kein Kinderschänder weil ich vö....ln kann soviel ich will?

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bengel, ich denke, es ist andersrum: wer nicht fi... darf, denkt irgendwann an nichts anderes mehr.

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Ich glaube auch nicht, dass man das, was da gemacht wurde, mit einer Heirat in Griff bekommt. Kinderpornographie geht einfach nicht, das ist eine komplett andere Sache.

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Ich glaube, dass so etwas schlicht und einfach immer passieren kann, wenn Erwachsene viele Kinder unter ihrer Kontrolle haben und wenig Ausweichmöglichkeiten für diese Kinder existieren. Solche Verbrechen sind ja auch in nicht-kirchlichen Institutionen geschehen. Die Frage ist eben, wie man als Betreiber mit diesem Risiko umgeht: Wie man versucht, es zu minimieren, und was man unternimmt, wenn es trotz allem passiert ist. Und da macht die Kirche leider in diesem Fall überhaupt keine gute Figur, wie mir scheint.

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Wie friedlich die Welt ohne Religionen wäre...

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denkfehler. wie friedlich die welt ohne religionen = wie friedlich die welt ohne ideologien = wie friedlich die welt ohne überzeugungen = wie friedlich die welt ohne gedanken = wie friedlich die welt ohne menschen

ich bin ja wirklich nicht religiös, bzw. bin atheist, aber dieses
religionsbashing geht mir so langsam ziemlich auf den saque.
das hab ich gemacht bis, weiss nicht, zum 16. lebensjahr?
vor allem die ironie dass das dann ja ersatzreligion ist.

popper ist ganz nett, aber in wirklichkeit ein spießiges arschloch.
der fortgeschrittene popperrocker liest feyerabend, "wider dem wissenschaftlichen methodenzwang"

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Ja, dieser Ansatz wäre mir dann auch sympathischer.

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Leider haben Religionen aber die Tendenz, zur Rechtfertigung weltlicher Machtinteressen missbraucht zu werden. Auch der aktuelle Skandal scheint mir weniger mit dem Zölibat zu tun zu haben als damit, dass sich die katholische Kirche - nach meinem Wissen - den in unserer Gesellschaft ansonsten üblichen Diskussionen um Macht und Machtmissbrauch bis heute komplett verweigert. Sie gibt sich über alle Kritik erhaben, Verfehlungen ihrer Leute gelten als undenkbar und Verfehlungen sexueller Art natürlich ganz besonders. Das kann im schlimmsten Fall offenbar dazu führen, dass Kindesmissbrauch über lange Jahre heimlich geduldet und vertuscht wird.

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Ich hab´s dann eher mit Adorno, Baudrillard, Bourdieu, Fromm und auch Foucault. Und immer noch aktuell: Marxens Deutsche-Ideologie und die Feuerbachthesen. Wo zum Thema Religion sehr sehr viel Kluges gesagt wird.

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Da hab ich auch noch welche ganz andere: Wodehouse, Henscheid, Ror Wolf...

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ich würde baudrillad und bordieu gerne mal ohrfeigen. schreiben nur verquasten stuss. bei adorno geht das ja leider nicht mehr, weil schon tot.

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Das hätte sich Zensursula auch nicht träumen lassen: Der Feind sitzt im Internat und nicht im Internet.

Ändern wird sich trotzdem nichts, wenn die Sau durchs Dorf getrieben ist, ist sie auch schon wieder vergessen.

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Zensurulla hat sich alles Mögliche gedacht, und der Feind sitzt für sie überall. So wollte sie das Buch "Autonome in Bewegung" verbieten lassen, eine Geschichte der deutschen Linksradikalen von 1980 bis heute. So etwas darf ihrer Meinung nur aus Sicht des Verfaschungsschutzes dokumentiert werden, aber nicht aus der Perspektive von Zeitzeugen.

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