: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 3. März 2010

20.000

Die neuen Herren und die alten Westviertel heisst der Beitrag in der FAZ, mit dem das erste dortige Blog auf über 20.000 Kommentare kommen wird.

Das ist nicht wenig. (Und ich sage nie mehr, dass Profibloggen nichts werden kann)

... link (13 Kommentare)   ... comment


Die rote Ungleichheit auf der Rodelstrecke

Rodeln ist ein vergleichsweise egalitärer Sport: Das Sportgerät selbst ist sehr billig und robust, der Umgang damit ist schnell zu erlernen, die Berge muss man selbst ersteigen, und auf der Abfahrt ist die Schwerkraft und der Luftwiderstand ebenso für alle gleich. Im Kern geht es, selbst wenn man es ernsthaft und mit einem Sinn für Wettbewerb betreibt, also eher um fahrerisches Können, Muskelkraft, Ausdauer, Kurvengeschwindigkeit und den Mut, erst im letzten Moment zu bremsen. Wenn man sich einen ordentlichen, niedrigen und flexiblen Rodel der Klasse über 150 Euro kauft, hat man in etwa Waffengleichheit, und der bessere Mann gewinnt. Es gibt ein paar Unterschiede; mein alter Jested, mit dem ich in diesem Winter oft unterwegs war, ist eher spurstabil und braucht Zeit etwas, um im Flachen anzugleiten, dafür wird der Naviser von Kathrein, der willigum die Kurven fetzt, ab einem bestimmten Moment kaum mehr noch schneller. Es sind keine grossen Unterschiede; auf der Neureuth überhole ich eigentlich mit jedem Rodel alles, was sich vor mir befindet.

Das könnte sich jetzt ändern:



Es wird im Internet viel geredet über Supersportrodel: Dass sie sehr schwer sind (20 Kilo), dass sie enorm teuer sind (man zahlt doppelt so viel wie für einen richtig guten Rennrodel), und dass sie eigentlich verboten gehören, wenn sie statt Stahlschienen sogenannte Belagschienen haben. Tatsächlich werden diese Rodel bei vielen Rennen ausgeschlossen, weil sie als unfair gegenüber jenen gelten, die das übliche Material fahren. Beklagt wird zudem, dass sich die höheren Kosten nicht wirklich lohnen, und so gibt es wirklich nur sehr wenige Leute, die ein derartiges Geschoss ihr Eigen nennen. Ich gehöre nun dazu, mit allen Schikanen: Extragewichte als Schienen über den Kufen, die den Schwerpunkt auf den Boden nageln, stark gewinkelte Belagschienen mit scharfen Kanten, extrem tiefe Sitzposition und eine Optik, die an Rennkatamarane erinnert. Es ist nicht das neueste Modell; in meiner typischen Tradition habe ich es gebraucht von einem Rennfahrer erstanden, der sich diese Geräte bei Gasser massschneidern liess. Ich bin kein Freund der aktuellen Modelle mit zu viel Metall und Plastik und Werbeaufdrucken; ich wollte etwas, das nicht falsch aussieht, wenn man es sich im Sepia klassischer Bergphotographie vorstellt - nicht das moderne, bunte Technikmonster, sondern ein Gerät, dem man noch seine Herkunft vom klassischen Rodel ansieht.



All der wenig freundlichen Gerüchte im Internet zum Trotz werden derartige Rodel unter Rennfahrern als unverzichtbar angesehen, es gibt also eine Diskrepanz zwischen dem Gerede und der gelebten Realität, und ich finde, es ist keine schlechte Idee, die Sache mal an einem wirklich schlechten Tag auf einer schlechten Strecke den Wallberg hinunter auszuprobieren - dort gibt es Sulz, Matsch, präparierte Streckenabschnitte, Eis, Gras und sogar Teer im Wechsel. Dazu noch einige sehr enge Kurven und als Krönung Rippen und Buckel, auf denen man abhebt. Wenn man schnell genug unterwegs ist.

Normalerweise mache ich bei der Abfahrt ein paar Bilder. Das ist etwas riskant und doof auf dem Jested, aber wenn der Gasser erst mal Fahrt aufnimmt, ist es selbstmörderisch. Du lieber Himmel. Ich war diesen Winter ein paar mal auf Eis enorm schnell unterwegs, aber nie, kein einziges Mal so schnell wie auf der an sich eher schlechten Wallbergstrecke. Zu schnell für mehr als ein Bild:



Denn das Gerät gleitet auf jedem Untergrund enorm schnell an. Selbst wenn sich die Kufen tief in den Untergrund graben: Es ist überall schnell. Besonders schnell ist es in den Kurven, da liegt es so gerade, als wäre es einbetoniert. Ich wusste bis gestern nicht, was in Kurven möglich ist - mit jedem anderen Rodel hätte es mich aufgestellt, die Innenkufe wäre abgehoben, und es hätte mich massiv derbröselt - der Gasser klebt am Boden, schneidet ins Eis und rauscht einfach mit etwas Gewichtsverlagerung durch, solange die Kurve nicht zu eng ist. Wenn sie dann wirklich zu eng ist, sollte man vorher gut bremsen, und nicht auf den Luftwiderstand vertrauen. Aufrichten bringt so gut wie nichts. Es ist dabei nicht schwerer zu fahren, als ein normaler Rodel, nur eben erheblich schneller unter allen Bedingungen. Wie ein Sportwagen hat es deshalb auch grössere Reserven in den Kurven und auf Buckeln; es steht besser auf unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten und zwingt einen, nicht dauernd den Fahrstil anzupassen, wenn etwa eine Kurve stark vereist ist. Dafür hat man alle Hände voll damit zu tun, die Geschwindigkeit und das eigene Entsetzen zu kontrollieren. Es geht enorm viel, was früher nicht möglich war, solange man sich damit abfindet, dass der Körper nur ein paar Zentimeter über dem Boden schwebt - oder auch nicht, wenn man abhebt und dann bei der Landung auf dem Schnee aufsetzt. Das Gerät ist perfekt für die mitunter sehr eisigen Bedingungen auf der Neureuth, aber viel zu schnell, als dass man es dort in den unübersichtlichen Kurven wirklich ausfahren könnte. Aber gerade bei den flacheren, geraden Gleitstücken wird das sicher ein spassiger nächster Winter, wenn mal wieder ein älterer Herr auf einem normalen Rennrodel einen zur Wettfahrt herausfordert.

Bleibt die Frage: Lohnt es sich? Nein, eigentlich nicht. Man muss ja nicht rasen. Der Berg ist so schön! Aber vielleicht denke ich im nächsten Winter anders, wenn das Entsetzen über mich selbst der Lust gewichen ist.

... link (21 Kommentare)   ... comment