Das Gute, das Hässliche und die Gemeinen

Es macht mir nichts aus, wenn ich vor dem Einkauf zu hören bekomme, dass das Rad nicht neu, und bei genauer Betrachtung eigentlich nur noch Schrott ist, den man allenfalls ausschlachten kann. Das ist nach 5 oder 10 Jahren Laufzeit vollkommen normal, denn die Komponenten ändern sich und lassen Reparaturen daheim kaum mehr zu. Alles wird komplexer, und was nicht komplexer wird, gefällt sich in einem unsinnigen Retrotrend, der ebenfalls keine gängigen Ersatzteile kennt, und für den Preis von 2010 die Technik von 1950 bietet, ohne deren Langlebigkeit. Es ist, wie gesagt, volllkommen normal, dass ein durchschnittlicher Käufer nach 5 bis 10 Jahren überfordert ist und etwas Neues kauft, wenn der Mechaniker signalisiert, dass es sich nicht mehr lohnt.

Und ich liebe es, solche Aussagen zu widerlegen. Natürlich lohnt es sich, wenn man es kann. Ich arbeite Punkt für Punkt die Fehler und Schäden ab, behebe die Versäumnisse, bringe es zurück in den richtigen Stand der damaligen Technik und ergänze, was nötig ist. Beim gestrigen Kauf erwies sich die festgerostete Sattelstütze als enormes Problem, und als ich sie endlich draussen hatte, tauschte ich sie und den kaputten Sattel gegen neue Exemplare aus. Dann noch etwas eklige Einstellungsarbeiten an der Federvorspannung und an der Dämpfung - ich bin ja immer noch erstaunt, wie man ernsthaft so etwas an Laien verkaufen kann, das kann nie gut gehen - dazu noch ein sehr dicker Reifen hinten und ein Semislick vorne, etwas Politur und die Entfernung etlicher Aufkleber, und schon sieht die Sache wieder so gut aus, wie sie aussehen kann.



Grossbild

Immer noch hässlich. Besonders schlimm finde ich die Kurbel, die ich mit etwas Glück demnächst austauschen kann. Der Vorbau ist mindestens drei Zentimeter zu lang. Und beim Gewicht ist auch noch was möglich, obwohl gestern schon ein halbes Pfund verschwand. Aber es läuft schon ganz gut. Wirklich fasziniert hat mich jedoch ein ganz anderes Fahrrad, gestern Nacht:



Das Fahrrad des Flaschensammlers. Eigentlich wollte ich in der FAZ etwas ganz anderes schreiben, aber so stromerte ich mit dem Sammler ein wenig durch die nächtlichen Gassen unter dem Gebrüll der gemeinen Besoffenen, und schrieb darüber eine kleine Geschichte, in der es vor allem um das Gute geht.

Sonntag, 4. April 2010, 20:34, von donalphons | |comment

 
Und bloß nicht über den Freibetrag von 105 Euro kommen!
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/972700/Flaschen-sammeln-zum-%C3%9Cberleben

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Fehlt noch, dass am Pfandautomat dann der neue ePersonalausweis eingelesen werden muss und die Pfandbons per Internet direkt bei der Arbeitsagentur registriert werden.

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Deutschland wie ich es kenne.

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Fehlt noch die Rückverfolgbarkeit der Flasche zum Flaschenkäufer. Kann aber man mit einem RFID-Chip auf dem Etikett ohne weiteres in den Griff bekommen.

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Wenn zuviel eigene Bierflaschen drunter sind, wird die Stütze gekürzt.

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Heute noch in meinem Blog, morgen vielleicht schon bei dem neuen Westerwellekonzept, wenn ihn die RFID-Industrie für Vorträge bucht.

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Danke
für die Geschichte mit dem Flaschensammler. Über diese Spezies mache ich mir hier in der nicht allzu armen Verbundgemeinde auch öfters Gedanken. Einige dieser Damen und Herren sind in sehr zweckmäßiger (und nicht grade billiger) Funktionskleidung unterwegs. Ihre Fahrräder stammen nicht aus dem Baumarkt oder vom Sperrmüll, sondern haben das Bapperl vom hiesigen Fachgeschäft drauf. Die Effizienz, mit der da nach Restwerten geangelt wird, hat mich auch schon oft frappiert. Manche haben sich Teleskop-Greifer mit Maglite-Taschenlampe dran zusammengebastelt. Die Leute sehen zwar nicht so aus, als ob sie es wirklich nötig hätten, aber trotzdem sind sie immer ein wenig verhuscht unterwegs. Ich glaube, wir haben das Entstehen einer neuen Subspezies gesehen.

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Nun, ich weiss, weil ich dort selbst nach hafnerkeramik für den Tegernsee jage, dass weite Teile des Westviertels nichts Anstössiges daran finden, ab und an die Caritas aufzusuchen. Man muss das vielleicht nur etwas nach unten verlängern - oder vielleicht sind die Leute im Norden in Not geraten und geben das nicht zu? Ich weiss es nicht.

Bin ich aber so viel anders? Das Steppenwolf habe icbh grob gesagt zum Schrottpreis gekauft und "verwerte" es jetzt mehr oder weniger weiter. Nur als Gefälloigkeit für jemanden, aber immerhin, nur eine andere Dimension.

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(Wobei es auch ein nettes Gastdrittrad am Tegernsee wäre)

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Mir selber ist Jagdfieber
auch nicht fremd, ich habe früher zusammen mit ein paar Leuten gerne mal Exkursionen auf den Sperrmüll gemacht (mein erstes Raleigh-Rennrad war z.B. ein Sperrmüll-Fund).

Auf dieses Flaschensammeln (das ich so ähnlich auch schon am vorigen Wohnort im Hessischen beobachtet hatte), kann ich mir nicht so recht einen Reim machen. Man kann natürlich nicht reingucken in die Leute, und viel mag auch Fassade sein, aber so ganz subjektiv und unempririsch würde ich vermuten: Nicht jeder, der da mitmacht bei diesem Sport, ist wirklich von der blanken Not getrieben.

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Man erkennt es meistens dann aber doch am Äußeren, ob es jemand aus blanker Not macht oder nicht. Zur zweiten Kategorie gehört der eine Nachbar meiner Mutter. Er und seine Kollegen ärgerten sich fürchterlich, dass ein bestimmter Entsorgungsauftrag der Stadt an ein Konkurrenzunternehmen ging, den bislang sein Arbeitgeber erledigte. Die haben dabei nämlich auch nebenbei die Pfandflaschen eingesammelt, wohlgemerkt nur die zu 25 Cent, nach Bierflaschen hätten sie sich nicht gebückt, erzählte er. Da wäre jeden Monat ein hübsches Sümmchen zusammengekommen.

Dass die, die es eigentlich nicht nötig haben, immer ein wenig verhuscht unterwegs sind, könnte daran liegen, dass sie nicht unbedingt dabei gesehen werden wollen.

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Hoffmanns Blick auf die Welt
Vielleicht erhellt diese preisgekrönte Reportage das Blickfeld, was die standesgemäßen Mauern des Westviertels verhindern.

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Wen es interessiet: Autor Sußebach hat in diesem Interview über die Entstehungsgeschichte dieser Reportage gesprochen (ich habe diesen Link - wie auch den zur Reportage - neulich schon in einem Kommentar zum FAZ-Blog gesetzt, aber die hat es dort zerschossen, und der Link zu einem weiteren Artikel führt inzwischen ins Leere).

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