Drei netznahe Dinge

Ich werde hier sicher keine Rezension über das Buch Payback von Frank Schirrmacher schreiben; teils wegen meiner Arbeitsbeziehung zur FAZ (die mich demnächst aber nicht bei einem Hinweis auf ein anderes Buch einer Mitarbeiterin stören wird), teils, weil ich in meiner Internetkritik ganz andere Schwerpunkte sehe. Schirrrmacher argumentiert stark von der Technik her und sieht dort die Risiken, ich bekomme statt dessen enormes Bauchweh bei den von Vorreitern gehandelten Menschenbildern und Ausschlusskriterien des Netztotalitarismus, die sich dann letztlich wiederum in Hasskaskaden auf Twitter äussern, wenn nur das Wort "Schirrmacher" fällt. Weil es ja alle und besonders die ganz vorne tun.

Wie auch immer, Chris von FIXMBR hat eine sehr kluge Besprechung des Buches fern der ganzen Aufgeregtheit geschrieben.

Ich selbst trage mich dagegen seit Parma mit erheblichen Zweifeln, was die angebliche Anreicherung der Realität mit Internetinformationen angeht, und habe den Eindruck, dass manche da ziemlich viel schlechtes Zeug aus enorm schlechten Quellen rauchen, und anderen die Luft verpesten.

Und dann sind da noch die Ruhrbarone, die ich, wenn ich Geld und einen grossen Internetauftritt hätte, glattweg einkaufen und zum Derwestenschlächter aufbauen würde. Die gehen jetzt den Weg zurück an die Kioske und auf das Papier. Ich höre schon die Feinde des toten Holzes jaulen, aber so ist das nun mal: Es ist nicht die Technik, es ist der Inhalt.

Sonntag, 11. April 2010, 01:04, von donalphons | |comment

 
Ich würde es so interpretieren. Die bekannt-berüchtigte "Szene" sieht sich in der Gefahr, die selbst zugewiesene Avantgarde-Position zu verlieren. Das einzige "Asset" was sie vorweisen konnten und die prekäre Klammer, die sie zusammenhält. Klassische Profi-Kommunikatoren, wie Medien, PR-Agenturen, Werber, Lobbyisten, Politik, haben das Internet und speziell Social Media "entdeckt". Mit mehr Branchen-Know-How, klareren Zielen und besseren Kontakten ausgestattet, dominieren diese derzeit die Diskussion. In einer solchen Situation ist sozialspychologisch eine "Radikalsierung" nur logisch. Die Rückbesinnung auf die reine Lehre, die Abgrenzung gegenüber der realen Gesellschaft und das Wegbeissen der Kritiker.

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Ich denke, das ist insgesamt ein viel zu kleiner Markt für so viele Teilnehmer. Ein Hauptproblem für die Szene dürfte sein, dass gute Etats nicht noch einen Extraberater oben drauf wollen. Und damit ist der Kuchen schon weitgehend verteilt.

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Das mit dem Extra-Berater ging so lange gut, wie das "web2.0" noch exotisch war.

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>>...Ich werde hier sicher keine Rezension über das Buch Payback von Frank Schirrmacher schreiben; teils wegen meiner Arbeitsbeziehung zur FAZ...<<

Na Du gibst es wenigstens zu.

und manch einer fühlt sich erst geadelt, wenn er von ihm abgemahnt wurde.

Eigentlich ist Schirrmacher doch selbst das beste Beispiel für seine eigene Kritik. Er gehört zu den größeren Informationsverschmutzern des Internets. Zunächst mit seinem belanglosen Buch. Und mit seiner FAZ-Reihe zum Thema "Zukunft des Kapitalismus", bei der er mit völlig unseriösen Autoren (Sloterdijk, Heinsohn, Miegel) einer wichtigen Diskussion eine völlig fruchtlose und sogar gefährliche Richtung gibt. Und natürlich mit seinen zahlreichen postmodernen FAZ-Bloggern, deren Namen ich hier nicht nennen will, die aber jedes interessante Thema mit schwülstiger Theorie-Überfrachtung aber wenig Rationalität im Keim vernebeln (ein treffender Beitrag dazu).

Nee, Schirrmacher ist kein Intellektueller. Schirrmacher ist ein subversiver Wichtigtuer. Seine Mission im Auftrag seiner Klientel ist die ideologische Rechtfertigung des "Besitzes" und die Überhöhung der Moral der "Besitzenden". Und man kann gar nicht genug betonen, dass man sich mit seinen Ansichten nicht zu beschäftigen braucht. Schon der Gefahr des informationellen Multi-Tasking wegens. Das Buch hat er geschrieben, darauf vertrauend, dass er damit aufgrund seiner Prominenz in Talkshow eingeladen wird und im Internet die Blogger mit der größeren Zahl von Followern ihm schon ihre Referenz erweisen werden. Da braucht man sich dann nicht mehr die Mühe zu machen, ein originelles Buch zu schreiben (kann er auch gar nicht).

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Also, mein Weg in die FAZ war ja ein sehr holpriger und zeitweise - Stichwort Historikerstreit - auch ein mit blankem Hass erfüllter Saumpfad, und als sich die Sache dan so lala beruhigt hatte, schickte deren Business Radio eine Bekannte in den Tod. Insofern kann ich so ziemlich alles, was so über die FAZ an Schlechtem gesagt wird, irgendwo auch nachvollziehen. Ob meine Meinung immer die richtige war, möchte ich auch bezweifeln, aber so war es halt.

Genauso mache ich aus meinem Herzen hier auch keine Mördergrube, wenn mir was Wichtiges an der FAZ nicht passt, wie etwa die Rolle der FAS im Fall Hegemann, dann steht das auch hier. Mir ist meine Meinung wichtiger als das, was die FAZ zahlt, und was für mich nur so eine Art Aufwandsentschädigung ist, als Ergebnis der sonstigen Lebensumstände. Ich habe keine Angst vor nichts und niemand, ich mache hier aber auch keine Werbung für die. sondern verlinke mein Blog.

Nachdem ich das gesagt habe, möchte ich eigentlich nur kurz anmerken, dass ich wirklich kein einziges der diversen Gerüchte über Frank Schirrmacher bestätigen kann, die man von dritten so gesagt bekommt, wenn man dort anfängt. Ohne hier in Details gehen zu wollen: Es läuft alles sehr schnell, sehr unkompliziert, sehr offen und direkt. Zum Buch über den Kapitalismus habe ich aus Zeitgründen meinen angefragten Beitrag verbaselt, aber ich glaube schon, dass zusammen mit Thomas Strobl was nicht ganz schlechtes herauskommt. Aber das meinte ich auch nicht.

Stichwort Seemann: Meines Erachtens eine komplette Lachnummer aus dem Berliner Bloggerkreis rund um Lobo, Riechel, Weiss und Co., kann nicht schreiben, rupft sich seinen pseudointellektuellen Krempel irgendwo zusammen, aber ich nehme mal an, dass es auch gegen meine Person an diversen Stellen enorme Vorgehalte gab. Die Frage ist halt, was man letztlich daraus macht. Aber wenn ich ehrlich bin: Als Chefredakteur in Kenntnis über das bisherige Schaffen würde ich mir vermutlich auch erst mal einen eher pflegeleichten Seemann anschauen, bevor ich ausgerechnet mich nehmen würde. Bei der SZ sagte jemand bei der Nachricht von den Stützen, ich würde nach drei Beiträgen der FAZ eine volle Ladung durch die Kiel schiessen. Jedenfalls habe ich dort alle Freiheiten. Und ich war weiss Gott nicht immer auf der "Linie", die man der FAZ nachsagt.

Aber wie schon gesagt: Ich will niemandem dreinreden.

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Doch, doch - bitte! Reden Sie den Leuten drein!
Mir fallen da einige andere Ihrer Kollegen im Print ein, denen mal der Kopf gewaschen gehört.

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Dein Blog in der FAZ meine ich nicht unbedingt mit typisch "postmodern", wobei ich allerdings etwas überlegt habe, um zu diesem Urteil zu kommen. Ich würde es in die Kategorie "Popliteratur" einordnen, da Du ja die Bedeutung der besseren Gesellschaft für die Stabilität unseres Systems dort immer gern betonst, dies aber stark ironisierst. Trotzdem könnte es sein, dass Du das auch ernst meinst, wenn Du es auch mit einer gehörigen Portion verdientem Zynismus versiehst. Halt typisch Popliteratur und der haftet ja auch der Geruch an, "postmodern" zu sein. Es passt deshalb durchaus in die Reihe der FAZ-Blogs. Aber es hat eine stark eigenständige originelle Duftmarke und das hebt es hervor.

Da Du aufgrund Deiner sonstigen Statements (auch in Deinem FAZ-Blog) immer klar auf der Seite der Aufklärung und des Humanismus stehst :-), gehört Du für mich nicht zu den üblichen Verdächtigen. Und dass Du überall und jederzeit unabhängig Deine Meinung sagst, das nehme ich Dir absolut ab. Da nehme ich auch dem Strobel ab und anderen.

Allerdings gibt es auch bei Dir - und das ist vermutlich einfach nur menschlich - das Bedürfnis, Leute, die Du kennst, in Schutz zu nehmen. Übrigens ist dieses Verhalten meiner Beobachtung nach besonders ausgeprägt bei den Sprösslingen der besseren Gesellschaft und macht einen guten Teil ihrer Eloquenz aus. Das würde mir aber nicht grundsätzlich anders gehen, wenn auch stark abgeschwächt. Das ist nun mal der Return-on-Investment von persönlichen Beziehungen für die, die sich die Mühe machen, jemand Wichtiges "zu kennen" und sei es auch nur ;-) ein Alpha-Blogger.

Man muss dem Schirrmacher schon zugestehen, dass er diesbezüglich sehr intelligent die Bloggosphäre in den Dienst seiner Zeitung stellt. Das heißt aber nicht, dass ich dagegen wäre, dass Du Dein Blog bei der FAZ betreibst. Man muss es nur wissen.

Im Unterschied zu Dir kenne ich den Schirrmacher nicht und beurteile ihn anhand dessen, was er bzgl. Diskussionskultur anrichtet und wie er sich in Talkshows aufführt. Wahrscheinlich der objektivere Standpunkt. Denn das Argument "Ich kenne den persönlich und der ist eigentlich ganz anders" ist eigentlich kein Argument. Letzteres war ja nicht das Thema, sondern es ging um Schirrmachers öffentliches Produkt, sein Buch, und in dem Zusammenhang sind nur seine öffentlichen Aktivitäten interessant und zu beurteilen, also das, was jeder sehen kann, der will.

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Ich fürchte, es gibt hier ein paar falsche Vorstellungen von dem, was ich bei der FAZ mache. Ich arbeite vollkommen autonom vor mich hin, und von der Redaktion habe ich seit Beginn keine 5 Emails bekommen und wenn, dann waren es rein technische Dinge. Ich blogge bei der FAZ praktisch genauso wie hier. Wenn ich ab und an was absprechen muss, sind das in aller Regel recht banale Dinge und wie es weitergeht. Ich bin halt absolut kein Fan von Telefonkonferenzen. Zu Beginn, als nicht klar war, ob es gut laufen würde, habe ich erst mal nur ein 1-Jahresfrist vorgeschlagen, und dann eben verlängert. Es gibt und gab ein paar Ideen, die durchgesprochen wurden, aber im Grossen und Ganzen läuft das zur meines Erachtens beiderseitigen Zufriedenheit nebeneinander her. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass Internet bei vielen Leute dort nicht weit oben in der Priorität steht. Ich persönlich kann damit gut leben; anders wäre es dann sicher weniger lustig, und all die Kommentare bei mir sind sicher auch eine Folge der Weigerung mancher, sich das auch nur anzuschauen, was andere zu ihren Texten meinen. Das alles ist aber im üblichen Rahmen deutscher Medien. Es gab in all der Zeit exakt einen Versuch der Einflussnahme, aber der kam weder von dem Bereich der FAZ, wo ich bin, noch betraf er mein FAZ-Blog, und das war jemand v0n der FAS im Fall Hegemann. Das wurde aber entschlossen und knallhart zurückgewiesen. Umgekehrt könnte ich es aber auch verstehen, wenn man pikiert wäre, wenn ich sowas vesuchte. Ansonsten verteidige ich auch niemanden; so sind halt meine Erfahrungen. Wären sie anders, würde ich das auch sagen. Ich gebe gern zu, dass ich weitaus weniger Förderung und mehr Konflikte erwartet hätte. Es ist gut, wie es ist, das sage ich offen, aber wenn jemand eine andere Meinung zur FAZ hat, lasse ich die auch gelten.

Für mich ist die FAZ die Chance, den Diskurs über meine Klasse dort zu führen, wo die Klasse ihn liest. Ich könnte auch andere Themen machen, wenn ich nur anbieten würde, aber das Thema Internet habe ich aus Gründen der Reinheit für mein Blog nicht machen wollen. Wenn doch, kam es im Print, und ich wurde explizit gefragt.

Wenn man sich die ganze Sache unspektakulär vorstellt, ist man gut mit dabei.

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Das Experiment der Ruhrbarone
verfolge ich schon aus Lokalinteresse. Spannend zu sehen, ob der Schritt funktioniert. Nur die Blogbeiträge in Print zu gießen wird sicherlich nicht funktionieren. Aber ich glaube auch nicht, dass die das vorhaben.

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Nein, die wissen sicher, was sie tun. Die Frage ist nur, ob das jemand braucht.

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Bestellen werde ich das Magazin auf jeden Fall, schon aus beruflicher Neugier.

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ruhrbarone an die macht!
von wegen rote ruhr: wie vor 150 jahren zeigen bürgerliche barone, was ne hacke ist. und obwohl vor der hacke dunkel ist, sind die jungs ganz schön helle und zeigen den orientierungslosen verlegern, wo es lang geht: entweder in richtung qualität oder in richtung totalverlust.

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The End of Solitude
Interessanter Text dazu: The End of Solitude.

Es ist wie immer & überall: 90% of everything is shit und die meiste Kommunikation (nicht nur) im Netz erfüllt keinen Informationszweck, sondern dient dem (eigenen) psychischem Wohlbefinden.

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Schirrmacher hat ein gutes Näschen für resonanzfähige Themen. Persönlich mag ich diese Art von "journalistischen Büchern mit wissenschaftlichem Einschlag" nicht besonders. Für mich immernoch das Beste bis jetzt kommt von Jaron Lanier ("You are not a gadget") - originell, klug, bestechend und philosophisch gehaltvoll. Übrigens um Welten besser als seine Beiträge in der FAZ, die dem Anspruch seines Buches ob der Kürze nicht einfach nicht gerecht werden.

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Stimmt. Iirc habe ich die Klage über verändertes (flüchtigeres) Leseverhalten in amerikanischen Artikel bereits etliche Monate vor Schirrmachers Publikation gelesen. So besonders originell ist der nicht.

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