Mit den Touristen kaufen
Das ist Monteriggione.
Wenn man von Florenz nach Siena fährt, sieht man den Ort mit seiner imposanten, fast schon idealtypisch runden Ringmauer zu spät, um noch schnell den Beschluss zu fassen, dort anzuhalten. Das ist nicht weiter schlimm, denn der Touristenparkplatz ist grösser als der historische Ortskern. Das Kastell wurde von den Sienesen angelegt, um eine Strasse zu bewachen und einen Rückzugsort nach Schlachten mit Florenz zu haben. Entsprechend karg und wenig relevant ist die Bebauung, ganz im Gegensatz zum ungleich bedeutenderen und heute kaum bekannten Kloster Isola in ein paar Kilometer Entfernung. In Monteriggione kann man anhalten, wenn man sich für Befestigungskunde der frühen Gotik interessiert, als aus kleinen, kompakten Burgen geplante Festungen wurden. Ansonsten ist es eine Touristenfalle.
Davor wird ja allgemein gewarnt. Irgendwann in den 90ern wurde es unfein, zu kaufen, wo die Touristen kauften. Das war nur was für Gläsermitbuntennudelnmitbringer, die den doppelten Preis für die halbe Qualität zahlten. Italien wurde zum Land für Kenner, hier ein Delikatessenladen und dort ein Weingut, in jenem Dorf gäbe es noch ein Genie, das Rahmen baute, und in jener Strasse einen Seidenwirker, dessen Tücher gut und billig wären. Weit ab vom Strom der Touristen arbeitet noch ein Schuster, und erst nach sieben Strassen findet man den besten Besenmacher und seine kleine Werkstatt...
Das war mitunter tatsächlich so. In einem höhlenartigen Gewölbe bei Malcesine gab es einen alten Mann, der jedes Rad fast umsonst reparierte und alle Lager sauber schmierte - heute ist dort ein Kleidungsgeschäft. Wie auch an Stelle der Bäckerei in einem Gässchen von Verona, die Zwiebelbrot machten, das richtig nach Zwiebeln schmeckte. Ich kenne noch einen Schuster, und ein paar unscheinbare Geschäfte mit gutem Essen, ein Haushaltswarengeschäft in Brixen und Meran. Der Rest in den kleinen Gassen und vergessenen Dörfern ist weg. Aber heute war ich in Monteriggione, und da ist obiges Schuhgeschäft.
Die Schuhe aus der zugehörigen Werkstatt sind dort nicht so perfekt verarbeitet, wie die Mantelassi-Monks, über die ich danach in Parma gestolpert bin. Handarbeit, Gebrauchsschuhe, wie Leder halt aussieht und riecht, wenn es gegerbt, von Hand geschnitten und nicht allzu sehr nachbearbeitet wird. Ich habe mich bemüht, kritisch zu sein, aber es gab daran nichts auszusetzen. Es ist nicht die beste Qualität, nicht im Mindesten so gut wie das, was ich morgen in Verona bekomme, aber um Klassen besser als der normale deutsche Fabrikschuh gleicher Preisklasse. Und zweifarbige Schuhe muss man nehmen, solange man sie kriegen kann.
Das ist jetzt nicht das erste Mal, dass es mir passiert, aber da ist auch etwas anderes: Italienische Männer tragen, wenn sie nicht gerade alt und vermögend sind, fast durchgehend miserable Schuhe, die sie in Ketten und Hallen mit Sconto-Aktionen erwerben. In Siena kaufen in den Geschäften der Altstadt nur die Touristen, und die Italiener unten in den langen Reihen der Industriegebiete, wo es billiger ist. Nicht billig, aber erheblich billiger. Made in Itlay ist das nur noch begrenzt. Was - jenseits von Louis-Vuiton-Taschen für die Frauen - handgemacht, teuer und hochwertig ist, sammelt sich an den Stellen, wo vor allem die Touristen sind. Womöglich, weil es andernorts nicht überleben kann. Das ist bitter. Aber besser so als anders.
Wenn man von Florenz nach Siena fährt, sieht man den Ort mit seiner imposanten, fast schon idealtypisch runden Ringmauer zu spät, um noch schnell den Beschluss zu fassen, dort anzuhalten. Das ist nicht weiter schlimm, denn der Touristenparkplatz ist grösser als der historische Ortskern. Das Kastell wurde von den Sienesen angelegt, um eine Strasse zu bewachen und einen Rückzugsort nach Schlachten mit Florenz zu haben. Entsprechend karg und wenig relevant ist die Bebauung, ganz im Gegensatz zum ungleich bedeutenderen und heute kaum bekannten Kloster Isola in ein paar Kilometer Entfernung. In Monteriggione kann man anhalten, wenn man sich für Befestigungskunde der frühen Gotik interessiert, als aus kleinen, kompakten Burgen geplante Festungen wurden. Ansonsten ist es eine Touristenfalle.
Davor wird ja allgemein gewarnt. Irgendwann in den 90ern wurde es unfein, zu kaufen, wo die Touristen kauften. Das war nur was für Gläsermitbuntennudelnmitbringer, die den doppelten Preis für die halbe Qualität zahlten. Italien wurde zum Land für Kenner, hier ein Delikatessenladen und dort ein Weingut, in jenem Dorf gäbe es noch ein Genie, das Rahmen baute, und in jener Strasse einen Seidenwirker, dessen Tücher gut und billig wären. Weit ab vom Strom der Touristen arbeitet noch ein Schuster, und erst nach sieben Strassen findet man den besten Besenmacher und seine kleine Werkstatt...
Das war mitunter tatsächlich so. In einem höhlenartigen Gewölbe bei Malcesine gab es einen alten Mann, der jedes Rad fast umsonst reparierte und alle Lager sauber schmierte - heute ist dort ein Kleidungsgeschäft. Wie auch an Stelle der Bäckerei in einem Gässchen von Verona, die Zwiebelbrot machten, das richtig nach Zwiebeln schmeckte. Ich kenne noch einen Schuster, und ein paar unscheinbare Geschäfte mit gutem Essen, ein Haushaltswarengeschäft in Brixen und Meran. Der Rest in den kleinen Gassen und vergessenen Dörfern ist weg. Aber heute war ich in Monteriggione, und da ist obiges Schuhgeschäft.
Die Schuhe aus der zugehörigen Werkstatt sind dort nicht so perfekt verarbeitet, wie die Mantelassi-Monks, über die ich danach in Parma gestolpert bin. Handarbeit, Gebrauchsschuhe, wie Leder halt aussieht und riecht, wenn es gegerbt, von Hand geschnitten und nicht allzu sehr nachbearbeitet wird. Ich habe mich bemüht, kritisch zu sein, aber es gab daran nichts auszusetzen. Es ist nicht die beste Qualität, nicht im Mindesten so gut wie das, was ich morgen in Verona bekomme, aber um Klassen besser als der normale deutsche Fabrikschuh gleicher Preisklasse. Und zweifarbige Schuhe muss man nehmen, solange man sie kriegen kann.
Das ist jetzt nicht das erste Mal, dass es mir passiert, aber da ist auch etwas anderes: Italienische Männer tragen, wenn sie nicht gerade alt und vermögend sind, fast durchgehend miserable Schuhe, die sie in Ketten und Hallen mit Sconto-Aktionen erwerben. In Siena kaufen in den Geschäften der Altstadt nur die Touristen, und die Italiener unten in den langen Reihen der Industriegebiete, wo es billiger ist. Nicht billig, aber erheblich billiger. Made in Itlay ist das nur noch begrenzt. Was - jenseits von Louis-Vuiton-Taschen für die Frauen - handgemacht, teuer und hochwertig ist, sammelt sich an den Stellen, wo vor allem die Touristen sind. Womöglich, weil es andernorts nicht überleben kann. Das ist bitter. Aber besser so als anders.
donalphons, 01:15h
Dienstag, 5. Oktober 2010, 01:15, von donalphons |
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larou46,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 03:46
Don die rote Handtasche im oberen Teil von Regal, sieht die in Wirklichkeit so gut aus wie auf dem Bild?? Denn wirklich gute Handtaschen, wie von Ihnen beschreiben, haben leider den Nachteil, dass man sie zu oft sieht.
Die Bilder in den Beiträgen über Ihre Reise sind sehr schön.
mfg
Die Bilder in den Beiträgen über Ihre Reise sind sehr schön.
mfg
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donalphons,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 10:29
Es gibt in der Toskana ein bestimmtes Leder mit natürlicher Gerbung, das dann einen besonderen Glanz hat - schon irgendwie edal, aber auf eine rustikale Art. Das ist auch hier so. Ob es wirklich gut ist, wird sich aber erst nach der Buchmesse gezeigt haben,
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don ferrando,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 10:04
leider ist das nicht nur in Italien so. In Deutschland begann das schon viele Jahre früher.
Es gibt da eine traurig schöne Sendereihe im BR "der letzte seines Standes"
Es gibt da eine traurig schöne Sendereihe im BR "der letzte seines Standes"
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donalphons,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 10:31
Ja, aber wenigstens konnte man noch sagen, dass sich Italien dies und das gehalten hat, und wenn man das nächste Mal hinfährt... Das geht auch nicht mehr.
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anderl,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 10:48
Dass kleine und Handwerksläden allenthalben verschwinden und den üblichen Ketten und Ramschgeschäften weichen müssen, daran dürften aber vor allem Haus- und Grundbesitzer mit ihrem Wunsch nach bestmöglicher Rendite der Immobilie ihren Anteil haben. Es wird ja keiner daran gehindert, Geschäftsräume an einen Schuster oder -fast schon ein vergessenes Wort- Eisenwarenladen zu vermieten. Da hört die Neigung zu den "guten Dingen, die es noch gibt" jedoch ganz schnell auf.
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donalphons,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 11:10
In Italien wird in den kleinen Orten nur wenig vermietet, sehr oft gehört den Geschäftsinhabern auch das Haus. Irgendwas um die 80%, habe ich mal in denn 90er Jahren gelesen.
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weltenweiser,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 11:22
Jetzt mal ganz dumm gefragt: Wie pflegst Du Sie? Ich schrecke deshalb vor zweifarbigen Schuhen zurück oder nimmst Du dann nur farblose Schuhcreme?
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donalphons,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 11:26
Ich nehme einfach Lederfett. Bislang habe ich jedenfalls keine besonderen Probleme, und wenn ich mal Farben brauche, bin ich vorsichtig.
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greenbowlerhat,
Dienstag, 5. Oktober 2010, 15:49
Eine Alternative ist zwei Ausfahrten früher: die Altstadt von Colle, auch sehr schön. Zum Einkaufen war ich dort allerdings noch nicht.
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donalphons,
Mittwoch, 6. Oktober 2010, 12:24
Man kann an der Strecke eigentlich nicht fehl gehen, das ist die alte Strasse vom Brenner nach Rom und der Ort, an dem Siena und Florenz zusammen stiessen.Eigentlich ideal, was die Kultur angeht, aber noch nicht sonderlich überlaufen. Die meisten sind eben in Siena, Florenz, San Gimignano und Volterra.
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thermoskanne2,
Freitag, 29. Oktober 2010, 18:03
Mahdia(tunisia)
Danke fuer die Anregung. Ein Kollege will mir jetzt Schuhe aus einer tunesischen Kleinstadt mitbringen. Wobei ich mich jetzt erstmal fuer schwarze Schuhe entschieden habe. Kann man dann ein Bild am besten ueber Flicker einfuegen?
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