Wenn es rechtsaussen gegen Rechtsaussen geht

dann kommt so etwas wie in der FPÖ dabei heraus: Ein Trittbrettsagersager lässt sich zu Oslo ein, nachdem er vorher schon so Sachen mit Neonazis an der Backe hat, und die Partei kann jetzt nicht anders, und muss ihn rausschmeissen. Das nennt man vermutlich Schadensabwägung: Man verliert Potenzial ganz rechts und hofft, in der Mitte nicht als Massenmordvordenker da zu stehen.

Irgendwie keine guten Zeiten für Leute mit übersteigertem Geltungsbedürfnis. Heute wurde bekannt, dass Frau Balci, die mit Herrn Sarrazin in Kreuzberg unterwegs war, ihren eventuellen Auftrag bei der ARD für einen ähnlichen Film verliert (hier die FAZ, hier die Antwort der ARD). Die Darstellungen gehen inhaltlich ziemlich auseinander und ergänzen sich gegenseitig, und vor allem die notlügende Produktionsfirma dazwischen sieht dabei richtig schlecht aus.



Wenn es so ist, wie die ARD es darstellt - und Frau Balci keinen direkten Vertrag hatte - hält sich aber auch mein Mitleid stark in Grenzen. Dass sie mit Sarrazin in Kreuzberg einen Eklat bekommt, den sie beim ZDF und Aspekte gut verwerten kann, ist die eine Sache. Dass sie den Eklat aber schon vorher bei Sarrazins Hofberichterstattern von der WELT raushaut, ohne dass bis dahin jemand den Film kennt, und dabei auch die Vorfälle übertrieben dargestellt hat, ist auf der anderen Seite schon recht grenzwertig. Und ich verstehe irgendwie, dass man bei Auftraggebern gerade bei so einem heiklen Thema vielleicht niemand an Bord haben will, der solche Aufträge in dieser Form zur eigenen Profilierung benutzt, und das dann auch noch bei so einem heiklen Thema bei einem Verlag wie Springer. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass diese Art der Publicity den Auftraggebern eher schadet, und wenn das vor dem Hintergrund eher lockerer Absprachen geschieht, kann man der Frau nicht helfen: Die plausiblen Gründe für die Absage - und es sind wahrlich keine schlechten - hat sie selbst geliefert.

Da wiederholt sich ein Muster, das man aus der gesamten islamophoben Szene mittlerweile gut kennt: Sie funktioniert nur mit der Befeuerung von neuen Skandalen und schärferen Aussagen. Auch dieses Thema ist ein Markt, auf dem ein gutes Dutzend bekanntere Autoren um die Plätze in Talkshows, Lesungen und Verlagen kämpfen; der Medienrummel braucht krasse Leute und will gar nicht in irgendwelche Detaildebatten einsteigen.Sarrazin ist ganz vorne, man kann entweder versuchen, in seinem Windschatten nach vorne zu kommen, oder immer noch eins drauf zu setzen. Das kann lange gut gehen, wenn man im Rahmen bleibt oder im Zweifwelsfall die jüdische Abstammungskarte zückt, aber diesmal hat es jemand mal übertrieben. Bevor der Sender nochmal eine schräge Nummer riskiert und eventuell Druck bekommt, verzichtet er eben auf eine Mitarbeiterin und ein Projekt. Das passiert laufend. Kein Grund zur Panik.

Allenfalls ein Grund, die Skandalisierung wegzulassen und zur Debatte zurückzukehren. Das ist dann für einen Sarrazin, eine Welt, einen Strache und einen Broder auch übel genug.

Freitag, 29. Juli 2011, 01:48, von donalphons | |comment

 
Dem Herrn Broder
fällt ja inzwischen nix Besseres mehr ein, als sich beim Stern als "Sündenbock" dieser Gesellschaft zu stilisieren. Irgendwie infam, meine ich...

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Wer ein wenige Tage altes Kind umbringt, wird von Gerichten und Gesellschaft als übel betrachtet und mit der Höchststrafe bestraft. Wer dasselbe Kind nur einige Tage oder Monate vorher umbringt, wird nur gering oder garnicht bestraft und gilt sogar als Held(in) des Hedonismus.
Von Betroffenheit vergleichbar mit Norwegen ist da nichts zu spüren in der Gesellschaft.
Und das wird bestraft durch den Untergang unserer Kultur.
Sarrazin hat zwar Recht in dem, wie er diesen Untergang beschreibt. Nur läßt er eben unser eigenes Versagen unthematisiert, vermutlich würde sich sein Buch sonst schlechter verkaufen.

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hu, was bist du denn *brrr* ?

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Ja, ich weiß: ich gehöre zu den Leuten mit auffälligen Meinungen, die in einer Liste erfaßt werden sollen. Dazu ein Zitat aus der heutigen Morgenpost: "Zudem soll ein europaweites Netzwerk an Psychologen und Fahndern künftig Einzeltäter wie den Attentäter von Oslo möglichst früher aufspüren, teilten EU-Diplomaten nach einem Treffen von Anti-Terrorexperten am Donnerstag in Brüssel mit."
http://mobil.morgenpost.de/politik/ausland/article1716256/Attentaeter-Anders-Breivik-wird-erneut-verhoert.html?cid=Startseite
Ich weiß, warum ich schon seit drei Jahren anonym kommentiere und vermutlich bald ganz verstumme.

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jolly_rogers, am Ende ist es dann wie immer eine antisemitische Verschwörung, ganz sicher.

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@ stimmviech
Was verstehst Du unter "unserer Kultur"?
Was ist "Kultur", und was ist das Kollektiv, aus dem das Personalpronomen kommt?

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Das Kollektiv ist das europäische und die Kultur ist die demokratische.

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Da beginnen aber die Schwierigkeiten. Zum europäischen Kollektiv gehören die Araber und der Islam, die dieses Kollektiv in Spanien ein Jahrtausend (!) lang mitprägten.
Und wenn die Kultur demokratisch ist, dann gehören zB die attischen Tragodiendichter nicht dazu, denn das waren keine Demokraten.

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Ich meine natürlich die demokratische Aufklärungskultur im Nachkriegs-Kerneuropa. Länder wie Spanien und Rumänien gehören für mich nicht unbedingt dazu.

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Jetzt fragen wir lieber nicht weiter nach, sonst reduziert sich die "demokratische Aufklärungskultur im Nachkriegs-Europa" auf ein Dorf in der Oberpfalz oder im Hunsrück, in der stimmviech eine idyllische Kindheit verlebt hat; und danach war es nie wieder so schön.

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survival of the fittest
die makrele im haifischbecken - ich krieg mich nicht mehr ein.

weiter so!

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Gerne. Neue Makrelen wachsen schnell wieder nach. Vielleicht findet sich ja ein Trottel, der ihr bei Springer ein weiteres ödes Blog nachschmeisst.

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Ich warte schon auf die nächsten Art. 5 GG-Zitierer aus den FAZ-Foren... Auch dort ist ja mittlerweile die Niveau-Skala nach unten offen.

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Es kann ja nicht jeder so zivilisierte Leser wie ich haben. Im Ernst, sowas passiert immer dann, wenn der Autor selbst nicht mitredet.

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Am besten fand ich aber noch die "grüne" Bewertung eines Kommentars, der mit "Gutmensch = Nazibegriff" betitelt war. Der ist vermutlich deswegen von den Sarrazin-Fans positiv bewertet worden, weil sie mittlerweile nur noch die Überschriften lesen. So à la "Sag ich doch, die Diktatur der Gutmenschen - schlimmer als die Nazis..."
Seufz. Da hilft auch der Hinweis auf die Gegendarstellung des rbb ein paar Kommentare später nichts.

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PI schickt regelmässig die Horden zum Niedervoten rüber. Da gibt es so eine Mailingliste. Ich würde die Kommentarbewertung abschalten, die ist weder fair noch angemessen, aber es sind Klicks, und das zählt. Auch wenn die Debatte dann immer so aussieht, als wäre die FAZ das Lieblingsmedium der Wikingjugend. Man vertreibt damit die normalen Diskutanten.

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Dachte ich mir schon, bei teilweise über 1000 Bewertungen...
Könnte man das nicht relativ einfach abstellen oder zumindest begrenzen, indem man für das Voten eingeloggt sein muss?

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Man könnte vieles, aber nach meiner Erfahrung würde das voraussetzen, dass man sich es Problems nicht nur bewusst wäre, sondern auch willens und fähig, es anzugehen.

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(Am Rande: Es ist kein Geheminis, dass es vielleicht für die Nutzererfahrung ekelhaft und für die Diskussionskultur schädlich ist - aber die" Welt" etwa fährt in Sachen Traffic sehr gut damit.)

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mit dem anlocken der horden aus Pissistan, thjazi, JF usw ?

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Ja. PI vor allem, die kommen auf ganz erhebliche Zahlen.

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mhh dann bräuchte man dringend sowas wie ein gutmenschenslashbee, von dem aus man gepflegte raids unternehmen könnte ;)

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MeinLieblingskoch zitiert in seinem Blog den britischen Sänger Morrissey:
"We all live in a murderous world, as the events in Norway have shown, with 97 dead. Though that is nothing compared to what happens in McDonald's and Kentucky Fried S*** every day."

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