Transport für Haifisch

Münchner Haifische fahren nach Berlin, wie Vampire in ein rumänisches Dorf fliegen. Dann fliesst das Blut schlecht angezogener Berliner Anwälte in Strömen aus den Sitzungssälen, zum Verderben der Verkäufer tiefblauer Sackakkos, geblümter Krawatten und hellbraunen Slippern, in denen weissbesockt die Zehen krampfhaft zittern. Wenn so ein Fond erstmal gecrasht ist, bleiben nur die miesesten Rechtsverdreher übrig, billiges Futter für die Prada- und Knize-Truppen aus dem Süden, deren Auftraggeber in Starnberg den Vollzug der Vernichtung als selbstverständlich voraussetzen.

Aber Zeit ist Geld, es bleiben nur wenige Stunden, der Stadt andere Schäden zuzufügen, und dann fallen die Scharen mit einem Taxi kurz in der Eisenacher Strasse oder der Bergmannstrasse ein, um vielleicht eine Hellebarde fürs Büro zu kaufen, eine alte Duellpistole, einen malayischen Dolch oder auch japanische Seidenmalereien, damit die Paragraphengruft einen femininen Touch bekommt, ganz gleich, welche Titanlegierung und welcher Hauptprozessor unter der Fleischnachbildung ihren Dienst an der Ausplünderung dummer Berliner Staatsbanken tut. Weil, man gönnt sich ja sonst nichts. Nur zu blöd, dass man das nicht im Flugzeug nitnehmen kann. Das muss dann einer machen, der mit dem Auto in Berlin ist.



Und so geht es vor der Heimreise nochmal hinab in die Keller unter der Stadt, in denen Händler die Schätze aus den Jahrzehnten des Niedergangs horten, und nur dann widerwillig Dependancen draussen eröffnen, wenn im Zentrum absolut kein Platz mehr ist. Aufgereiht sind die Biedermeiersekretäre, die geschweiften Kommoden stehen übereinander auf dicken Quetschfüssen, in den Vitrinen funkeln Kristall und Silber, und im Nebenraum liegt ein Berg Bilder bis zum Barock, die wirklich musealen Stücke sind irgendwo seitlich aufgetürmt.

Der Patron erzählt von der Jagd und vom Nehmen, von den Neuzugängen und dem Schicksal, das dahinter steckt, meist mit einer alten toten oder ins Altersheim verfrachteten Frau, und leitet dezent über, dass zu der Münchner Fuhre auch noch dies und jenes passen würde, das er aus dem Zwischenraum zweier Barockschränke an der venezianischen Lampe vorbei zerrt. Seine Augen funkeln, denn er weiss, wer ihm da gegenüber steht, er kennt das Zeichen und die spitzen Zähne, er hat die Gier bereits erfahren und hat ein Gefühl für die Lockungen frischen Blutes aus den besseren Villen Grunewalds. Es ist nie eine Frage des Wollens, es ist immer eine Frage des Preises und der Geschwindigkeit, denn er braucht Geld für die nächsten Brocken Fleisch aus den Kadavern, bevor ein anderer zugreift, und für die beiden zarten Damen auf Seide findet sich ein Ort, ein Platz, und letztlich wohl auch ein Haifisch, der Ansprüche darauf erheben wird. Oder sich verfluchen, wenn er im Bild die Fragmente einer Bronzensammlung sieht, die ohne ihn zerschlagen wird, vielleicht eine asiatische Gottheit, oder Orpheus und Euridyke aus dieser metallbraunen Unterwelt.



Nachher, an den Wänden und auf den Tischen der Kanzleien, wird nichts an den Orkus erinnern, durch den die Kunst gegangen ist, und nichts an die zuckenden Nasen und die schamlosen Blicke der Jäger, für die in dem Keller das rohe, blutig-saftige Festmahl an gebogenen, unrestaurierten Tischen bereitet wird. Und später dann, auf der A9 singt Lemmy, C´mon Baby, eat the rich, hinten im Fond sind bessere, zarte japanische Damen obszön aufeinandergequetscht, und vorne beim Schaltknüppel grinst ein bleiches Elefenbein-Okimono, ein kleiner fetter Mann, das wüste Treiben auf dem Rücksitz beim Flug über die nachtschwarze Autobahn hinterhältig an. Denn dunkel und böse sind unsere Wege, die zum Besitz führen, und am Tag, da wir sterben, wird der letzte Gedanke sein, dass unser Besitz in den schlimmen Reigen zurückkehrt, in einen vollen Keller, wo unser Fluch aufs neue von anderen Haifischen Besitz ergreifen wird.

Freitag, 21. Oktober 2005, 18:16, von donalphons | |comment

 
Es nimmt mir den Atem.

... link  

 
Und mir das Augenmass, Himmel, wo soll das nur alles hin.

... link  


... comment