Im Gleichgewicht

Eine Kurve links, eine Kurve rechts, gerade, ein paar Kurvenfolgen, mehr oder weniger geschlängelt, ein Zwischenhalt auf halber Strecke für den Ankauf einiger Asiatika und dann irgendwann, im Dachauer Moos, nur noch die Gerade, bis irgendwann das hier auftaucht:



Schloss Schleissheim, eine weitere grandiose Fehlivestition des sog. "blauen Kurfürsten" Max Emmanuel, der sich im spanischen Erbfolgekrieg feige nach Holland davonmachte und Bayern den Ösis überliess. Wie andere bayerische Gewaltherrscher und Despoten hatte er eigentlich den Plan, ein höheres Amt anzustreben, aber am Ende landete er dann wieder in Bayern. Wo er das Geld des verwüsteten Landes in diesem grosskotzigen Bau verpulverte, dessen Ansprüche er nie einlöste.



Schleissheim ist Barock, noch vor dem Rokoko, und so ist hier zwar viel verschnörkelt, aber alles letztlich noch gerade und symmetrisch. Mitunter fast veraltet sind die diversen Deckengemälde, die eigentlich noch der Renaissance entspringen. Hätte hier wirklich emand längere Zeit residiert, hätte man das Pärchen bald übermalt.



Wir befinden uns zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die Reformation und der 30jährige Krieg sind vorbei, und die Fürsten widmen sich wieder der Ausbeutung der durch Monopolreligion verblödeten Menschen und der Auswahl ihrer Bettgenossinnen. Draussen wird unter dem Kreuz geknechtet, drinnen hat sich die barbusige Dame für einen Satyr offensichtlich schon entschieden.



Es herrscht Überfluss, zumindest in gemalter Form. An die Schmach des Auftraggebers erinnert wenig, hier ist alles im Lot, die Brüste quellen und die Ranken laufen über, als hätte der Österreicher nicht jahrelang das Land ausgeplündert und den Grundstein dafür gelegt, dass sein Ansehen hierzulande weit unterhalb des Slowaken und Rumänen zu finden ist. Ex Austria nihil bene, dieser Spruch wurde 200 Jahre nach der Fertigstellung noch einmal bewiesen, und nur 5 Kilometer vom Überfluss entfernt sind an der Bundesstrasse die Wachtürme, Mauern und Stacheldrähte des Ortes, der Dachau noch lange mit einem wenig erquicklichen Ruf beschwert.



Dessen ungeachtet wimmeln nackte Putti durch die Szenerie, während der arrogante Pfau unter ihnen auch nur mit Wasser spuckt, während seinem Vorbild jemand, wie damals üblich, den Kragen umdreht und als Höhepunkt des Festmahls gebraten und ausgestopft serviert. Gerade sind hier alle Wege, die Symmetrie bestimmt den Platz, an dem man zu sein hat, da kommt man nicht aus im voraufklärerischen Barock, und so treibt es uns dann dorthin, wo Schluss ist mit Unterordnung, Tyrannei und einer Geschichte, deren schlechte Wurzeln auch durch die Ordnung des Schönen, durch die Pracht der Frauen und den Überfluss, den ihre Lippen verheissen, nicht verdeckt werden kommen. Kurz, "Qualität ist unsere einzige Werbung", verheisst die Schlosskonditorei.



Und was soll ich angesichts des Erdbeertörtchens, das mit seiner gerollten Bisquitfüllung optisch der etwas späteren Zeit der Aufklärung, von Diderot und Voltaire entspricht, schon sagen: Recht haben sie.

Montag, 16. April 2007, 01:14, von donalphons | |comment

 
Ja, die Kuchen sind sehr gut, aber das schönste am Schloss ist der Hofgarten: dort kann man sich, auch wenn es auf dem Hauptweg von Touris nur so wimmelt, in den verborgenen Seitengängen auf eine Wiese legen und wird den ganzen Tag niemanden begegnen.

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Ahh, da wird man neidisch...
Ich verbringe den ganzen gestrigen Tag mit dem Übersetzen eines Artikels über die Enzyklopädien der Zeit, und andere Leute können hingehen und sich in den Schlössern und Gärten herumtreiben, und die Torten verspeisen...

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Dafür mache ich heute einen tortenfreien Tag. Muss auch mal sein.

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Solche Wort-Bild-Kombinationen...
wünsche ich mir in so manchen Coffeetable-Büchern.

Schade, dass das meistens nicht der Fall ist. Nun, bis dahin muss ich dann halt weiter mit dem "Coffeetable-Blog" (no offence! :-) vorlieb nehmen...

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Oh, ich liebe Coffeetablebooks! Pierre Deux Paris County, in the Houses of Ireland, Mansions and Cottages in Sussex, Unbekannte Villen der Terra Ferma, das alles muss ich haben. Immer. Jederzeit. Selbst wenn ich mich danach ärmlich fühle.

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Ja, ich lese schaue mir die auch gerne an. Aber es fehlt mir der "Input" auf Textbasis. Und sei es eben in komprimierter Form wie oben im Text ;-)

Ich weiss, dann wäre es kein Bildband mehr...

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Nun, die Interoir International füllt diese Lücke doch ganz gut. Und im englischen Bereich gibt es auch entsprechende Buchangebote, die weitaus über dem hierzulande üblichen "Fraufrau Gertrud v. Trockenbrunn zu Randow über das Ambiente des Immobilienfondsbesitzers, für des sie nebenbei PR macht"-Niveau stehen.

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"Fraufrau Gertrud v. Trockenbrunn zu Randow über das Ambiente des Immobilienfondsbesitzers, für des sie nebenbei PR macht"

;-)))

Merci für die Tipps.

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Ganz im Ernst
Wenn du noch öfters durch Bayern fährst, mit solchen Texten, könnte wirklich ein gutes Buch draus werden.

Print ist noch lange nicht tot.

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Nein, natürlich nicht. Aber ich habe da keine Ambitionen, Reiseführer gibt es schon genug, und um wieder ernsthaft in die Kunstgeschichte reinzukommen, müsste ich den ganzen Sommer in der Bib sitzen. Soll doch jeder selbst entdecken gehen. Augen auf und rein. Schleissheim ist ohnehin das unterschätzte Kleinod der Schotterebene.

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Du sollst ja gerade keinen Reiseführer oder eine kunstgeschichtliche Abhandlung schreiben, die gibt's nun wirklich genug.

Schöne Fotos und dazu bissige Texte, die dir während des Besuchs spontan einfallen, das hätte was.

Sind die Fotos schon mit der Fuji?

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Genau das würde ich aber nie im Print machen, allein schon wegen der Kollegen aus dem Fach. Und weil sich der Wissenschaftler in mir höllisch über solche Bücher - und die gibt es! - ärgern würde. An meinem oberen Schreibtisch steht Tucholskys Pyrenäenreise, und das versuche ich erst gar nicht, ich kenne meine Grenzen.

Teilweise Fuji, teilweise Kodak. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die Bilder der Fuji wirklich mag; der Zoom ist toll, aber die Artefakte, die Bilderverwaltung und die Leistung beim Ablichten von dunklen Bildern sind weniger prickelnd.

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Verstehe ich schon. Aber dann bitte hier weiterschreiben!

Irgendwann wirst du doch auf Spiegelreflex umsteigen müssen. Schönwetteraufnahmen kann fast die billigste Kompaktknipse, aber wenn die Lichtverhältnisse suboptimal sind, scheitern oft sogar die wirklich guten.

Außerdem braucht man bei all der architektonischen Pracht auch ein vernünftiges Weitwinkelobjektiv.

Apropos nochmal Coffee Table Books. Man bekommt wahrscheinlich kaum ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis. Oft tolle Fotos und wenn man Glück hat, saß ein kundiger Autor dran. Oft landen solche Bücher schon nach Jahren im Ramsch und man bekommt sie zu Spottpreisen.

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Oh oh, also, das 23mm-Weitwinkelobjektiv der glumpigen Kodak V705, das ist... schau es Dir selbst an, das ist ein Deckengemälde in 7 Meter Höhe, und der Saal ist gut 20 Meter breit. Das Original ist 7MP, jetzt runter auf 1,5, nur verkleinert, etwas an den Kontrasten im rechten Teil geschraubt. Ansonsten lag die Kamera einfach mit dem Rücken auf dem Boden.

Na? Sollte man nicht glauben, dass es eine 200 Euro Knipse ist.

So, die Engerl links oben mit der Blumengirlande jetzt mit der Fuji, Blende 3,2, 1/20, Original 5 MP und 1/6 Kompression, und zwar stehend aus der Hand geschossen bei etwa 180 mm Tele, 3. Versuch. Ich denke, beide Kameras zusammen sind in den allermeisten Situationen zu gebrauchen. Ausnahme: Dunkle Gemälde von Caracci in dunklen Räumen.

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Große Helligkeitsunterschiede im Bild führen bei Kompaktkameras zu weißen Flecken/Nebel neben den zu hellen Bereichen, Spiegelreflexkameras sind da aufgrund ihres größeren Sensors auch im Vorteil. Wenn man dunkle Gemälde fotografiert, in denen sich das Sonnenlicht spiegelt, merkt man den Unterschied besonders stark. (Bei der Nikon D70 werden solche Bilder nochmals besser, wenn man sie als RAW speichert und erst am Computer in jpg konvertiert, auch dann, wenn man das Bild gar nicht bearbeitet.)

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In diesem Fall habe ich den Helligkeitsunterschieden etwas nachgeholfen, denn ich wollte das gleissende Sonnenlicht genau so haben.

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Auf diesem Bild passt es auch gut.

Stammt das von der Fuji?

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Nein, das ist die Kodak im Weitwinkelmodus.

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Das sieht schon gut aus.
Ich war heute etwas mit der D70 draußen. Schöne Bilder aber nach dreimaligem Objektivwechsel wieder Staubflecken... grrr
Irgendwas ist ja immer.

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Die Bilder sind ja akkurat auf Symmetrie geschnitten. Hast Du dabei auch die Perspektive verändert (verändern müßen)?

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Ach, menno. Irgendwie sieht Dein sonntäglicher Tortencontent um einiges leckerer aus als mein sonntäglicher Tortencontent.

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Alles eine Frage der Beschaffung. Irgendwie habe ich einen Riecher für vorzügliche Konditoreien.

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Na, den habe ich normalerweise auch. Aber ich muss in letzter Zeit immer öfter feststellen, dass die meisten hiesigen Konditoreien meinen zugegebenermaßen hohen Ansprüchen einfach nicht genügen.

Back ich halt wieder öfter selber - schmeckt eh am besten. :-)

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Früher™...
...gab es hier 4 exquisite Konditoreien um Umkreis von 10 Kilometern.
Mitte der 90er hat dann die erste dicht gemacht, hatten einfach genügend Geld verdient. Vor 10 Jahren die nächste, haben ebenfalls privatisiert und einen Teil der Räumlichkeiten an eine Backmischungspanscherkette verpachtet. Dann vor 7-8 Jahren die nächste, die Besitzer hatten das Alter. Die verbliebene Konditorei hat inzwischen mangels Konkurrenz auf Krankenhausstückchen umgestellt, also auf gut Deutsch die Abmessungen bei gestiegenem Preis halbiert.

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Na ja, man kann auch überpienzig sein. Ich neige ja dazu, über die Foodhygiene (schönes Wort übrigens) der Amis zu lachen - und mich über den Müll zu ärgern, der dadurch unnötigerweise produziert wird. Bah humbug.

Da finde ich Backmischungen weitaus eee-kel-hafter.

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