Über Reduktion und Enthaltsamkeit

Für das Funktionieren der Kunstfigur "Don Alphonso" ist es essentiell, dass sich kleine Pinscher der Blogosphäre sich in sie zu verbeissen suchen. Da ihnen pawlowsche Reflexe alles andere als fremd sind, ist es ein Leichtes, ihr Gekläffe hervorzurufen; und weil sie oft nicht gerade auf Rosen aus Euroscheinen gebettet sind und Gier eine zentrale Triebfeder ihres Tuns und Werbens ist, ist genau das der Ansatzpunkt für eine gewisse Unsicherheit dieses Blogs: Die Unsicherheit nämlich, dass es ja wirklich so sein könnte: Dass da einer in seinen 54-Zimmer-Anwesen sitzt, als Hauptbeschäftigung Silber poliert und mit dem Roadster durch fast endlose Sommer braust in Erwartung von Apanagen, die ihm seine wohlmeinenden Eltern anstelle des schnöden Erwerbslebens angedeihen lassen. Dummerweise werde ich schon kommenden Dienstag knechtisch schuftend in München den Beweis antreten müssen, dass dem beileibe nicht so ist, aber das ist Don Alphonso egal, denn der steckt genau so sohnhaft in den hinterfazialen Güllekübeln seiner erbärmlichen Neider, und damit das auch so bleibt, schreibt er Texte wie den Folgenden, von dem ihn abzuhalten nicht mein Wunsch und Wille ist:)

Manche haben es leicht. Bewohner moderner Behausungen beispielsweise verfügen über Neonröhren und eingelassene, fast wartungsfreie Halogenspots, und werden niemals vom Aufwand erfahren, den das Reinigen von ein paar tausend Kristallen an den Lüstern mit sich bringt. Dann lümmeln sie auf der Couchgarnitur Fackina Han Rei und schauen alte Folgen von Dallas, haben am nächsten Morgen natürlich folgerichtig auch keine Gäste ausser dem grossen, schwarzen Kater und zudem auch nicht das Problem, das mich umtreibt. Es ist nämlich so:

Der hiesige Frühstückstisch ist nicht allzu gross. Nehmen wir mal an, es sind zwei Gäste da, die zudem Kaffe und Tee trinken, diverse Käse- und Marmeladesorten wollen, Omelett, Tarte und Butter ohnehin und 5, 6 verschiedene Sorten Brot. Dann wird das schnell voll. Und damit stellt sich die Frage, an welcher Stelle man beginnt, sinnvoll Raum zu sparen. Natürlich könnte man einzelne Dinge auf der Anrichte zwischenlagern, aber das würde beständiges Aufstehen und Hektik bedeuten, zerfasernde Gespräche und überhaupt, diese zwei Stunden sind aus Prinzip der Ruhe nach dem Schlaf zu widmen, mit dem Auto ist man nach 1 ohnehin genug unterwegs zum Konditor. Wie auch immer. Platz muss her. Und weil es draussen hell ist, sind die klassischen, dreiflammigen Leuchter aus englischem Silber nicht wirklich nötig - doch sie machen so ein schönes Licht. Was tun?

Nun, könnte man sagen, es gibt ja auch noch zweiflammiger Leuchter. Das stimmt, nur sind die deutschen Exemplare weitaus grösser mit ihren Tropfschalen aus Glas, voluminöser und nicht weniger hoch. Weniger Licht also, bei mehr Platzverschwendung. Keine gute Sache. Nachts, wenn der grosse Tisch ausgezogen ist, und man Mühe hätte, sich über die weite Strecke das Salz zu reichen, wenn nicht jeder einen eigenen Salzstreuer hätte, nachts also gern, aber am Morgen sind sie ebenso wenig hilfreich wie ihre britischen Cousins, die zwar sehr niedrig sind, aber immer noch so hoch, dass die Flammen genau auf Höhe der Gesichter sind. Und trotzdem so raumgreifend, dass man aus Versehen mit Schmerzen darüber langen könnte, oder umständlich darum herum greifen muss. Geht also auch nicht.

Mit Silber haben die Franzosen es überhaupt nicht, die greifen lieber zu brünierter Bronze, Messing, Vergoldung oder Alabaster, erlaubt ist, was gefällt, aber: Die Grösse! Franzosen haben einfach kein Mass, alles ist zu hoch und und folglich unten zu breit, und das für eine einzige Kerze. Schmal und schlank und hoch dagegen sind die holländischen Verwandten, aber schlicht. Schlicht! Sie atmen das Entsagende, das den Franzosen mit ihren Widderköpfen, Palmetten und Girlanden auf ewig fehlen wird. Und passen damit ebenfalls nicht auf den Frühstückstisch - zumal es ohnehin für die Harmonie zum Besteck Silber sein sollte, und nicht Messíng. Womit wir zur nur scheinbar überflüssigen Anschaffung des Tages kommen:


hinten v.l.n.r.: zwei deutsche 2flammen, zwei englische 3flammen, zwei englische 2flammen, drei französische Empireleuchter, davor zwei holländische Säulenleuchter, hinten rechts ein belle-epoque-leuchter. vorne: die neuerwerbungen

Zwei niedrige, schwere Silberstümpfe für jeweils eine Kerze. mit winziger Grundfläche. Damit ihr Licht nicht mehr ausreichen sollte, muss draussen schon ein Schneesturm niedergehen, und sie können auf dem kleinsten Raum, zwischen Marmelade und Saint Ceols, zwichen Salzstreuer und Pastetenheber gestellt werden. Kurz, sie sind das, was ich in den letzten Wochen vermisst habe - und der Beweis, dass diesem Haushalt auch Reduktion und Bescheidung auf zwei niedrige Flammen nicht fremd ist.

Und für die Prunklüster gibt es ja das Abendessen. Nach der Torte.

Montag, 24. September 2007, 01:31, von donalphons | |comment

 
Aaargh - ich trau mich nicht, laut zu lachen.
Ich muss mal eben weg.
Pruuuuuuuuuuuuuuuust

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Ich kenne Leute, die sich wirklich solche Gedanken machen und an der nicht vollkommenen Lösung darben.

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Das bezweifle ich nicht - es war auch nicht böse gemeint; wie gesagt - ich habe gestern zu lange in der Sonne gesessen.
Es war das Gesamtbild, demgegenüber meine Contenance zerbrach.
Ich bitte um Nachsicht :)

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Und das ist nur ein kleiner Teil!

Im Ernst, bei summa summarum 10 Räumen verlaufen sich ein paar Leuchter sehr schnell.

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mmmmmhhhhhhhh
das typische Problem des Sammlers:
Irgendwann wird einfach alles zuviel und erschlägt alles andere, da es in der Masse nicht mehr wahrgenommen wird. Optischer Overkill.

Aber wie wärs mit:

englischem Zimmer mit den entsprechenden Leuchten,
französischem Zimmer mit den entsprechenden Leuchten,
deutschem Zimmer mit den entsprechenden Leuchten usw.usw. ?

vielleicht ist diese Verteilung vom Platz her günstiger und Du kannst noch jeweils zulegen ?

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Im Ernst: Es gibt in der Wohnung eine komplette Kerzenleuchterebene, die es erlaubt, jeden Raum komplett ohne Elektrizität zu beleuchten. Passiert nicht oft, dass es gebraucht wird, aber es geht allein um die Möglichkeit, das zu tun - zumal das Rumschleppen von Leuchtern nicht wirklich ratsam ist. Der optische Overkill entsteht, wenn sie zusammenstehen, aber in der Weite des Raumes ist es immer noch zu wenig.

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Ich warte ja noch sehnsüchtig auf das Foto Deiner Kronleuchtersammlung.

(Hmhmmmm, Torte. Zum Glück sind die Betriebsferien bei meinem örtlichen Käsekuchendealer vorbei.)

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mein vorbild für ein leben jenseits der selbstverwertung ein hirngespinst.ich versuchte mich auf die andere seite zu träumen.wach,werde ich meiner illusionen entfremdet.
das kleingedruckte hat es immer in sich..

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