Das Konzept Zeit

Hätte ich Kinder, ich würde sie natürlich etwas Kulturgeschichtliches studieren lassen. Historiker haben oft einen anderen Begriff vom Konzept "Zeit", sie stehen dem Werden und Vergehen mitunter mit grosser Gelassenheit gegenüber, und der Griff in die grosse Kiste vergangener Prozesse hilft ihnen, etwas über die Zukunft zu lernen. Nicht immer, aber es gibt da so ein Historikerwarnlamperl, das aufleuchtet, wenn man gewisse Fehlentwicklungen schon mal irgendwo studiert oder erlebt hat. Zweiteres blieb mir nach dem Studium bekanntlich nicht erspart, und wenn ich nun überall lese, dass Leute enttäuscht sind, wenn bei einer auf 2 Tage, nein, 48 Stunden oder noch besser fourtyeight hours terminierten Firmengründung das Menschliche den Bach runter geht - und damit die Firma a priori schon ein Rohrkrepierer ist - dann kann ich nur sagen: Hört mal besser auf die Opas, die vom letzten Krieg erzählen; es ist ja nicht so, dass Kugeln heute weniger töten und Dolche im Rücken schmerzfrei geworden sind. Ich weiss schon, warum ich da nicht hingefahren bin, obwohl ich ein gewisses historisch-ethnographisches Interesse hatte.



Ich weiss, warum ich hier geblieben bin. Es war vielleicht das letzte schöne Wochenende des Jahres, und das sollte man schön verbringen, kalt und unmenschlich ist es noch lange genug. Luxus hat für mich wenig mit Geld oder Dingen zu tun, sondern mit der Freiheit, autonom zu entscheiden und umzusetzen. Das schliesst mitunter auch "niedere" Arbeiten mit ein, über die mancher die Nase rümpfen wird. Es ist nicht so quirrlig-aufgekratzt wie das, was Miss Manierlich beschreibt, aber auch mit Holzsplittern im Finger muss man sich keine Existenzfragen stellen, die den ex negativo kreierten Gegenentwurf zu den irrlichternden Versprechen abgefuckter Heils- Werbungs- und Zahlungsunfähigkeitsbringern darstellen.



Natürlich kann man Zeit so verdichten, so brutal an die Timeline nageln, dass sie die Illusion eines chronologischen Ablaufs erweckt. Man kann Zieke definieren und den Weg dorthin regeln, man kann Kurven vermeiden und die Birnbäume im Weg umhauen, und man muss sich nicht fragen, warum man das tut. Drunten im Elitessenwohnheim placken sich gerade Eltern in der Wohnung der Tochter ab, die gerade irgendwo auf der Welt ein superwichtiges Praktikum macht und sich dazu auf die Homebase verlässt, sie kriegt ein tolles Zeugnis und ihr Leben nicht geregelt, und der Begriffe ihrer durchtrennten Zeit, der vergeudeten Zeit ihrer Eltern, die gepresste Zeit der 48er und schliesslich meiner Zeit beim Warten auf das Verschwinden der Lichts sind niemals in Einklang zu bringen. Zeit hat nicht nur Dauer, sondern auch Qualität, und ist viel zu schade, als dass man sie in den Dark Ages verklappen müsste.

Montag, 24. September 2007, 14:26, von donalphons | |comment

 
Es war vielleicht das letzte schöne Wochenende des Jahres, und das sollte man schön verbringen, kalt und unmenschlich ist es noch lange genug.

Wahre Worte. Diese Tage muss man wirklich nutzen, um noch Sonne, warme Luft und Helligkeit zu tanken vor der Polarnacht.

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Mensch Leute, macht mal halblang - wir sind hier nicht in Finnland!

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Das nicht.
Aber nach einem so bescheidenen Sommer hat selbst ein Herbstliebhaber wie ich das blöde Gefühl, vielleicht nicht genug Sonne getankt zu haben für die dunkle Jahreszeit (die ja unstrittig auch ihre Reize hat).

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Um diesen Sommer wurden wir leider betrogen, vor allem bei den Erwartungen, die der sonnige April gesetzt hatte.
Einige der Kommentare hier aber ließen mich vermuten, die Sonne verabschiede sich nun ganz, was mich aus Sorge um mein Grünzeug zur Anschaffung weiterer Tageslichtlampen bewegt hätte. :-)

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Mein Lieblingsmonat ist ja der November - allerdings habe ich bereits sei Mai den Eindruck, daß wir Oktober haben. ;)

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Aber sicherlich doch der australische November...?

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Da fällt mir bloß noch das olle SDS-Plakat mit den Profilen von Marx, Engels und Lenin ein: "Alle reden vom Wetter..." Irgendwie typisch deutsch, diese Angst vor dem Winter. Daraus machen die Privatradiostricher und -schnatzen ganze Programme, indem sie bei jeder sich bietend Gelegenheit jubilieren, es würde schön und man könne draußen grillen. Als wenn es der Sinn des Lebens wäre, sonnige Stunden zu genießen ;-)

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Ist es denn sinnvoller, drinnen zu sitzen?

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"Als wenn es der Sinn des Lebens wäre, sonnige Stunden zu genießen ;-)"

Warte... ist es nicht? Da hab ich wohl das Memo verpasst. Ist aber grad egal - ich geh jetzt erstmal Kaffee trinken und Torte essen, draußen, in der Wärme. Sonne tanken für den bevorstehenden Winter. Solange es noch geht. ;-)

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Ich bin auch gleich wieder unten. Streichen :-/ Aber wenigstens das eigene Holz.

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"Hätte ich Kinder, ich würde sie natürlich etwas Kulturgeschichtliches studieren lassen."

Vorausgesetzt, sie würden etwas Kulturgeschichtliches studieren wollen. Was machst denn, wenns BWLer werden?

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mein kind
hat vorhin gerade seine erste führung im museum gemacht und darf morgen wieder eine machen und dabei geht der ihr studium erst los im ocktober

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BWL, KoWi, usw. ? Dann enterbe ich meinen Sohn.

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braves supakind.
meine exchefin hat gesagt, aus museumsführern wird immer was.

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BWL? Schnellstens mein Vermögen durchbringen. Aber hallo. Wenn die BWLler werden wollten, wüssten sie ja, wie das ist mit der Gier. Und wer Museumsführen kann, macht später auch mal prima Powerpoint. Und darauf kommt es an!

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Traurig, aber wahr. Wenn ich mich irgendwann selbstständig mache, lass ich in meiner Firma Powerpoint, Workshops und Meetings, die länger als eine Stunde gehen rigoros verbieten. Man kommt ja nicht zum Arbeiten.

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ICQ keinesfalls vergessen! ICQ und Blogs, die schlimmsten aller Zeitfresser.

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Zeitfresser ? Tee- und Kaffeeküche schließen.

"Put that coffee down. Coffee is for closers only !" :)

P.S. Museumsführer(in) ? Wir haben genügend KunsthistorikerInnen - die können nicht alle verheiratet werden. ... die meisten haben so einen sehnsuchtsvollen Blick
Wir brauchen Krankenschwestern und Altenpflegerinnen ! ... und Wirtschaftsingenieurinnen, damit eine Quoten-Maus befördert werden kann.

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und wir brauchen dringend welche, die genug Geld nach Hause bringen und den Makler nehmen, damit der mal von der Strasse weg kommt

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... also weder Museumsfuehrerinnen noch Altenpflegerinnen.

hihihihi, wie albern "was Kulturgeschichtliches" hihihihi ... etwa hihihhhhi angewandte Kulturwissenschaften? hihihihihi

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Jetzt wollen wir doch ´mal ehrlich sein: nach meinen repräsentativen Umfragen an deutschen Universitäten wollten 87,5% aller heterosexuellen Studentinnen - egal welches Fach sie wirklich studieren - eigentlich Kunstgeschichte studieren ... oder Architektur ... oder Psychologie.

Deshalb werden diese drei Fächer (inkl. aller Abarten) von mir auch als Höhere-Tochter-Studien-Dreiklang bezeichnet-

Kunstgeschichte ist als (weiblicher) Studienwunsch so selten wie 13-jährige Pferdenärrinen und erreicht schon seit Jahren selbst Mittlere Reife--Milieus.

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da gibt es noch die Sozialpädagoginnen...

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Häufig auftretende Merkmale dieses Phänotyps:
Studieren das tatsächlich (weniger: eigentlich wollte ich ...), eher alternativ, IQ-beschränkt (für was anderes hätte es nicht gereicht)

Sonderfall: Ü30-Klasse. Was früher die Kuchenbackwettbewerbe in den Kirchengemeinden leisteten- gelangweilte Mittelschichtsfrauen beschäftigen - müssen nun Universitäten erbringen, sozusagen Reste studieren auch als PräSenioren-Studium bekannt ;)

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Warte - was studieren die nicht heterosexuellen Studentinnen?

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... yo brotas ... so sieht das bei euch aus ... ich dagegen habe das grosse Glueck einen ganzen Haufen Chemikerinnen, Metallurginnen, und Mineraloginnen um mich zu haben ... von wegen hihihi Kunstgeschichte

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Metallurginnen - hammerhart.

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Viele Frauen interessieren sich für Metalllegierungen, jedenfalls in kreisrunder Form mit Gravur.

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@h-k, sie interessieren sich zuweilen auch für Druckerzeugnisse.

Ich sagte, was het... Studentinnen eigentlich studieren wollten ... bei den nicht-het Studentinnen, die ich kenne, ist dieses Rollenverhalten(?) weniger stark ausgeprägt.

... die studieren, was sie wollen. ;)

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Na, da bin ich ja beruhigt. ;-)

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