Geschmack, besser als der Geldbeutel

Mitunter beneide ich diejenigen, die sich I*ea leisten können, leisten wollen und gar nichts anderes in ihrer Wohnung sehen möchten. Konsum, Vermögen und Geschmack sind im Einklang, und nicht in den scharfen, gierigen Dissonanzen, die mir das Besuchen der Vorbesichtigungen zur grossen Weihnachtszeit so unsagbar schwer machen. Man muss sich dort nicht auskennen; Schätzpreise und Limits sagen alles, wenn man Gefallen findet, und man kann sich die passenden Stücke ersteigern, nach Hause bringen und aufhängen. Wenn man reich genug ist. Was ich definitiv nicht bin. Es gibt Auktionen in Nürnberg, bei denen ich über 5, 6 Bieterrunden mitspielen kann, aber in München sind es schon die Aufrufpreise ohne Aufgeld, die meine Grenzen, man muss es so sagen, atomisieren. Und zwar schon beim Einstiegsauktionshaus mit dem Namen Nusser, in Schwabing.



Nehmen wir nur mal diesen Herren, der allseits wenig Beachtung findet. Ein fetter Ratspensionär, Mitte des XVIII. Jahrhundert gemalt, der selbst nicht wirklich hübsch ist, sondern feist, aufgequollen, offensichtlich ein Opfer der Ernährung dieser Zeit, die den Folgen von McDreck und Würgerking kaum nachsteht. Jenseits von Fleisch und Fett jedoch zeigt das Bild eine entzückendes Interieur, das den Reichtum des Mannes aufs Schönste beschreibt, und dann ist da noch diese Handhaltung, die dem Kundigen unmissverständlich die sexuelle Konotation seiner Begierden offen zeigt. Dieses Bild also - nun, es würde fraglos für Diskussionen sorgen, nicht jeder Besucher würde es schätzen, auch nicht in dem fraglos passenden Umfeld, den so ein jesuitischer Stadtpalast des Jahres 1600 bietet, aber: Doch. Es würde mir gefallen. Irgendwie. Wäre da nicht das vierstellige Limit + 24% Aufgeld. Und dann ist da noch die Erfahrung, dass es in aller Regel nicht dabei bleibt. Statt also ein Objekt zu haben, an dem man die Vorläufer von Max Ernsts "Beim ersten klaren Wort" trefflich diskutieren könnte, geht es ein paar Strassen weiter zu Hugo Ruef.



Aus mir völlig unerklärlichen Gründen kaufen Menschen barocke Schutzmantelmadonnen. Für mich wäre das absolut überflüssig, sowas steht bei uns auf dem Giebel und ist schon dort eher fragwürdiges Zierat eines Hauses, in dem Atheisten ihr Wesen treiben, und ich würde die Frau auch nicht haben wollen. Aber die Schlange, die hätte ich gerne. Würde man einen Kompagnon finden, der die Madonna wollte, könnte man einen Deal machen: Zusammenersteigern, er zahlt 4/5 des Materials - die Madonna - und ich 1/5 für die Schlange. Dann wäre es möglich. Wenn es beim Limit bliebe, und man den Sägegehilfen fände. Allerdings hat eine Bekannte auf ein kleines Engerl geboten, das im Eingangsbereich hing - und dessen Limit hat sich gestern mehr als verdreifacht. Also weiter.



Ebenfalls quasi um die Ecke, gleich bei meiner Münchner Wohnung, ist Hampel. Während bisher die Limits meist wenig mit dem zu tun haben, was danach tatsächlich zu bezahlen ist, orientiert man sich in der Schellingstrasse an Sotheby´s und bleibt bei Schätzpreisen, die dem Bieter schonungslos mitteilen, was ihn später mal erwartet, wenn er Glück hat. Man kann bei Hampel eigentlich nichts falsch machen, die Gemälde sind gut gehängt und fein beleuchtet, es gibt eine angenehme Cafeteria und Aufpasserinnen, die so aussehen, als gingen sie nachher auf die Fuchsjagd. In ihrem eigenen Wald, hinter ihrem Schloss. Es verringert das Vergnügen, es stört das Träumen erheblich, wenn man Haifische kennt, die Mandanten kennen, die dort auch hingehen und sich ein paar Bilder dieser Privatsammlung kaufen wollen, und das mit der Finanzkraft von ein paar hundert Millionen - Stichwort gerade noch rechtzeitig verkaufter Hedgefond - tun. Nur kurz erfrischt der Gedanke, dass die daheim an der Küchenwand hängende chinesische Keramik hier für den Preis eines Kleinwagens über den Tisch gehen würde - danach steht man wieder vor einem Stilleben mit angekettetem Affen, der Erdbeeren verschüttet, und fühlt sich ähnlich gefangen in seinen Leidenschaften, denen keine Erfüllung gegeben ist. Es sei denn, man betrachtet das alles als langfristige Geschichte, die Jahre und Jahrzehnte dauert. Die grauen Herren, die heute Vermeer und Fischer in ihre Anwesen hängen, haben ausgesorgt auf Kosten ihrer Jugend, und man weiss ja, wie das geht: Die Stücke tauchen nur kurz auf, verschwinden wieder für lange Phasen in Privatsammlungen, und wer weiss, wann sie wieder erscheinen. Aber sie werden wieder erscheinen.



Und es ist ein nicht unköstlicher Gedanke zu wissen, dass man später die gleiche Chance noch einmal haben wird, dann vielleicht mit etwas mehr Geld, wenn die Chancen der jetzigen Gewinner alle verspielt sind, und alle Tricks und gezinkten Karten mit einem Sensenhieb vom Tisch gefegt werden, zugunsten von Erben, die sich zwecks Steuer dann der alten Stücke wieder entledigen werden. Es ist ein Geschäft mit dem Tod, da darf man sich keine Illusionen machen, feiner, aber nicht weniger auf das Ableben anderer bedacht als Waffenhandel, Krieg und Drogenvertrieb.

Dienstag, 4. Dezember 2007, 14:45, von donalphons | |comment

 
Ach ja, der Hampel.

Wie schön die Zeiten als noch Tele 5 dort residierte. Die boten jedenfalls nicht so viele teure Versuchungen. Für mich taten es zur diesjährigen Weihnacht zwei Clubsessel aus dem Laden die Strasse runter.

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Welche Richtung?

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Genau 10 Hausnummern weiter in Richtung Universität. Meine ich. Bin ja nicht von dort.

Viel Spass beim verarmen, am 7. und 8.

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@lebemann: war ne gute Wahl;-) da hab ich auch schon gekauft...

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Oh, ich werde da so oder so nichts ausgeben, das, was in Reichweite gewesen wäre, finde ich auch andernorts, und bei dem anderen nervt der Umstand, dass zu viele auch nicht ahnungslos sind. Allein der grosse silberne Tischaufsatz wird wohl eher nicht so teuer - aber dafür habe ich keinen Tisch.

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Der bemalte Schädel ist von erlesener Hässlichkeit. Und sowas geht? Sowas wollen die übersatten Bürgerkinder kaufen, für viel Geld? Falls das kein Ladenhüter ist, sattle ich evtl. um und werde Knochenmaler.

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Diese Schädel sind eine alpine Kultur. Wenn auf den kleinen Bergfriedhöfen kein Platz mehr war, hat man die Knochen wieder ausgegraben und in ein Ossuarium getan, nicht ohne vorher den Namen, das Todesdatum und Malereien anzubringen. wenn Du mal wirklich viel davon sehen willst, fahr nach Hallstatt ins schöne Tirol, da hat es über 600 davon. Und ja, so etwas wird gesucht, und nein, wenn ich so etwas hätte... ich weiss nicht, ob ich es nicht auch behalten würde.

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Limit ist 950 Euro. Der Rosenkranz im Vordergund fängt allerdings erst bei 2800 an. Ist aber nicht so selten wie Herr oder Frau Hirl, so sein oder ihr Name.

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Ich bin unkundig und verstehe nicht auf Anhieb die sexuelle Konotation. - Homo nehme ich an. Das hinreichende Zeichen sind die zwei Finger? - Max Ernst hält auch etwas in zwischen den Fingern -- ist es das? - Man lernt ja immer gerne dazu.

Das Schädelfoto habe ich mir übrigens eben gespeichert. - Ich weiß noch nicht, aber für irgendwas werde ich es als Inspiration verwenden (dann sage ich natürlich bescheid). - Mh, was, in Tirol gibts noch mehr davon? Alpine Kultur? - Faszinierend!

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