: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 2. Dezember 2007

Küchenhardcore Porno

Ihr kennt das: Ihr hättet alle Möglichkeiten der Welt, ihr könntet euren geselligen 14-Stunden-Arbeitstag geniessen oder noch ein Meeting zwitschern, vielleicht 2er Klasse eine Businessreise mit dem Flieger nach Mönchengladbach oder Düsseldorf machen, oder einen netten Abend mit dem dritten Marketingassistenten des grossen Kunden an der Hotelbar, Privatvergnügen für ihn eingeschlossen, abfeiern. Alle sind dabei gut drauf, allen geht es prima, alle twittern und xingen ihre Freude in die Welt - aber eucht habt euch breitschlagen lassen, mit dem Don nach Italien zu fahren: Laute Leute, schlechte Strassen, zu viel Essen und der dauernde Luftzug in einem Auto ohne Dacht, dazu stundenlange Erklärungen zu Geschichten, die euch nicht interessieren, und als ihr versucht habt, ihn mit einer Grosstour durch die Schuhläden endlich zu ermüden, hat er fröhlich weitergequasselt und euch Schuhe aufgequatscht, die ihr nicht braucht und ohnehin nicht mehr tragen könnt, weil euer erfressenes Körpergewicht jeden Absatz zum Knicken bringt. Ihr seid in Italien, ihr hasst es, und das Schlimmste: Das Schlimmste liegt noch vor euch. Denn da vorne, am Rand der Strasse voller Kopfsteinpflaster, über das ihr mit euren Schuhen schwankt, ist ein Schaufenster, in etwa so:



Und das nimmt der Don nun zum Anlass, euch zuzuquatschen für den Rest dessen, was andere als Urlaub bezeichnen würden und für euch zur Qual wurde. Wie unsagbar gemein es doch sei, dass sich dergleichen Küchengerät nur in Italien finde. Dass es solche Geschäfte, mit diesen Mengen zumal, in Deutschland nicht gäbe. Wie dringend er sowas bräuchte, aber im Auto sei wegen eurer Shopperei nun kein Platz mehr. Wie sehr er diese alten Formen liebe, vom Stromliniendesign bis zur altertümlichen Holzkurbel, und dass nur Italiener so etwas erschaffen könnte. Er holt aus zu einer Suada über den Niedergang der Küchen- und Kochkultur in Deutschland, und ihr verschliesst Euer Bewusstsein, denkt an diese wunderbare Sushibar in Hamburg und den Abend mit Mathias, den Shootingstar des Sales Departments eines Global Broadband Services, global von Kiel bis Kielerhafen, und seine Karriere als deutscher Rapstar auf Platz 285 1/2 der deutschen Charts, oder euer Date mit Sascha in Berlin, seinen schicken alten Mercedes von Opa und seinem tollen Marketingdeal mit Stefan, der inzwischen sogar Hilfsschreiber für ein superschickes Lohas-Portal wurde. Das sind Karrieren, und ihr steht da mit dem Don inmitten des Veroneser Kopfsteinpflasters und hört euch das Genörgel an, nur weil es in Deutschland diese italienischen Küchendinger nicht gibt, die ihr nie bräuchtet, weil das Essen ohnehin aus der Microwelle kommt - und ihr schwört euch, dass ihr das nächste mal doch zu Johnny und seinen schicken, kritischen Web2.0werbekongress geht. Statt euch von jetzt bis an den Fuss des Jaufenpass diese Scheisse anzuhören, bis der Schneesturm, bei dem dieser Depp offen drüberfahren will, ihm endlich das Maul verschliesst. Doch - ihr habt Glück, zumindest dieser Teil bleibt euch nächstes Jahr erspart, wenn ihr schon wieder auf seine Lobeshymnen auf Italien reingefallen seid, denn:



Wie der Don heute feststellen durfte, gibt es diese italienischen Küchenmaschinen auch in Deutschland. Und zwar von deutschen Herstellern. Sprich, sie sehen nicht nur schick aus, sie funktionieren auch noch nach 50 Jahren reibungslos. Diese Monsterkäsereibe etwa ist nicht nur aus Druckguss und hat ein scharfes, unverrostetes Schnittblatt, sie hat auch einen sich verjüngenden Trichter, in den der Käse praktisch von der Reibe hineingesaugt, gequetscht und damit gegen die raspelnden Löcher gedrückt wird. Die Marke nannte sich "Solar", hinten ist ein Eichenkranz und die Inschrift "seit über 50 Jahren". Weisser Korpus, silberne Schneiden, schwarze Kurbel und schwarzer Holzgriff: Das ist der deutsche SSKL-Beitrag zur Küchen-Milliemiglia, hier raucht der Scamorza weg, und vom Parmeggiano bleibt nur ein Haufen Trümmer. Das, was es in Italien noch gibt - das gab es auch hier. Und der Don findet es auf dem Flohmarkt, für einen bescheidenen Euro. Und kurz darauf noch diesen stromlinienförmigen Rennwagen des Gemüseniederhobelns:



Gut 50 Jahre hat dieser Silberpfeil aus dem längst verloschenen Hause Mimma auf dem Buckel, und dennoch, er könnte frisch aus einem italienischen Designbüro stammen. Man betrachte nur mal den Saugfuss und seinen Hebel, und das kreisende Blatt: Der Protonendiversator und das Thiortemgetriebe des Raumschiffs Orion sind Lowtek gegen diese Form. Damit könnte man die Frogs aus der Galaxie pusten, und schneller eine Gemüsetarte machen, als man in den schlechten Bars bei Alpha Zentauri einen 1982er Ghuapetrl Cru runterschüttet, oder bei adical die nächste Erfolgslüge an Spiegel Online vertickt. Der Druck eines interstellaren Triebwerks ist nichts gegen die gewaltige Kraft, die hier Kürbis und Kartoffel in die rasend rotierenden Zacken presst.

Wenn ihr also nächstes Jahr all das Generve vergessen habt und doch wieder mit dem Don in Italien gelandet seid, statt mit den Spitzen der Blogbewegung an den Fleischtöpfen von Sony, Yahoo und Trigami, könnt ihr euch sicher sein, dass das Wehklagen über fehlende Küchenspielzeuge für Hardcore Foodporn einem lässigen "Hab ich auch, aber in alt, original und deutsch" weichen wird. Gefolgt von einer nervigen Aufzählung all derer, die ihm angeblich wegen seiner Kocherei verfallen sind.

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Empfehlung heute - Obszönes

passt zu diesem eitlen Tag der Kerzenfehlverwendung, deshalb verweise ich hier auf einen etwas älteren und sehr gelungenen Text von der Auffahrtsallee über die gesellschaftlichen Vorteile der Pornographie.

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