: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 1. Januar 2008

HWV deest, etiam sapientia

Es ist ja immer so ein Ding mit Neujahr in den Städten, wo jeder jeden kennt. Es muss nicht alles, aber es sollte schon manches sein. Im Verlauf des 1. Januar irgendwo jenseits vom Privatpornodreh und Notaufnahme gesehen werden, zum Beispiel. Gewisse Kreise sind hart genug, gleich wieder am Morgen in die Kirche zu rennen und damit zu demonstrieren, dass es bei ihnen ordentlich zugeht, aber auch für die, die gegen acht Uhr angelogen wurden, dass jetzt wirklich kein Wein mehr da ist, auch nicht in der Abstellkammer, gibt es einen passenden gesellschaftlichen Anlass. Am Nachmittag, in einer brutal kalten Kirche.



Dort ist das festliche Neujahrskonzert, und dort trifft man in etwa auch diejenigen, die den Konzertverein und die Besucher der sommerlichen Orgelmatinee stellen. Die einen kommen vom Mittagessen, die anderen von über dem Waschbecken, und die Kälte sorgt dafür, dass alle gleichermassen ausschaun wia gschpiem, wie es der Volksmund ebenso treffend wie deutlich ausspricht.



Dem Bayern also sind rüde Umgangsformen nicht fremd - was mich doch etwas fassungslos macht: Wie das Thema der Gewalt die Menschen momentan beherrscht. Das Entsetzen darüber, dass sich das, was MTV & Co. von Sido, Aggro Berlin, K.I.Z. und ähnlichen Produkten des Berliner Kommerzes bringt, inzwischen in der Realität der Überwachungskamerasm breit macht. Das hier ist die Stadt, wo ein weggeworfener Kaugummi teuer wird, und keiner ohne Rüffler Flaschen auf der Strasse kicken kann, und für die problematischen Nahverkehrsstecken gibt es einen gewissen Herrn, den ich ab und an beschäftige, der in der Lage ist, auch schwierigsten Pickelträgern Mores beizubringen. Trotzdem, jetzt ist es da, das Gefühl der Bedrohung.



Und dieses Gefühl ist nichts, gegen das am anargumentieren kann. Ich selbst auch nicht, denn meine begrenzten Erfahrungen im Berliner Nahverkehr haben mich zu einem überzeugten Verfechter der innerstädtischen Autofahrerei werden lassen. Das sind Orte, an denen man nicht sein will, und keiner hier muss dort sein - aber keiner kann sich sicher sein, dass sie nicht doch aus den Löchern kommen. Und hier ergänzt sich leider das Selbstbild des Abschaums mit dem Gefühl derer, die dafür sorgen, dass repressives Gedankengut mal wieder eine Chance hat.



Und das ist dann auch der Moment, wo ich gegen den Wunsch ankämpfen muss, diesen Arschlöchern mal eine halbe Stunde die Baseballschlägermedizin zu wünschen, die sie für die Lösung ihrer Probleme gegenüber anderen halten. Zivilcourage ist ohnehin schon ein seltenes Gut; mit solchen Verbrechen wird sie sicher nicht zunehmen. Abschieben ist keine Lösung; die Gang, die gerade in Berlin einen Passagier niedergestochen hat, wäre nur abschiebbar, wenn man die Mauer wieder aufbauen könnte, und sie dort zusammen mit den offensichtlich aus dem Umland angereisten Nazis stecken würde, die gestern eine afghanische Familie gejagt haben.



Schuldzuweisungen sind das übliche, gefolgt von übereilt beschlossenen Gesetzen, die alle treffen. Man klingt immer etwas reaktionär, wenn man dergleichen sagt, aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem Staat, der gegenüber seinen Bürgern die Keule wegen ein paar Arschlöchern rausholt, deren Begriff von Coolness durch TV-Medien definiert wird, die der gleiche Staat definitiv nicht im Griff hat, oder massive Repressionen gegen die Erfinder und Unterstützer solcher Leitbilder, weiss ich, wofür ich mich entscheide. Und welchen Manager eines Senders oder Gewaltspielherstellers ich demnächst für ein paar Monate im Altersheim Hilfsdienste verrichten sehen möchte. Die "Kreativen", die entsprechende Vorbilder schaffen, vertreiben und senden, sind meines Erachtens nicht viel besser als die, die ihren Idealen nacheifern; da unterscheidet sich der Ballerspiel-Proll bei Viva nur graduell von den Deus-Vult-Predigern des hohen Mittelalters, der Nazi-Propaganda oder denen, die ihren Freunden einreden, dass Stiefeln etwas Geiles ist.



Ich habe mal eine Sendung über Nazi-Propagandafilme gemacht. Ich habe für die Recherche die Filme gesehen, die man hierzulande praktisch nicht zu sehen bekommt. Und ich kann sagen: Es ist in Sachen Gewaltverführung und Indokrination Kinderkram gegen das, was man heute in manchen Musikvideos sieht. Ich habe keinen Fernseher. Die seltenen Gelegenheiten, bei denen ich in den Genuss der dort vertriebenen Realitätskonstrukte komme, lassen mich immer staunend und fassungslos zurück; wenn das die Abendgestaltung der Mehrheit dieses Landes ist, wundert mich nichts. Absolut nichts. Aber da muss man was tun. Wenn man schon den Sumpf trockenlegen will, bitteschön bei denen anfangen, die aus dem Gewaltpotential ein Geschäft machen. Solange sie damit Geld verdienen, werden sie weitermachen. Dieser Staat reglementiert Raucher, besteuert Alkohol und verbietet das Rasen; er hat Wege gefunden, Drogendealern das Leben schwer zu machen; er könnte genauso den Händlern der Gewalt das Handwerk legen. Es ist geradezu paradox in einer Welt zu leben, in der jedes Laster teuer ist, nur die Gewalt kommt frei Haus. Ich will meine persönlichen Freiheiten nicht durch mehr Überwachungskameras, Datenmissbrauch, private Sicherheitsdienste und staatliche Kontrolle von der Allianz der Profiteure gefährdet wissen. Die muss man alle miteinander bekämpfen. Von den Schlägern über ihre Vorbilder bis zu den Köchen, für die es eine Zutat ihrer braunen Suppe ist.

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Dann halt nicht. Asozialenloch Berlin.

"Leider kann auch hier, wegen der großen Nachfrage nicht gewährleistet werden, dass die Plakette rechtzeitig vor dem 1. Januar 2008 ankommt."

He, Stadt der Schnorrer, Penner und Ritalinschlucker, du Favela des Ostens: Wenn du zu dumm bist, Plaketten für die gerade eingeführte "Umweltschutzzone" auszuliefern, wundert mich der Kommafehler in einer Umweltschutzzonenrichtlinie nicht weiter. Vielleicht ein paar Startup-Pleitiers weniger päppeln und die Bagage besser in die Briefverschickung einsperren, wie wär´s?

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Hausabbrennen ohne Feuerwerkskörper

Raketen sind teuer und müssen genau gezielt werrden, dabei ist es ganz einfach und billig:

1. Einsame Herzen invitieren.
2. Deren mitgebrachte Bekannte akzeptieren, selbst wenn sie nichts zum Essen mitbringen, und deshalb auch im Gegensatz zu anderen keine Verpackung in der Küche ablegen,
3. die dann aber natürlich statt auftischen rumwuseln und sich an den grazilen Silberleuchtern, die nicht in die Bratzen von Ignoranten gehören, vergreifen
4. und nach einem Feuerzeug suchen, und keines finden,
5. in meine Küche, meinen Tempel gehen, und danach fragen,
6. aber statt, wie empfohlen, draussen zu suchen, auf die blendende Idee verfallen, die Kerze am gleich Gasherd anzuzünden,
7. und bevor man gesagt hat, was machst du da, schon den Herd aufdrehen,
8. bei dem auf zwei Flammen eine Plastiktüte liegt, in dem ein Salat ist,
9. und dann genau eine dieser Flamme erwischen, weil man ja nicht genau hinschaut,
10. und dann auch noch angefressen sind, wenn einen der Wasserschwall miterwischt.

Krabbensalat ist auch ohne Plastikglasur nicht mein Ding, könnte ich sagen, und den Herd hätte ich morgen ohnehin reinigen müssen. Gut, dass ich gerade den randvollen Wasserkocher in der Hand hatte. Schlecht, dass ich ihn danach nicht an die betreffende Person verfütter habe. In einem Stück. Jetzt muss ich zurück. Aufpassen.

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