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Montag, 29. Oktober 2018

fluctuat

Das Altern bringt neben der finanziellen Sicherheit auch eine gewisse Enttäuschungsresistenz mit sich. Die erste elektronische Kamera ist teuer, und es ist ein Schock, wenn sie den Geist aufgibt, sei es durch eigenes Verschulden oder Gehteinfachnichtmehr. Irgendwann hat man das mehrfach erlebt, sich geärgert und kauft

a) Trümmer mit Marmorblockqualität. In meinem Fall sind das Pen E-P1, E-P2, E-P3 und Panasonic G1, G3 und G5.

b) gebraucht. So ein Body kostet zwischen 50 und 130 Euro, und das schmerzt selbst bei Totalschaden nicht so sehr wie die erste, schwere Delle in meiner ersten, zum Originalpreis gekauften Pen.



Für mich ist das Arbeitsmaterial, ich brauche beruflich 80 Bilder im Monat, und wenn 3000 Bilder gut werden, und eine G5 am Ende wirklich gar nicht mehr geht, ist das auch vertretbar. Ärgerlich war dagegen die brandneue, dunkelrote G3, die auf dem Rückweg vom Achensee beim dritten Einsatz 45 Kilometer Bergunwetter auf dem Rad abbekommen hat. Die machte daheim dann keinen Pieps mehr, nur noch die Tröpfchen gurgelten im Inneren.

Ich habe also einen neuen G3-Body gekauft, für schlanke 80 Euro. Statt dessen kam ein Lumix 12-60mm Zoom hier an, das der Verkäufer irrtümlich geschickt hatte. Wir redeten etwas und kamen überein, dass ich das Objektiv auch behalte und zahle, und er die Kamera schnell schickt. Am Tegernsee wollte ich dann das alte Objektiv der kaputten G3 an der neuen ausprobieren. Aber siehe da: Die alte G3 ging wieder. Anstandslos. Als wäre nie etwas passiert.



Das Gute daran: Man ärgert sich natürlich trotzdem. Und rückblickend ist man froh, dass man sich nicht über den Scheintod einer teureren Kamera länger und mehr geärgert hat. Trotzdem nehme ich das nächste Mal eine Plastiktüte mit. Immerhin habe ich jetzt das Objektiv, das bei 12mm Brennweite beginnt, und es mag im Vergleich zu 14mm nach wenig Unterschied klingen. Aber der Weitwinkel ist schon enorm und gereicht zur Ausgleichsfreude.

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Samstag, 27. Oktober 2018

Arte povera

Es gibt da die Annahme, dass Reichtum in den besseren Kreisen durch erzwungene Sparsamkeit entsteht: Wer sich als junger Mensch nichts geleistet hat, fängt später, wenn es ginge, nur sehr langsam mit dem Verschwenden an. Leute, die dagegen schon früh mit dem Ratenkauf beginnen, und Dinge kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten können, haben auch später hohe Ansprüche und kein Vermögen. Wir haben da beispielsweise einen Mieter, dessen Auslandsreisen wirklich eindrucksvoll sind, und der bei der Audi gut verdient. Aber er könnte sich das Haus, in dem er wohnt, niemals leisten.



Corratec Räder konnte man in meiner Jugend bei einem Radversand tatsächlich günstig mit Ratenkauf erwerben. Das hier stammt aus einer Zeit, als ich meine Räder aus Gebrauchtteilen selbst zusammengebaut habe. Weil es Spass machte, weil es bildete, weil ich im Geschäft für das gleiche Geld halt nur so ein Corratec/Scott/Giant/Marin der unteren Mittelklasse bekommen hätte, und keine schimmernden Komponenten und Chrom.



Der Vorbesitzer hat es 1990 gekauft, und dann 1996 erneuern lassen: Die Bremsschaltgriffe der Exage 400LX waren wirklich nicht gut, sie wurden wie die Kassette und die Bremsen gegen die deutlich höherwertige STX ausgetauscht. Dem Dreck und dessen betonharter Eintrocknung nach zu gehen, wurde es dann noch bis vor rund 10 Jahren sporadisch gefahren. Die Felgen - sehr gute Galli World Cup, die auch auf jedes Rennrad passen würden - sind noch nicht abgebremst.



Jedenfalls hat jemand den Sattel noch gebraucht und weggebaut, und den Rest dem Schrott überlassen. Ich habe es genommen, weil die Corratec-Rahmen dieser Zeit relativ hochwertig waren, noch in Italien vermutlich bei Romani (Enik, Dancelli, Kotter etc.) gebaut wurden, und es heute schwer geworden ist, solche Rahmen noch in Stahl und ohne Federgabel zu finden. Das meiste ist heute aus Alu und wiegt mit Federgabel 4 Kilo. Der hier wiegt gerade einmal 3,2 und hat die harmonische Flexibilität von dünnem Stahl.



Es war harte Arbeit, aber letztlich hat das gute Stück 26 Euro gekostet, in der Art, wie ich das auch als Student gemacht habe. Ich verdiene heute so viel, dass ich jeden Monat in einen Radladen gehen und mir so etwas neu kaufen könnte, aber ich will es genau so. Ich kann nicht anders. Ich werde das im Frühjahr dann vermutlich an irgendwen abgeben, der es brauchen kann und gut pflegt. Und dann hoffentlich wieder 20 Jahre fährt, bis man das Design mit den Sprenkeln wieder toll findet.



Die Lust an der Sparsamkeit äussert sich bei mir anders als bei meinen Eltern und meinen Grossmüttern, aber ich glaube, ich verstehe heute besser, warum sie so waren. Und warum ihnen nichts fehlte, obwohl sie viel, viel bescheidener lebten, als sie eigentlich gekonnt hätten. Ich lebe relativ dazu verschwenderisch, aber im Vergleich zu der Generation Wegwerf immer noch äusserst ressourcenschonend.

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Samstag, 27. Oktober 2018

Nein. Das Leben ist natürlich nicht gerecht.

Am 23. März bin ich den ersten Tag in der Toskana gewesen, und am 23. März kam auch der frisch ausgearbeitete, mit heisser Nadel gestrickte Vertrag aus Berlin. Ich sass in meinem Apartment mit Blick über die Crete Sienese, las ihn gar nicht weiter durch, und mailte ihn an die Rezeption weiter. Die druckten ihn aus, ich unterschrieb, setzte mich aufs Rad und fuhr nach Murlo zum Postamt.

Das ist für sich eine Sehenswürdigkeit, das Postamt ist bis in die Details noch so, wie es in den 60er Jahren gebaut wurde, und vor mir war ein Mann, der eine Ewigkeit brauchte, um etwas zu erklären und das Gewünschte zu bekommen. Ich hatte da also eine halbe Stunde, um nachzudenken, was ich so tue. Draussen schien die Sonne, neben mir war ein Papierkorb, und ich hätte den Brief dort auch hinein werfen und dann ein paar Monate in absoluter Freiheit leben können. Es wäre nicht nett gegenüber dem Verlag gewesen. Aber die Möglichkeit war da, und das war, glaube ich, der einzige Moment, als ich mir wirklich überlegt habe, was ich will. Ich habe den Brief dann abgeschickt, weil mein Gefühl sagte, es passt.

Jetzt, nach 7 Monaten, passt es noch immer.



Ich habe heute ein Rad fertig restauriert, weil ich etwas Entspannung vor dem nächsten Beitrag brauchte, und bin dann gefahren. Weiter, als ich dachte, weil das Wetter schön wurde. eine ganze Menge Leute haben 2018 wirklich viel Zeit und Ehrgeiz investiert, das ruhige, zufriedene Dahingleiten zu verhindern, und man kann wirklich nicht sagen, dass sie sich keine Mühe gegeben hätten. Allein, das Netz, das mich umgibt, ist stärker, viel stärker, und das erfährt man eben nur, wenn man es einmal wirklich braucht. Es ist grandios. Es hält wirklich, es ist egal, selbst wenn Leute, denen man geholfen hat, es gern zerrissen sehen möchten, weil sie auch unter denen sind, die einen Sturz sehen wollen. Man kann mir nicht die Vergangenheit nehmen, und wie es aussieht, auch nicht die Zukunft. Es war jedenfalls ein phantastischer Sommer. Es ging mir richtig gut, die Trauben wuchsen mir in den Mund, fast habe ich das Gefühl, ich müsste mich ein wenig dafür schämen. 7 volle, fette Monate, eigentich nur Sommer, unheimlich viel Italien, und dann noch an der Grenze zu November so ein Tag, an dem die Jaguare vorbei schnurren, alte, weisse Männer am Steuer, die zu sagen scheinen: Das ist es, das Leben.

Das ist natürlich nicht ganz gerecht, zumal ich auch gar nicht versuche, den Anschein zu erwecken, ich sei irgendwie gut oder was andere sonst so tun. Wir sind alle nur dunkelgrau, und jetzt gerade erwischt es den Böhmermann, der sich auch zu meiner Person reingehängt hat. So ist das eben. Was für eine Elendsfigur. Man könnte jetzt eine schöne Geschichte schreiben, Böhmermann 2035, auf einem Kreuzfahrtschiff oder bei einer Busreise... aber ich gleite dahin. Es war ein phantastischer Sommer. Ich habe gelebt. Ich war draussen. Es geht mir gut. Ich habe dazugelernt, es war angenehm, seit jenem 23 März. Das Leben ist vielleicht nicht gerecht, aber es kann schön sein.

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Montag, 3. September 2018

Ja, gnä Frau

ich täte das ja nicht ansprechen, hätten Sie mich nicht auch angesprochen, ohne dass wir uns vorgestellt wurden, aber als ich diesen Faden hier ( 1 , 2 , 3 ) gesehen habe, inmitten einer Spamkampagne gegen mein Blog, an der Sie sich möglicherweise im Gefolge von Florian Klenk vom Falter auch beteiligt haben - der ist möglicherweise noch stinkig, weil ich über einen Ausrutscher seiner Mitarbeiterin Sprengnagel berichtet habe - also jedenfalls, ich habe das gelesen und musste lächeln. Denn Ihre Beobachtung ist richtig. Man zieht sich wirklich zurück. Kurz vor Ihren Einlassungen, als wäre es bestellt, beteiligten sich auch zwei Leute an der Spammerei, für die ich mich mal bei der FAZ sehr eingesetzt habe.

Man zieht sich nicht wirklich zurück von den Vorstellungen, dass man anderen helfen sollte, die vielleicht weniger Glück haben. Man denkt nur nach und überlegt sich aufgrund der gemachten Erfahrungen, bei wem das eine gute Sache werden kann, und bei wem man das ganze Bohei lieber in Callgirls, Drogen, Glücksspiel oder einfach nur in einen Häcksler investiert, durch den man das Geld dreht. Das alles ist weitaus, wirklich weitaus spassiger als Leuten aus der Patsche zu helfen, die sich dann öffentlich freuen, wenn man Probleme hat. Das sind alles so Erfahrungen der letzten 4 bis 7 Jahre, wobei es in den letzten 3 Jahren besondern deutlich wurde. Man selektiert deshalb. Man wählt aus. Man sagt sich oft "Das mache ich", schläft dann eine Nacht drüber und sagt sich dann: Moment. Damit bin ich schon mal reingefallen.



Dazu kommt oft noch so ein ganz unangenehmer Zug, wenn es um Geld geht - ich kann das aus der Situation heraus verstehen, aber daran reibt es dann immer. Beim Helfen wird man eingepresst zwischen Erwartungen und Möglichkeiten, und ich wurde öfters mit enormen Erwartungen konfrontiert. Speziell von Leuten, die wenig geleistet haben und selbst Null Solidarität einbrachten. Es war extrem peinlich, wenn nicht die Chancen, sondern nur die Profite gesehen wurden, aus dem Gefühl heraus, das stehe ihnen jetzt einfach zu, und sie hätten ein Recht auf Drama, wenn es mal nicht so läuft wie erwartet. Und dann tut man es halt nicht. Man wird ziemlich immun gegen einen gewissen Frauentyp, der es einfach verlangt, gefördert zu werden, um dann über einen hinweg zu schreiten. Da knackst es dann auch immer, denn das Vorankommen soll natürlich nicht einem Mann zu verdanken sein, sondern den eigenen Fähigkeiten. Es gibt eine BR-Journalisten aus dem religiösen Umfeld, die von allen möglichen Männern gefördert wurde, und jetzt über alte, weisse Männer herzieht. Es ist herzig. Man sieht das und man lernt und man wird schlauer. An der Stelle, an der Frauen Brücken verbrennen, machen Männer übrigens ihre Netzwerke.

Andere wie den Politiker Peter Pilz, den ich aus meinen eigenen Erfahrungen heraus sofort glaube, dass er zumindest im Falle seiner karrierebewussten Mitarbeiterin in eine Falle getappt ist, sieht man fallen, und ist heilfroh, in der Hinsicht keinen Fehler gemacht zu haben. Das Nichttun ist extrem bequem, ich habe es mir in Varese gedacht, wohin ich ganz allein gefahren bin, obwohl es genug andere Optionen gab. Was hätte man da nicht alles tun können, vor 9 Jahren wäre ich sicher nicht allein gefahren, ich hätte mir Gedanken gemacht, was man hätte abgeben können... heute mache ich das selbst, und wenn ich helfe, dann diskret und langfristig. Man ist nicht mehr so impulsiv. Man schaut erst mal zu. in vielen Fällen erledigt sich dabei die Causa von allein, und später ist man heilfroh, wenn der Aufstieg und oft genug auch der Fall andernorts stattfindet. Das ist weder frauen- noch menschenfeindlich, es belässt nur manche länger als erwartet in weniger schönen Situationen und Büros, und wenn dann genau dieses Gemaule kommt, so von wegen struktureller Benachteiligung und das grosse Patriarchat ist schuld, dass sie allein nicht schneller an die Fleischtöpfe kommt, weiss man: Es war richtig, es nicht zu tun.



Ich hätte also genau diese Tweets nicht abgesetzt, denn sie erzählen von grossen Erwartungen, hohen Ansprüchen und einer Illoyalität, die sich aus dem Gefühl speist, man hätte das eh verdient und sei niemand zu Dank verpflichtet, ja, man könnte den Unterlegenen dann auch ein Vae Victis entgegen schleudern. Schreiben Sie mal lieber weiter bei Vice über toxische Männlichkeit, solange das noch zieht, kommunizieren Sie offen, worauf Sie meinen Anspruch zu haben. Irgendwelche Milchbubis werden schon alles geben, weil sie glauben, damit etwas Gutes und Richtiges zu tun. Wohl dem, der sich das leisten kann.

Verlässliche Partner sind natürlich immer willkommen, für die Benutzung dagegen wird man nicht zu alt, sondern einfach zu klug.

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Donnerstag, 30. August 2018

Lebe wild und gefährlich

Nicht alle sind so ungeschickte Amateure, Herr Böhmermann und diverse andere Figuren der Denunziantenszene werden auch staatlich über Zwangsabgaben oder von Stiftungen gefördert - man kann über so etwas lachen, aber wenn sie könnten, würden sie noch ganz anders agieren.



Die Dame hat danach ihren Account auf privat gestellt. Soviel zum Mut deutscher Feministinnen.

Zum Glück merkt man davon im realen Leben wirklich gar nichts, die Entwicklungen sind eher gegenläufig - der Vernichtungswille im Netz steht einem Zusammenrücken auf dem Land gegenüber, vor dem ich aus Berliner Sicht mehr Angst als vor AfD und Pegida haben würde. Weil es nicht auffällt, weil es nicht demonstriert, weil es einfach so ist, wie es ist, und man gar nicht gross darüber redet. Eine Auseinandersetzung mit dem, was andere als Rechts betrachten, findet bei uns nicht statt, vom viel beschworenen Kampf der CSU gegen die AfD bemerkt man exakt gar nichts. Ich bin gespannt, wie das im Herbst ausgeht. Ich traue denen alles zu.



Es fällt auch auf, wie wenig die CSU zu Chemnitz zu sagen hat. Einerseits ist da sicher auch die Angst, dass sich so ein Fall in Bayern ereignen könnte, und es gibt wohl wenig Anlass zur Erwartung, es gäbe hier dann keinerlei Proteste. Andererseits ist die Empörung in den Medien die Empörung in den Medien - ich habe nicht den Eindruck, dass sie bei uns die Generaldebatte um die politischen Entscheidungen auf dem Weg zum Verbrechen aufhält. Die CSU würde links nichts gewinnen und rechts weiter verlieren, also hält sie den Mund. Ihr Pech, dass darüber jetzt die neue Mütterrente praktisch übersehen wird.

Über den ganzen Stress der Zeit seit Dezember habe ich ganz vergessen, über das Hinterhaus zu berichten - das ist jetzt fast fertig, und ich freue mich auf das Vermieten. Es ist ein gutes Gefühl, so etwas zu haben und zu wissen, dass man nicht schreiben muss, was anderen behagt.

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Montag, 27. August 2018

Tramontana

Und dann erfährt man, dass andere einen Psychologen brauchen, obwohl man mit ihnen nie auch nur ein Wort gesprochen, gemailt, was auch immer hat. Irgendwas ist da aber im eigenen Benehmen, das sie nicht ertragen, das sie fertig macht, das sie als toxisch empfinden, und dann brauchen sie eben Hilfe. Wenn sie einen dafür anzeigen könnten, hätten sie es sicher auch schon längst getan. Dumm sind sie natürlich nicht, aber ich würde jetzt auch nicht sagen, dass man klug und sensibel sein muss, um an der Welt kaputt zu gehen... aber was weiss ich schon.



So grosso modo geht es mir prima, die Brücken, die hinter mir angezündet wurden, brennen so prächtig, dass manches Feuer auch auf andere Strukturen übergreift, weil niemand ein Problem damit zu haben scheint, wenn sich BDS-Befürworter ganz offen breitmachen, und auch noch ihre Freundinnen mit einbringen, die aus gutem Grund andernorts wenig reissen. Es ist natürlich nicht alles glatt gegangen, es ist momentan, wie soll ich sagen, wie auf dem Rennrad zwischen zwei steilen Serpentinen bergauf: Man fährt weiter, aber nicht schnell, damit man ein wenig regenerieren kann. Eigentlich würde man gern einen Moment auch mal absteigen, aber man fährt und fährt und da draussen sind halt manche, die es einfach gern sehen würden, wenn man eine Schwäche zeigte. Nur fallen mir dazu immer noch zu viele Geschichten ein, ich steige mit leerem Kopf ins Auto und nach 2 Tagen mit 4 neuen Geschichten wieder aus. Ich kann da nicht anders. Und andere macht das fertig. Als gäbe es keine Schwäche von der Sorte, die ihr Leben behindert.

Gerne würde ich den Fertigen auf die Wange tätscheln und sagen: Nein, Du irrst Dich, Du kennst nur keine Leute, denen es wirklich verdammt gut geht, also jene, gegen die ich auch ein kleiner Malocher am Wort bin - wenn Du die erst offen sehen würdest, wenn Du realisieren könnte, wie gross die Abstände zwischen Deinem Berliner BoD-Zuschussgeschäft und dem wahren Leben wirklich wäre - dann hättest Du richtig gute Gründe für eine Depression. Aber ich? Ich mache halt auch nur weiter, weil aufhören keine Option ist, und es mir weiter Freude bereitet. Das ist alles, Herzchen. Wirklich. Es geht mir gar nicht soooo blendend, Dir und dem Gschleaf um Dich geht es einfach nicht gut, und das liegt daran, dass Ihr Euch im Scheitern eingelebt habt. Du hast keine Depression. Du hast ein gutes Gefühl für die generelle Lage des Betriebs der Stadt im Osten.



Das hätte ich vielleicht öfters sagen sollen, aber es ist besser, das nicht zu tun, dann ist man weniger angreifbar und nicht verantwortlich zu machen, wenn jemand sein Lebensunglück an einem festmachen will, weil, wer redet schon gern darüber, dass man Optionen hatte, und die falsche Entscheidung wenig erbauliche Folgen zeitigt. Eine von denen, die ich nicht kenne und die aber der Meinung ist, sich an mir abarbeiten zu müssen, ist alleinerziehend - ich denke mir immer nur, das arme Kind, der arme Mann. Es ist gruslig. Es sorgt dafür, dass ich meine Onlinezeit recht knapp halte, das ist teilweise wie ein Infektionsherd. Ausserdem war Sommer, und er war schön. Ich hatte ein Umbauprojekt am Hals. Sonst gibt es wenig Neues, ich bein einfach über den Berg gekommen.

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Dienstag, 24. April 2018

Glück, ansatzweise

Erst einmal der versprochene Beitrag.

Die Idee, das Mercier nach Monaten des Gammelns doch noch rechtzeitig zu vollenden, kam mit einem Fund bei der Werkstätte meines Vertrauens: Dort lagen gleich zwei sehr frühe Sachs-Umwerfer, die kurz nach der Übernahme der französischen Firma Huret entstanden waren. Ich hatte am Mercier bis dahin testweise einen Suntour-Umwerfer, der gut 15 Jahre zu jung war - die Sachs-Hurets stammten aus der Zeit Anfang/Mitte der 80er und waren genau das, was man an so einem Rad erwarten würde. Gekauft, gereinigt, verbaut, und dann in der Nacht vor der Abreise noch einmal an den Schrauben nachgezogen. Krcks machte es leise, und dann flog die Schraube aus dem Restgewinde.



Da war die Schraube noch lang nicht fest. Huret hat früher nur Stahlumwerfer gebaut, da kann man das Gewinde leicht hinein schneiden und es hält, aber das war ein früher Aluumwerfer - und da geht dann die Stahlschraube in minderwertiges, weiches und deutlich zu dünnes Leichtmetall. Offensichtlich hat Huret das Problem selbst erkannt, denn der zweite Umwerfer hat dann schon, wie üblich, eine eingepresste Stahlmutter als Gewinde. Die kann zwar rosten, aber kaum brechen. Man kriegt vielleicht irgendwann die Schraube nicht mehr auf, aber sie bleibt zu. Wäre mir das in Italien passiert, wäre der Urlaub beendet gewesen. Oder zumindest vom Lustgewinn her begrenzt.

Und ich hatte in der Werkstatt noch überlegt, ob ich wirklich zwei brauche und den anderen nicht liegen lasse... wie man sieht, man muss nehmen, was man kriegen kann. Der neuere Umwerfer hat so ein geprägtes Blech bei der Kettenführung, das ich erst einmal unter Knacken biegen musste, damit die zeitgenössische Kurbel aus Frankreich nicht schleift. Ich hoffe, der französische Stahl ist besser als das französische Alu. Die Konstruktion ist offensichtlich bei Umwerfern von Shimano aus den 70er Jahren geklaut, man hat das kopiert, ohne zu verstehen, was das im Zusammenspiel mit den eigenen Kurbeln bedeutet, oder welche Kräfte wirken, wenn man eben eine Schraube festzieht. Der Untergang der französischen Radindustrie in den 80er Jahren ist also durchaus selbst verschuldet. Die Japaner waren nicht nur besser. Die Franzosen haben gepfuscht.



Das ist tragisch, denn es gibt wirklich phantastische Komponenten aus Frankreich. Die Stronglight 49D Kurbel ist meine Lieblingskurbel, und wie der Name sagt: Sie ist von 1949. Sie wird nächstes Jahr 70 Jahre alt. Und sie ist immer noch phantastisch. Auf ihr bzw. der Kopie von Specialites bin ich die meisten Rennen gefahren. Das Rad, das ich für das grosse Transalp-Eroica-Abenteuer aufbaue, hat dieses Meisterwerk an der Tretlagerachse. Aber bei der Schaltung vertraue ich dann doch lieber auf Suntour. Wie auch immer, ich fahre jetzt mit einem ungetesteten Rad los. Das wird spannend. Zur Nervenberuhigung gab es vorher noch Pastaparty vom Goldrand.



Naja. Ich wollte Abenteuer. Man wird sehen, wie das ausgeht.

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Freitag, 6. April 2018

De Rosa

So etwas wie diesen Winter sollte besser nicht nochmal passieren: Ich bin zwar alle kürzeren Wege stoisch geradelt, in lightnuing, thunder or in rain, und damit leicht auf eine Leistung von 15km am Tag gekommen, recht viel mehr aber auch nicht. Wetterbedingt, arbeitsbedingt, hinterhausbedingt, familienbedingt, kältebedingt - kalte Luft und hohe Atemfrequenz tut mir nicht gut, und wenn die Beine dann schneller fahren wollen, endet das oft in einer unschönen Japserei. Im Ergebnis war dann die erste Begegnung mit einer echten Steigung - 600 Höhenmeter alles zusammen, meistens 15% Steigung und 12% Abfahrten zwischendrin, besser als befürchtet, aber insgesamt immer noch... sagen wir mal, ich war mit gemütlichen Italienern an der Spitze des letzten Drittels.



Beim zweiten Mal ich ich dann mit 34 vorn und 29 hinten nicht komplett, aber das meiste hinauf gekommen und man muss dazu sagen, dass der Anstieg bei Castiglion del Bosco sicher zu den 5 übelsten Anstiegen der L'Eroica gehört. Schlimmer sind nur der Berg ohne Namen mit der Strasse in den Himmel, die folgende Abfahrt und der folgende Anstieg nach Radda bei der 75er, die Rückfahrt hinauf zu Castel Broglio, die drei Schwestern über dem Val d'Arbia und der Anstieg nach Castel San Angelo bei der Primavera. Allein, dass ich da freiwillig noch einmal hinauf gefahren bin, ist schon erstaunlich.Kaum jemand fährt so etwas freiwillig, die meisten verzichten einfach auf Montalcino.



Gefahren, nochmal gefahren, überlebt, geschafft, bezwungen, nicht hochgeflogen sondern mehr hinaufgekämpft am Rande der Möglichkeiten und die Völlerei des Winters verflucht, denn natüprlich wurde nicht nur gearbeitet, sondern auch geprasst. Leider lag auf der Neureuth zu wenig Schnee, sonst hätte ich dort jeden Tag hinauf steigen und rodeln können, ach, es ist ein Jammer, aber es hilft ja nichts.

Und daheim habe ich dann brav das De Rosa ausgepackt, gekauft in Italien nach der letzten L'Eroica, und bin dann auch brav damit gefahren, damit die Form besser wird. Ich habe mich nämlich so halb zur L'Eroica Nova verpflichtet, und da geht es um Zeit auch auf neuen Rädern. Ich bin momentan noch so im Altradtaumel, dass ich instinktiv zum Schalten an das Unterrohr greife.



Ein irrwitziges Teil, und ich werde nie so gut sein, um das herauszuholen, was in diesem echten Profirad, das beim Giro d'Italia 2004/5 gelaufen ist, drin steckt. Carbonnaben. Titanritzel. Carbonsattelgestell. Titanschrauben. Titaninnenlager. 25mm breite Reifen, 205 Gramm leicht. Auf dem Heimweg habe ich an einer Ampel mit Vorlaufgrün - hehe, grandiose Sache! - von hinten fliegend einen weissen 911er überspurtet und mich im Stadttor ganz breit vor ihn gesetzt, so ein Selbstbewusstsein hatte ich nach 40 über den Asphalt geprügelten Kilometern.

Das wird jetzt wieder jeden Tag zur Routine, und ich fahre jetzt auch mal alles an Rädern, was über den Winter so neu angefallen ist.

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Samstag, 24. März 2018

Im Licht

Sagen wir mal so: es gibt einladende Orte, die man gern betritt. Ich bin gerade in Murlo, einem Dorf bei Siena, mit einem historischen Kern über der Etruskersiedlung. Sehr hübsch. Man betritt etwas wirklich Schönes.



Murlo hat sich über die Jahrhunderte kaum und wenn doch, dann nur behutsam verändert. sie haben die Autos rausgeworfen und ein kleines Museum im Ort, aber so generell ist es immer noch das kleine Dorf mit seinem Mittelaltercharme. Sauber, einladend, menschlich. Egal, wann man kommt, immer das gleiche. Das kann auch ganz anders sein: Als ich bei der FAZ antrat, sass noch Reich-Ranitzky in seinem Büro. Murlo hat Bestand. wie so vieles. Manchmal auch im Untergrund, wo die Häuser des Mittelalters auf etruskische Fundamente reichen.

Als ich gestern im Gasthaus war, sagte der Ober: Lamm und Schwein ist aus. Und das in Zeiten der grossen Fleischdokus, in denen mir jeder sagt, er reduziere Fleisch so gut es geht. Es gibt halt so eine Art Zeitgeist, und darunter bleibt vieles doch gleich. Das Tor, durch das man wieder ins Licht tritt, ist nicht mehr das, durch das man den Ort betreten hat, aber die Menschen, die ändern sich nie.



Ich bin in Italien, nach zwei ziemlich anstrengenden, aber im Kern auch guten Wochen, und gegen Ende der kommenden Woche wird es nochmal heftig, deshalb muss ich auf einer anderen Route als sonst über die Schweiz zurück. Mein Murlo ist allein in meinem Kopf, ich lasse es mit Worten entstehen, alles andere ist nur ein Server, dem es egal ist, ob dann eine fettkranke Asoziale aus der Unterschich darauf schreibt, die Schirrmacher immer gehasst hat,nochmal ein Sprachverhunzer und FAZ-Stalker aus Genderistan, den man reinlässt, oder eben ich, und Server gibt es viele. Es geht alles mit grosser Gelassenheit weiter.

Manche, deren gute Tage schlechter als meine üblen Nächte sind, werden sich wundern. Ich freue mich, wieder im Licht zu sein.

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Montag, 12. März 2018

Platzprobleme

Ich habe zu viele Bilder, aber da kam dann dieser Josef von 1740. Der war billig, und es kam ein Stilllleben und eine Weinkellerszene und dann noch ein Bild, über das ich bei der FAZ geschrieben habe, für eine Hanvoll Euro mehr... ich habe da eine schlechte Impulskontrolle. Und vor 10 Jahren, als ich einzog, kaufte ich ein paar alte Pflanzenholzstiche minderer Güte, die jemand aus Spanien mitgebracht hatte, damit da an der Wand etwas hängt. Nett, aber inzwischen haben sie sich amortisiert, und trotz der Vermutung mancher Leute, ich könnte mir den Tegernsee bald nicht mehr leisten, geht der Trend gerade wieder zum Drittwohnsitz. Die Holzschnitte kommen also ins Depot und warten auf weitere Verwendung, und nach der Bürgermeisterwahl habe ich hier etwas rumgenagelt



So ein Wohnung ist halt nie ganz fertig, und im Hauptraum muss ich die Tage auch noch etwas umhängen. Es tut weh, es ist nicht nett, beim Fremdaufhänggehen bin ich wie ein Don Giovanni mit Skrupeln, obwohl ich im Moment ja eher ein Leporello bin, der einen neuen Herrn sucht. Wobei, eigentlich mache ich das auch nicht, ich bin zum Glück ja nicht wirklich abhängug von Arbeitgebern, ich kann auch so gut leben und...

ach, das habe ich noch gar nicht erzählt, es wird gerade wegen der Umstände etwas umgeschichtet und verflüssigt, und eigentlich wäre das die Gelegenheit, sagen wir mal, ein halbes Jahr auch wirklich gar nichts zu tun. Nur reisen. Das habe ich mir eigentlich verdient, nach all der Zeit ohne jeden Urlaub. Aber, ich kann vermutlich nicht anders als schreiben, das ist wie mit den Gemälden.

Zum Glück jedoch geht im Internet der Platz nie aus. Das ist auch etwas.

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