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Montag, 16. Februar 2009

Es war Crebillon.

Zu den Flüchen zweier Wohnorte gehört es, dass die Bibliothek geteilt ist. Manche Standardwerke habe ich doppelt, aber gestern Abend nun brauchte ich für eine kleine Volte in meiner beruflichen Tätigkeit ein ganz bestimmtes Buch. Und das ist am Tegernsee. Die fragliche Szene, die ich schildern wollte, war plastisch in meinem Gedächtnis, aber wer zum Henker? Diderot? Nein. De Louvrai? Nein.



So zermarterte ich mir bei Tee und Recherche den Kopf, aber es wollte mir partout nicht einfallen. Die Erwähnung des Buches wäre die zweifarbige Schokoladenrolle auf der Kokos-Vainillie-Marzipan-Torte gewesen, aber nichts, nichts hat geholfen. Nur um heute morgen dann aufzustehen und zu sagen,schlafwandlerisch zu wissen: Crebillon der Jüngere, Liebestaten des Vicomte de Nantel. Jetzt, denke ich, ist mein historisch-vergleichender Versuch über Dekadenz und Trottel durchaus nicht lesensunwert.

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Montag, 16. Februar 2009

Bitte was?

"One possible solution would see Germany buy billions of euros of Irish government debt through a fund set up by the European Central Bank."

Generell finde ich es ja erstaunlich, wie wenig in Deutschland über die Risiken berichtet wird, die uns aus Österreich, den britischen Inseln und Irland drohen. Ich bin weiss Gott kein Spezialist für Bankenrisiken, aber im Oktober habe ich ziemlich entnervt und verärgert geschrieben, warum meines Erachtens Irland eine massive Bedrohung für den Euro darstellt. Mit der Bitte, diese verkommene Steueroase und ihre katholizistischen Theokratiefreaks absaufen zu lassen, mit ihrem dreckigen Steuervermeidungsgeschäft. Ich kann wirklich nur hoffen, dass die Times da oben kompletten Blödsinn schreibt. Allerdings ist es die Times, und nicht irgendein Gossenblatt.

Die Iren haben den EU-Vertrag abgelehnt. Die Iren haben sich in die Pleite gewirtschaftet. Die Iren haben ihren Aufschwung durch Steuerschäden anderer Länder finanziert. Zur Hölle mit den Iren: Wenn sie pleite gehen, raus mit ihnen aus der EU, raus aus dem Euro, sollen sie bitte die Briten fragen, ob die sie wieder haben wollen. In dem Moment, in dem Deutschland des irischen Giftmüll kauft, werden Griechen und Italiener und Spanier auch anklopfen. In dem Moment, da man Irland geteert und gefedert in der irischen See versenkt, werden sich das andere gut überlegen, und nach anderen Wegen suchen. Wenn nächste Woche flennende Automanager in Washington die nächsten Milliarden verlangen, sieht man das Ergebnis dieser Politik der Hilfe für Organisationen, die als Geschäftsmodell das Parasitentum verfolgen, weil es leichter als der freie Markt ist.

Auf dem Markt der Staaten hat sich keiner in Irland darum gekümmert, wenn es in Deutschland Steuerausfälle gab. Sie haben damit glänzend gelebt, sie haben sich nie um die Risiken geschert, und sollen die Rechnung selber zahlen. Das ist kein Protektionismus.

Das ist gerecht.

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Samstag, 14. Februar 2009

HalifuckedBOS oder traue nie einer Bank.

Es ist schon etwas beängstigend, wie diese Meldung des Tages, oder auch der Woche, hier in Deutschland untergeht und auch von Wirtschaftsmedien kaum aufgenommen wird: In den Büchern der Halifax Bank of Scotland fand sich Abschreibungsbedarf in Höhe von 10 Milliarden britischer Peseten. Die HBOS wurde letztes Jahr mit der Geschäftsbank Lloyds zwangsfusioniert, nachdem die HBOS faktisch pleite war und Lloyds immer noch ordentliche Gewinne machte. Der Staat schoss 17 Milliarden Peso als Bailout dazu und hat an der vereinigten Bank einen Anteil von 43%. Mit den gestrigen Kursverlusten von mehr als 30% müsste jetzt auch der Staat kräftig abschreiben, die Aktienbesitzer von Lloyds dürfen sich erneut verschaukelt fühlen, und es ist absehbar, dass die neue britische Grossbank eine neue britische Grosskapitalspritze brauchen wird.

Unabhängig von der Frage, was man von einem Staat halten soll, der zugunsten der Illusion eines freien Marktes mit einer künstlich am Leben gehaltenen Bank in ein paar Monaten einen zweistelligen Milliardenverlust machen wird, sehe ich da noch ein anderes Problem, das jetzt auf der Insel auftaucht, und aber im Frühjahr oder Sommer vermutlich auch uns erfreuen dürfte: Neue Rekordabschreibungen, wenn man bei den Bankenfusionen CoBa/DreBa und PoBa/DeuBa die Zeit hatte, das zu tun, was bei den eiligen Käufen unterblieb: Die Risiken und den Abschreibungsbedarf neu zu bewerten. Man wird das Problem überall haben, vielleicht kommt Deutschland auch mit einem blauen Auge davon, aber gerade in Zeiten der schnellen Bailouts wäre das alles nicht überraschend. In beiden Bankenehen steckt direkt oder indirekt der Bund als Anteilseigner drin, in beiden Fällen gab es schon bei der Anbahnung unschöne Überraschungen. Nirgendwo hat jemand einen übersehenen Goldklumpen oder Wertberichtigungsbedarf nach oben gesehen. Und bei vielen Banken sind immer noch enorme Abschreibungsrisiken an Bord.

Generell frage ich mich, ob die neue Katastrophe - nichts anderes sind die Zahlen von HBOS - nicht auch Vorzeichen einer weiteren Tangorunde am Abgrund sind, wie wir sie schon im Oktober 2008 gesehen haben. Es hat sich seit damals kaum etwas geändert, die Bilanzen sind meist nicht solider geworden, aber die Abkühlung der Wirtschaft ist überall zu spüren, und wird sicher bei den Banken zu weiteren Abschreibungen sorgen - dann aber auch in den Bereichen, die bisher als relativ gesund galten. Das ist in manchen Ländern sicher besser unter Kontrolle, als auf der Insel, die inzwischen schon fleissig elektronisches Geld druckt. Der ganze Vorgang unterstreicht erneut, wie unendlich wichtig eine saubere Due Diligence bei solchen Fusionen ist, und wie lausig diese Arbeit trotzdem ausgeführt wird. Wer ein Auto kauft, schaut immer erst in den Motorraum, ob überhapt ein Antrieb vorhanden ist. 10 Milliarden können nicht einfach so passieren, da muss jemand wirklich den Motorraum verschweisst haben, damit das nicht auffällt.



Solange aber die Staaten zu feige sind, den Banken klar die Alternative aufzuzeigen - gnadenlose Ermittlungen, gerne auch öffentliche Prozesse und Haftstrafen, woimmer es bei solchen Fehlern möglich ist - wird man weiter mit den Bailouts rechnen. Das Mindeste, was man jetzt vom Staat erwarten kann, ist ein knallhartes Gesetz zur Verstaatlichung von Banken bei gleichzeitigem, kostenneutralen Rausschmiss der Aktionäre und anderer Eigner: Nur mit so einem Gesetz entsteht der Druck auf die Banken, den sie wirklich verstehen. Der Druck derer, die ihr Geld verlieren, wenn der Staat kommt. Fränkische Abwirtschaftsminister, die aus bayerischer Gorossmannssucht dabei im Weg stehen, sind umzusägen und in ihren popligen Frankenwald zu verfrachten. Auf der Insel wird man in den kommenden Wochen bitter dafür zahlen, es mit Nettigkeit versucht zu haben. Vielleicht sogar mehr, als das Staatssystem dort nich zusammenkratzen kann, vielleicht reicht es auch noch bis zur nächsten Wertberichtigung, die nicht lange wird auf sich warten lassen. Dem muss man vorbeugen, indem man aufhört, hübsche Lagerfeuer gegen die Kälte auf Kosten der Allgemeinheit zu entzünden, und statt dessen das Höllenfeuer entfacht. Brennbares Material ist in Frankfurt in grossen Mengen verfügbar, und den Rest kann man ja den Raiffeisenbanken übergeben.

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Freitag, 30. Januar 2009

Der verhuzelte Teenager

[Edit: Wegen der unten stehenden Kommentare möchte ich darauf hinweisen, dass es bei diesem Beitrag nicht um die Unschönheit der Jugend, sondern um den Irrsinn der sog. Schönheits-OPs geht]

Ich bin ja einiges gewohnt, hier am See. Die Zeiten, da man öffentlich nicht über Schönheits oder was sie dafür halten OPs sprach, sind jedenfalls lang vorbei, in den Strandcafes werden Künstler beurteilt, unsichtbare Narbenreste verglichen und Pläne für weitere Renovierungsarbeiten besprochen. Man macht das heute wohl so. Und glaube ich kundiger Seite, so ist das ausnahmsweise unter all den Exzessen der letzten Jahre nicht russischen Vorbildern zu verdanken, sondern geht auf die typisch amerikanische Haltung zurück, Patina unter allen Umständen heraus zu polieren. Unsereins kennt das aus einem Schloss in der Nähe, dessen Kunden vor allem aus Übersee kommen, oder besser - kamen: Dort ist alles mit Lack konserviert. Die Möbel könnten auch gute Stilkopien sein.

Vorgestern war ich schon etwas angefressen, als das Handelsblatt sich nicht entblödete, einen Beitrag mit "Investieren in die eigene Bio-Aktie" überschrieb. Ich bekomme dann so Zuckungen und plädiere für die Einführung schwerer Eisenhämmer für die Zurichtung junger Journalisten. Und heute war ich nochmal unten am See, um mich und meinen wettergegerbten, durch Eiswälle geknallten, manchmal von der Wintersonne sattbraunen und von Filmversuchen mit spektakulären Überschlägen tiefblauschillernden Körper von diesem Ambiente zu verabschieden, denn das Essen geht mir aus, und morgen ist der Wochenmarkt in der Provinz.



Und da kamen mir drei Menschen entgegen. Ein Kleinkind wie aus dem Katalog für einen Kindergarten, in dem sie mit 2 Jahren chinesisch und mit 4 die Powerpointpräsi ihrer gesammelten Spielzeuge lernen. Die Hermes-Louis-Vuitton-Mutter, deren ganzes Wesen die Suche nach Akzeptanz ausdrückt und die vermutlich immer noch sauer ist, dass es nur zu einem CFO ohne den kleinsten, auch nur ostelbischen Adelstitel gereicht hat. Und ein Teenager.

Ich komme bekanntlich aus Bayern, und auch, wenn meine Heimat reich und fett ist, findet sich dort ein Umland, in dem immer noch über die Abschaffung der Leibeigenschaft debattiert wird. Manchmal schaffte es eine Lehrerin, Eltern zu überzeugen, zumindest eine Tochter an eine höhere Schule zu schicken, und ein paar von denen - es waren wirklich nicht viele - fanden sich dann auch in meinem Gymnasium wieder. Die mittleren 80er waren auch bei uns nicht wirklich stilsicher, und man wird sich vorstellen können, wie so eine Margit aus dem XXXX-Hof bei Yyyying wirkt, wenn sie bei Pogos Mode in Keesching eingekleidet wurde. Dorf, abgelegen, alte Ernährungssitten, - selbst wenn die grosse Schulschönheit aus so einem Kaff stammte, war der Durchschnitt eher das, was man als verhuzelt bezeichnet. Glatte Haut, sicher, aber irgendwie schon erkennbar, dass ihnen jede Anmut und das, was in Büchern des 19. Jahrhunderts als "edles Antlitz" bezeichnet wird, immer fehlen würde. Und es ihnen auch reichlich wurscht war, irgendeiner der zehn Gleichaltrigen aus dem Kaff würde es dann schon werden. Das Gesicht ein solides Versprechen, dass sie dereinst klein, stämmig und mit dicken Krautstampfern in die Kirche wackeln würden, um den Gatten zu beerdigen und dann noch 30 Jahre die Nachbarschaft mit Getratsche zu nerven. Sie hassten mich, ich hasste sie.

Der Teenager jedenfalls war aus exakt dieser Baureihe: Glatte Haut, aber hinterfotzige Augen, ein schräger Zug im Gesicht, verrutschte Proportionen, als wäre das Gesicht einmal geschmolzen und dann etwas zerlaufen wieder fest geworden. Nur besser, sehr viel besser angezogen, violette Turnschuhe einer bekannten Luxusmarke, eine sportliche Jacke mit Pelz, und eine Tasche mit grossen Mengen an Klimbim, die man normalerweise mit russischen Besucherinnen der besten Berliner Galerien assoziiert.

Und ich dachte so bei mir: Tschuldigung, Margit, Du warst eine dumme Tratschn und hast den letzten Deppen geheiratet, Du hast mit ihm die Welt nicht ärmer an Menschen mit begrenztem Horizont gemacht und Deinen Teil zur Vernichtung der Aufklärung geleistet, und wenn ich Dich als Ortsvorsitzende der Frauenunion in der pompösen Tracht in die Mehrzweckhalle drapiert im Kaffteil des Lokalteils der Lokalzeitung sehe, kommt mir gleich wieder alles hoch, diese "Wer Dallas nicht mag und nicht glotzt oder sogar liest ist ein Depp"-Attitüde und vieles mehr, aber hey - wenigstens bist Du so, wie Du bist, und kommst nicht auf die Idee, mit 70 wieder so minderschön sein zu wollen, wie Du in der Schule warst. Die hässlichen alten Lügen kommen aus Deinem Mund, aber sie sind nicht Dein Gesicht, das ohne teure Hilfe Rottacher Affenaufsexer und anderer Kurpfuscher ist so ehrlich wie ein Papst, der rassistische Priester fördert.

Leicht angewidert stieg ich in meinen Wagen und fuhr nach Hause, wo alle Möbel Kratzer, Schrunden und Flecken haben, wie es sich gehört.

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Sonntag, 18. Januar 2009

Frankfurter!

Das Exil in Aschaffenburg (Bayern) ist nur 30 Kilometer entfernt und bequem auf der Autobahn zu erreichen, hat echte Wirtschaft statt maroder Banken, die Stadt hat einen sozialdemokratischen Bürgermeister, keine Schulden, ein grandioses Barockschloss und Parks, und gilt als die "fränkische Riviera". Das Land wird von einer maroden, pseudosozialdemokratischen CSU regiert, die den Bürgern für die Prügel bei der letzten Wahl die Stiefel leckt. Billiger ist es dort sowieso.

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Samstag, 17. Januar 2009

An die Tugend

Tugend, Tugend, lass mich schauen,
was hinter mir an Wut und Schmerz
die Fallenden in namenlosem Grauen
hinab begleitet höllenwärts.
- Oh Kind, zu schlimm ist der Bericht
über solche Dinge spricht man nicht.

Tugend, warum ist es denn verboten
Steuerhinterziehung und unehlich Kind
seriös natürlich, ohne derbe Zoten
so amüsant zu zeigen, wie sie sind?
- Oh Kind, wer hat Dich das gelehret
mit solchen Worten man nur Unheil mehret.

Ach Tugend, warum sollte ich nicht wissen
was bei uns daheim doch jeder kennt.
Die Staatsparteiler wollen ihren Bissen,
und der Bonze zu den Schweizern rennt.
- Oh Kind, Du scheinst mir recht verdorben
mit solchen Themen hat man viele Sorgen.

Tugend, ach hör auf, mich fort zu zerren,
ich denke, es gibt ein Recht der freien Rede;
ich möchte gern die Wahrheit plärren
über Ehebruch und grosse Nachbarsfehde.
- Oh Kind, Deine Gier geht mir auf den Nüsse
mit solchen Themen fängt man sich Schüsse.

Tugend, ich bin doch schon dreizehn Jahre
ich gucke Porno und tu Bilder ins VZ
und Klaus meint, der Papa bald erfahre
was der Tennislehrer und die Mama von Janette...
- Oh Kind, halt endlich Dein verottet Maul
man hält still, selbst bei Sex mit einem Gaul.

*

Oh Tugend, ich sehe, du willst nur schützen
den Spiesser, den Reichen und die Bürgerschaft
die Typen, die so gerne die Gesellschaft stützen
und in Rottach schmoren, im eignen Bonzensaft.
- Ja, oh Kind, genau darüber spricht man nicht.

Und hoffentlich hält auch Don Alphonso dicht.

* Tiepolos Höllensturz wurde in Würzburg in einen älteren, ikonographisch unpassenden Rahmen eingefügt

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Donnerstag, 1. Januar 2009

Nicht spiessig.

Auch auf die Gefahr hin, in den Hipsterbrutzellen von Hoyerswerda bis Tübingen missverstanden zu werden, möchte ich nach einiger Lektüre zu den Ereignissen des neuen Jahres ein paar Dinge klarstellen:



Spiessig ist es nicht, sein Leben selbst zu bestimmen und friedlich Dinge zu tun, die einem geraten scheinen, selbst wenn dabei nicht viel passiert. Mit hunderttausend anderen auf Partymeilen grölen ist dagegen in etwa so fortschrittlich wie im Sportpalast Ja brüllen.



Es ist nicht spiessig, sich an Zweigen zu erfreuen, die vom Schnee überzuckert aus einem japanischen Holzschnitt stammen könnten. Es ist absolut nicht akzeptabel, sich zweimal im Jahr den Genuss eines Besuchs im Radladen anzutun, weil irgendwelche Cretins Räder als Allgemeingut ansehen.



Es ist nicht spiessig, im Berg den Entgegenkommenden ohne Unterschied einen guten Tag zu wünschen, denn damit zeigt man: Ich habe Dich gesehen, und wenn etwas sein sollte, helfe ich Dir. Du und ich, wir sind, wenn es darauf ankommt, eine Gemeinschaft. Es ist im Gegensatz dazu alles andere als sozial, vermeintliche Luxusautos anzuzünden und daneben auch noch andere Fahrzeuge mit zu beschädigen.



Es ist selbstverständlich und keinesfalls spiessig, oben auf der Alm jeden kleinen Rest Müll von der Brotzeit sorgfältig einzupacken und unten im Tal in den Mülleimer zu werfen. Es ist überhaupt nicht cool, sich zu besaufen und anschliessend die Flasche unter Autoreifen zu legen, oder sie auf dem Radweg zu zerdeppern, oder in geschlossenen Räumen Menschen mit Böllern zu bewerfen.



Man muss die Polizei nicht mögen, aber diese Leute sind keine Spiesser, sondern sie tun ihren Job - was viele Cretins vermutlich erst verstehen, wenn sie zu alt sind, um sich zu einem Mob zu firmieren und Wachen zwecks der Gaudi angreifen, und trotz ihrer verkorksten Existenz jemand brauchen, wenn sie von ihren Nachfolgern zwecks Ausraubung gestiefelt wurden.



In fact gibt es eigentlich nichts Langweiligeres, Dümmeres und Spiessigeres als asoziales Benehmen. Das kann jeder Depp. Der Spiesser von heute trägt nicht Loden, sondern Baseballkappe, Kapuzenshirt und ipod. Des Neuen Spiessers Eiche Rustikal heisst Billy, der Moselwein Coffee2go und der Schweinebraten Maxidöner zum auf der Strasse fressen. Der Spiesser von heute hat einen billigen Job mit beschissenen Arbeitszeiten und erwartet, dass die Läden für ihn bis Mitternacht aufhaben. Der Spiesser von heute fordert WLAN überall und beschwert sich über die deutsche Dienstnichtleistungsmentalität. Der Spiesser will alles, er gibt nichts und bescheisst bei der Fahrtkostenabrechnung. Der moderne Spiesser kann mit jeder Form asozialen Lebens prima leben, solange sein Macbook Pro keine Schramme bekommt. Dem modernen Spiesser schaut weg, wenn jemand randaliert, solange es nicht seine Lebensideale stört. Der neue Spiesser verteidigt seine Künstlersozialkasse, wie der alte Spiesser Kohl wegen der Rente wählte. Der moderne Spiesser hat seinen reinen, selbstbezogenen Egoismus an die Stelle des alten spiessigen Egoismus gesetzt, der alles kontrollieren wollte. Der moderne Spiesser hat deshalb nicht mehr mal ein Herz für einen Pudel. Man kann darüber reden, ob der neue Spiesser mit seiner Leckmich-Haltung ein widerlicheres Arschloch als der alte Kontroletti-Spiesser ist, und unter wem man besser leben würde, wenn man nicht das Glück hat, täglich a la Marinetti auf den Altar dieses Packs spucken zu können. Was fraglos die beste Art des Umgangs mit diesen Problemen ist.

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Montag, 29. Dezember 2008

Inversionswetterlage

Es ist kalt im Tal. Schön und bitterkalt. Wenigstens ist es nur diesig und nicht graubraun wie über München, wo sich die Abgase von hier aus erkennbar über der Stadt sammeln.



Der surreale Traum der erstarrten Landschaft verliert sich schon nach ein paar Metern im Wald, und auf der ersten Lichtung hat der Berg alle Zweideutigkeit abgeschüttelt; zurück bleibt ein Bilderbuchaufstieg durch eine Reisekataloglandschaft.



Oben auf dem Sonnenhang dann der Blick über das Tal: Unten die schwere, kalte Luft voller Dunst und Nebel, darüber die klare Luft der Berge und Sonnenschein. Man sieht sehr deutlich die Inversionsschicht, an der das schlechtere Wetter an seine Grenzen stösst.



(Grossbild)

Das hat sein Gutes und sein Schlechtes. Die Fernsicht nach München und Augsburg ist begrenzt, denn die liegen unter der Dunstglocke. Dafür ist es hier oben mit der vom Schnee reflektierten Sonne bacherlwarm. Man kann gar nicht anders als eine Stunde bräunen.



GemeinerNetterweise bekommen die Münchner gar nicht richtig mit, dass sie in einem stickigen Abgasmoloch sitzen, denn wenn sie nach oben schauen, sieht es dennoch blau aus. Man müsste anstelle der Plakatwerbung solche Bilder übertragen, mit der Aufschrift: "Fühlen Sie sich gefälligst schlechter - das Wetter ist gar nicht so schön, wie Sie glauben".



Aber das wäre natürlich nicht nett in einer Stadt, die Sorgen um ihre Banken und ihre Erfolgsgeschichte hat, und die ausserden schon mit der Staatspartei gestraft ist. Eine Staatspartei, die eine Art Inversionswetterlage des Terrors gegen die eigene Bevölkerung ist: Man weiss, wie schön es hier sein könnte, aber über allem lastet der Dreck, der Rauch und der Gestank all der Dekaden voller dummdreister Korruption, Lüge und Scheinheiligkeit.

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Freitag, 26. Dezember 2008

the most exciting woman alive

Was ich an Eartha Kitt wirklich grandios, überlebensgross fand, war der Umstand, dass sie nicht älter, sondern immer nur besser wurde. Je älter sie wurde, desto mehr konnte man ihr den Wunsch nach einem Cadillac, so lang, dass man im Fond eine Kegelbahn bauen konnte, oder die Wunschliste an Santa Baby wirklich abgenommen hat. Sie war schon als junge Frau sehr, sehr gut, aber erst im Alter bewahrheitete sich das, was Orson Welles über sie von der aufregensten lebenden Frau gesagt hat. Eartha Kitt war für mich immer jemand, der mit die Angst vor dem Alter genommen und Lebenswege aufgezeigt hat. Und nun muss sie mit all den verstorbenen aufregenden Frauen konkurrieren. Sehr, sehr schade. Dabei hätte die Popmusik doch noch viele andere alte Schachteln für den Schredder gehabt, namentlich alle, die versucht haben, Eartha kommerziell nachzusingen.



Was uns wieder einmal zur Frage bringt, ob ein gewisses Mass an vorsichtigem Luxus & angemessener Verschwendung wirklich so schlecht sind, wie uns das von den Freunden von Frohn und Ausgezehr immer so gerne erzählt wird. Cui bono, sollte man fragen, wer hat eigentlich etwas davon, und die Antwort ist einfach: Keiner, am allerwenigsten man selber. Es stimmt natürlich: Am Ende geht man ohne alles und hinterläst den Besitz, aber davor, davor ist man dumm für jede Nacht, die man nicht angenehm unter dem Kronleuchter verbracht und davor von Silber gegessen hat. Zumal man es sich ja leisten kann, wenn man auf andere, weitgehend akzeptierte Verschwendungen wie Pay-TV, Rauchen, Pokern oder - bewahre - Kinder verzichtet.



Dazu könnte ich übrigens an dieser Stelle einiges erzählen, das vergangene Fest hat in unserer kleinen, verträumten Stadt eine dicke Spur aus Tränen, Rotz und Scherben der Familienkonflikte durch die besseren Strassen hinterlassen, aber angesichts diverser verdächtiger IPs und der Gefahr, dass diejenigen Nichtkinderlosen, die den Kelch des Leides bislang nicht trinken mussten, das missverstehen oder gar auf sich beziehen, lasse ich das lieber - und begnüge mich mit dem Hinweis, dass Eartha Kitt NIE ein Lied über Mutterfreuden geschrieben hat - im Gegenteil, sie wollte ein Kindermädchen, das den Nachwuchs hütet, der nicht vom Geräusch des Geldzählens gestört werden soll.

Das sollte uns zu denken geben.

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Mittwoch, 24. Dezember 2008

Tag der Lügen

Und als ich das Paket zur Post gebracht hatte und nach Hause kam, sah ich noch den Silbergegenstand, der unbedingt mit nach Berlin hätte gehen sollen, und dachte mir: Du wirst alt und vergesslich. Das ganze Prozedere nochmal. Ich bin kein Freund der Post, seitdem sie mit schöner Regelmässigkeit Pralinen auf dem Weg nach Berlin in Schokobrei verwandelt, ich mag Postämter nicht und wenn möglich, bevorzuge ich Kuriere. Heute durfte ich dann erkennen, dass es gar nicht so dumm war, das Silber zu vergessen:



Komischerweise war der gesamte Inhalt bei der "Rücksendung" verschwunden, die Maschine hatte nur für die Karte und Zeichenkartons keine Verwendung, Süsswaren und andere Nettigkeiten jedenfalls sind verloren. Sowas passiert mir nur bei Post, die nach Berlin geht. Wer glaubt, dass das ein Zufall ist, für den hätte ich auch eine Geschichte von einer Herbergssuche, einem Messias, ein paar Viechern und Hirten im Programm. Oder eine Powerpoint, dass Blogwerbung wirkt, oder eine Investmentmöglichkeit bei einem gewissen Herrn Madoff.



Die eine Möglichkeit wäre, sich mit diesem Laden in Verbindung zu setzen und irgendeiner rehäugigen Callcenter-Mitarbeiterin im tiefsten Sachsen an diesem Tag einen Vorgeschmack auf das Ende der Geschichte zu geben - in sage nur: Nägel. Die andere ist, das wohltuende und beruhigende Putzen des Silbers für den späteren Abend. Es ist nicht schlimm, es ist aller ersetzbar, und ich mein, hey, ich kann die Schokolade in Rottach nachkaufen, und der Depp wird bis zu seiner pensionierung in einem Postcenter in der Berliner Pampa sitzen.



Dergestalt friedlich geht es in den gemütlichen und runden Teil des Tages, und weiter zum Essen, zum Foodporn, den sich mancher Leser und Schenker - danke an dieser Stelle - so sehnlich wünscht, und den zu bieten ich an so einem Tag zur Feier des Endes des Weihnachtsterrors der Mehrheitsgesellschaft unter Aufbietung diverser sonst nicht benutzter Stücke gerne bereit bin:







Nun aber rasch in die Stadt, in die alte Kneipe, wo all die Unverheirateten schon warten, um die neusten Geschichten aus dem letzten Jahr zu erzählen, weihnachtliche Tragödien in Erfahrung zu bringen und Vaterschaften in Zweifel zu ziehen - was sich in dieser Nacht historisch gesehen besonders anbietet.

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