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Sonntag, 20. Juli 2008

Mysterium

Es gibt Menschen, bei denen es keine Rolle spielt, woher sie kommen. Sie sind anpassungsfähig, haben keine Eigenschaften, mit denen man sie verorten kann, keine Geschichte ausser dem Jetzt und keine Beziehung zu früheren Durchreisestationen. Sie sind in der Lage, sich überall einzufinden, ohne sich zu beteiligen, sie nehmen mit, was zu bekommen ist und wenn sie ihre Koffer packen, ist es nur wegen der Arbeit ärgerlich, die sie, wenn möglich, bezahlten Kräften überlassen. Dann gehen sie, kommen nie mehr zurück und arbeiten an einer neuen Gegenwart, die das Vorhergegangene ausblendet. Sie meinen das nicht böse, es ist ihnen einfach nur egal.



Und dann sind da die anderen, die gekommen sind, um zu bleiben. Auch sie reden ungern über ihre Herkunft, statt dessen erfinden sie sich neu und der Situation angepasst, ziehen an, was alle anziehen, sagen icke oder gehen auf reanimierte Volksbelustigungen, erklären die Tradition des Ortes für die ihrige und stellen alles in Frage, was dieses System in Frage stellt. Sie wählen CSU in Bayern und die Piratenpartei in Berlin, und irgendwann erfinden sie einen vierteladligen Opa aus dem Süden oder einen Roman, an dem sie schreiben.

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Donnerstag, 26. Juni 2008

Ich will ja nichts sagen.

Aber es gibt Kombinationen, die gehen gar nicht: Wie heute etwa, auf dem Rückweg von Hinterriss.



Heftiger Regenschauer, glitschige Strasse von Österreich den Achenpass hinauf, eine nicht ganz untückische Linkskurve gleich hinter der bayerischen Landesgrenze, ein Opel Corsa, offensichtlich zu hohe Geschwindigkeit, und dann das übliche bei bei berg-und kurvenuntaugleichen Opels: Das Ding untersteuert vermutlich, der Fahrer zieht dann in seiner Not - die Leitplanke! Die Schlucht! zu hektisch am Lenkrad, vorne vertschüsst sich die Reifenhaftung, und ab geht es mit einer Pirouette in die Felswand, die besser als derAbgrund ist, aber auch nur graduell. Da steht er dann, rechts vorne totalgeschadet, und tropft trauriges Öl auf die Strasse, und daneben telefoniert der Besitzer, dem nichts passiert ist.

Über dem toten Corsa, über dieser ganzen unfreundlichen Melange wehen, an jedem Fenster angebracht, vier Deutschlandfahnen im feuchten Wind nach dem Gewittersturm.

...



Liebe fahnentragende Opelstrassenverstopfer: Wie wäre es, auf Kühe umzusteigen? Ich bin bei Eng einen Kilometer mit einer Kuhherde mitgeschlichen, das waren sehr nette Begleiter, trittsicher, kurvenstabil und keine einzige landete in der Felswand, obwohl dort die Kurven noch enger und glitschiger als am Achenpass waren - und das ganz ohne Opelfahfrer am Steuer. Ich verstehe absolut nicht, warum es mehr befahnte Opel als glockenklingende Kühe auf Deutschlands Strassen gibt.

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Dienstag, 17. Juni 2008

United States of Dystopia

Nehmen wir mal an, jemand hätte uns im Jahr 2000 erzählt, dass in acht Jahren die Vereinigten Staaten schon seit einem Jahr in einer global wirkenden, jedoch selbst verschuldeten Finanzkrise stecken. Dass die Unsummen, mit denen man das korrigieren könnte, in zwei vollkommen sinnlosen und nicht gewinnbaren Kriegen und einer Reihe von lokalen Konflikten verbraten wurden. Dass dieses Land immer mehr verbraucht hat, an Benzin, Rohstoffen und Nahrung, dass ein grosser Teil der Bevölkerung krank vom Wohlstand ist, und gleichzeitig jede Form von Infrastruktur vor die Hunde geht. Dass dieses Land unter seinen Bürgern extreme Armut kennt, und noch schlimmere Armut unter denen, die dort leben, aber keine Bürger sind. Dass dieses Land von einer Clique durchgeknallter Idioten regiert wird, Scharfmachern, präfaschistoider Überwachungsspinnern und Think Tanks, die von Leuten aus dem nach europäischen Massstäben rechtsextremen Spektrum bezahlt werden. Dass die Staatsverschuldung jederzeit eine globale Wirtschaftskrise auslösen kann, während das Land und seine Produkte kaum mehr zur ersten Welt gezählt werden können. Dass die Schlüsselindustrie der Autoproduktion am Ende ist. Dass nach einer gigantischen Katastrophe in einer Millionenstadt auch nach Jahren grosse Teile dieses Ortes aussehen, als wäre die Flut erst vor drei Wochen gewesen.

Und nehmen wir weiter an, man hätte uns gesagt, dass dieses Regime auf allen Feldern der Aussenpolitik in der Defensive ist - teilweise gegenüber antidemokatischen und im Kern radikalmuslimischen oder postkommunistischen Diktaturen wie Saudi-Arabien und China, die auf der anderen Seite mit ihren Investitionen den sozioökonomischen Moloch von Amerika am Laufen halten. Dass dieses Land bewiesen hat, wie unfähig es ist, auch nur kleine Territorien wie den Kern von Bagdad zu besetzen, wie egal ihm das Thema "Nationbuilding" ist. Dass inzwischen auch die Israelis selbst mit der Hamas reden, weil klar ist, dass von den Versagern in Washington keine Initiativen mehr kommen. Dass Russland und China ungestört auf dem globalen Vormarsch sind, weil die USA für einen freien Rücken in Sachen Afghanistan und Irak jede andere Schweinerei tolerieren. Dass sie einen Staat wie Pakistan unterstützen, der zumindest indirekt an der Konzeption des internationalen Terrorismus beteiligt ist.

Und hätten wir und damals erzählen lassen, dass die Notenbank zugunsten einiger Hasardeure auf den Finanzmärkten das Land zusätzlich in eine Inflation treibt, die ganze Schichten real verarmen lässt. Dass das Land seine Soldaten ermächtigt, die Menschenrechte global mit Füssen zu treten. Dass diese Supermacht auf allen Ebenen so unglaublich ignorant ist, so unfähig, die notwendigen Veränderungen überhaupt erst zu begreifen. Dass das Land nach menschlichem Ermessen auf allen Ebenen bankrott ist, egal ob wirtschaftlich, in seiner Militärdoktrin, sozial oder politisch.

Dass dieser Leader zu einem Moloch geworden ist, bei dem man sich fragt, ob er der Lösung der Probleme dieses Planeten nur im Weg steht, oder nicht auch zentraler Teil des Problems ist.

Hätte das jemand 2000 geglaubt, und hätte jemand daran geglaubt, dass 8 Jahre, immerhin eine lange Zeit, ausreichen, dass man sich an diesen Zustand irgendwie gewöhnt hat?

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Samstag, 14. Juni 2008

Angst

Vor ein paar Wochen wurde ein Autor, der über lange Zeit keine ausreichenden Antworten auf seine Fragen - einen grösseren Wirtschaftsskandal betreffend - erhielt, dann doch eingeladen. Der Chef des Unternehmens wolle ihm Rede und Antwort stehen, alle Fragen könnten angesprochen werden, man habe nichts zu verbergen.

Als er dann eintraf, wurde es in das Besprechungszimmer geführt, und dort sass nicht der Chef und auch kein Vertreter, sondern nicht unbekannter Medienanwalt und legte ihm dar, was er für seinen Mandanten alles tun würde, wenn er auf der Beantwortung der Frage bestehen würde, weiter seine Zweifel äusserte, und welche Streitwerte man ansetzen wollte - Prozesskostenrisiken im Millionenbereich wären die Folgen gewesen, Ausgang ungewiss, über diverse Instanzen und dann natürlich auch noch ein ganz bestimmtes Gericht für die ersten Instanzen.

Der Journalist liess sich nicht einschüchtern, und der Anwalt tat dann doch nichts - ausser vermutlich seine Kosten für diese Form der in Deutschland legalen, umgangssprachlich würde man sagen - Erpressung beim Unternehmer einreichen. Eine schöne Geschichte, aber trotzdem würde ich gern ein anderes Ende lesen, in dem es um Verkehrsunfälle und ein sehr langsames, schmerzvolles Verenden ginge, was ja auch manchmal am Schluss von solchen Karrieren steht. Es gibt auch Tage, da verstehe ich den Terroristen antreibenden inneren Kohlhaas, und weitaus mehr Tage, da fühle ich in meinem Innersten, warum es ein Recht auf Widerstand gibt.



Es gibt ein Ungleichgewicht der Angst in diesem Land. Man muss überlegen, wie man die Angst dorthin zurückträgt, wo sie herkommt. Die Angst ist auf der Seite der Wehrlosen, sie ist nicht auf der Seite der Korrupten und derer, die Wanzen verstecken, Angst ist ein Instrument, gegen das es keine gesetzlichen Regelungen gibt, und die Frage, die sich mir stellt, ist eigentlich ganz einfach: Wie bleibt man legal, und produziert trotzdem Angst auf der anderen Seite, und zwar so, dass eine Abwehr mit Typen wie dem oben genannten schwer wird? Kann es sowas wie weissen Angstismus, Terror-ismus geben? Was kann das Individuum gegen das System und seine Organisationen tun, wenn der Staat sich nicht mehr dem Bürger, sondern dem halbverstaatlichten Beziehungskomplex mit seinen Lobbyisten, Vertretern und Verwaltern verpflichtet fühlt?

Natürlich ist Terrorismus in seiner klassischen Form keine Lösung. Die 68er Idee, den Staat zum Umkippen in seine faschistisch-totalitären Strukturen zu bringen, kann man sich in Zeiten des "Heimatschutzes" und der Überwachungsermächtigung und der davon profitierenden Konzerne weitgehend sparen. Die Hools, die vor meinem Fenster gerade pöbeln, sind sicher keine revolutionäre Basis, und das Prinzip der Gewalt zieht nur Leute an, mit denen nichts zu erreichen ist.

Vielleicht liegt die Lösung in der intensiven Aufklärung, in der Untersuchung nach stark wirkenden, tatsächlich aber schwachen und verletzlichen Punkten im System. Man mus lernen, was Angst ist, wie sie entsteht und wie sie wirkt. Jeder hat Angst. Dieser Staat braucht mehr davon, insofern bin ich auch den Iren für ihre Ablehnung der EU erst mal dankbar. Blöde Entscheidung, aber die Angst ist da, wo sie hingehört. Die Antwort kann nicht sein, die Iren rauszuschmeissen, die Antwort muss sein, dem System noch mehr Gegenangst zu machen.

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Der Nachwuchs der Kinderlosen

Es gibt Anzeigen für gebrauchte Roadster, die weh tun. Die gehen in etwa so: "Muss mich leider wegen Nachwuchs von meinem geliebten Zweisitzer trennen. Abzugeben nur in gute Hände."

Ein Drama steckt in diesen Worten, das man desöfteren aus den besseren Wohngegenden des Landes kennt -all die Erwartungen der Jugend und ihre Erfüllung, gegen einen Ernst des Alters, Kombiverseucht und windelndurchnässt, natürlich in deren Augen auch schön, aber in 30 Jahren, wenn der Roadster dann als Oldtimer vorbeifährt, wird es ihnen immer noch einen Stich versetzen, denn da geht er hin, der Traum, die gute, alte Zeit, als man nur an sich denken musste, nicht an die Altersversicherung und die Hypothek, und der nachwuchs wird raunzen, wieso der alte Depp diese Aufreisserkiste verkauft hat. Jede dieser Anzeigen ist eine traurige Geschichte der Trennung von Blech, das irgendwie auch Leben ist.

Aber - man darf nicht übersehen, jede dieser individuell traurigen Geschichten endet mit einer guten neuen Geschichte.



Denn in 30 Jahren wird es eben nicht nur die Jammernden gegen, sondern auch die, die den einen Gegenstand der Kümmernis haben, und den anderen zu vermeiden wussten. Heute begann so eine schöne, neue Geschichte. Und es ist besser, viel besser, als Mädchen zur Abtreibung oder zum Traualtar zu begleiten.

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Montag, 19. Mai 2008

Reich.

Was vielleicht mal ganz nett waere: Ein Reichtumsbericht. Ein Bericht, der nicht die Armut der "da unten" beschreibt, sondern das, was oben los ist. Tucholsky hat das mal mit "Deutschland Deutschland ueber alles" probiert, und es blieb nicht ohne Wirkung. Ich denke, mit einem Reichtumsbericht koennte man das Problem besser verdeutlichen, als mit all den immer wiederkehrenden Klagen ueber die auseinandergehende Sozialschere. Uebles Wort, finde ich. Da braucht es etwas Griffigeres. Mindestlohn sowieso.

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Mittwoch, 7. Mai 2008

55

Ich habe vorgestern Abend mit dem Vorsatz gebrochen, dieses Früh/Sommerhalbjahr keinerlei Podiumsveranstaltungen zu besuchen, besonders nicht in Ostdeutschland, und werde im Juni in Weimar sein. Das öffentliche Interesse sucht sich andere Wege; Buchbeiträge, Einschätzungen und Meinungen werden gefragt, und weil die Tage schön und die Reisespesen vorhanden sind, kommen auch manche vorbei und machen so eine Art "Home Story". Weitgereiste Gäste, die schon hier und dort waren und aus anderen Städten, namentlich dem grossen Berlin und seinen kleinen Geistern zu berichten wissen, wie dort mein "hier" beurteilt wird. Hintenrum, natürlich.

Heute ist gerade mal keiner da, ich sitze auf meiner Dachterasse und im Ofen zergeht langsam der Grana Padano unter den Auberginenscheiben und den Tomatenschnitten, ich habe etwas Zeit, und deshalb würde ich gerne mal die Frage umdrehen: Wenn meine Gegenwart woanders schon als unerträglich betrachtet wird - wie ist das dann mit der eigenen Zukunft?

Mein geschätzter Namensvetter hat ein Stück verfasst, dem ich ausnahmsweise keinesfalls zustimmen möchte, denn mit 15 Jahren Abstand, das im Alter der üblichen "Topblogger" kein allzu weiter Zeithorizont ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von denen noch so hochmütig auf die herabsieht, die nicht zu dem Jobhoppertum und Quarterlifecrisis kennenden und praktizierenden digitalen Lumpenproletariat gehören. Meine Erfahrungen mit der Industrie sind auch dergestalt, dass man sowohl als Firma als auch als Mitarbeiter versucht, der Tätigkeit einen Sinn zu geben, und ich habe sehr viele Firmen kennengelernt, in denen das vorzüglich gelungen ist.

Berliner Arroganz könnte es sich niemals vorstellen, mal 6 Monate über einem Bauabschnitt ein Planum freizukratzen, obwohl sie dank der Alimentierung des Staates für Akademiker sowas wie die geistigen Voraussetzungen haben könnten, darin einen Sinn zu sehen. Die Leute, mit denen ich das gemacht habe, waren weder gebildet, noch standen ihnen irgendwelche anderen Optionen des arbeitsvermeidenden Verarschens von zahlungswilligen Deppen, das Geschäftsmodell derer Adicalinkis, zur Verfügung. Es waren schlecht bezahlte ABM-Stellen, man war auf dieser Siedlung der Chamer Gruppe dem Wetter ausgesetzt, und die Befunde waren nicht so, dass man dabei viel Besonderes hätte erkennen können: Scherben statt Gold, Hauspfosten statt Statuen, das übliche Klein-Klein eines chalkolithischen Dorfes, und nein, in der Chamer Gruppe sind noch nicht mal die Scherben schön, wie etwa noch bei den Bandkeramikern. Trotzdem gab es ein gemeinsames Ziel, eine Arbeitsauffassung, und den gemeinsamen Willen, alle Unterschiede zwischen Studenten des Fachs und arbeitslosen Gemeindearbeitern bei der Erfassung der Fundstellen zu überbrücken, und das bei einer Aufgabe, die Aussenstehenden zumindest leicht esotherisch erscheinen mag.

Es war eine gute Zeit, und es waren gute Leute. Das ist etwas, das ich von einer Reihe nachfolghender, besser bezahlter und nach aussen auch besser wirkenden Beschäftigungen nicht behaupten kann. Es gab in der Audi welche, die am Tag einen halben Kasten soffen, aber das waren - auffällige - Ausnahmen. In der New Economy waren die meisten entweder naturprall, drogensüchtig oder einfach nur Kriminelle, trotzdem fand man diese Leute toll und wollte dort arbeiten. Es hat lange gedauert, bis manche begriffen haben, dass verbindliche Arbeitszeiten, Urlaubsgeld und Feiertage ebenso sinnvoll sind, wie ein Tarifvertrag und ein Arbeitszeugnis, das den Namen einer Firma enthält, deren erste Suchtreffer nicht bei Dotcomtod sind.

Natürlich hat einer, der sich 35 Jahre mit Unterbrechungen von Kleinjob zu Kleinjob hangelt, weniger Ansprüche an das Rentensystem, als ein Bandarbeiter. Ich denke sogar, dass er das Recht hat, Bandarbeiter zu bemitleiden - Bandarbeiter, Angestellte, Sachbearbeiter und Beamte fänden den Zustand derer, die in Berlin bleiben müssen, weil sie woanders so nicht existieren können, auch nicht cool, und legen Wert auf ein Eigenheim mit Garten, Terasse, zwei Kinder und Zweitwagen.

Ich kenne beide Seiten. Ich möchte keine Rente, kein Auto, kein sicherheitsrelevantes Teil, keine Meinungsbildung, keinen Flugzeugmotor, kein Brötchen, keine Möbel, keine Wohnung, bei der das digitale Lumpenpack mitzureden hat. Jenseits von Blogvermarktung, gehäkelten iPodtaschen,Trashtalkshows und Zoomer.de ist für diese Leute Todeszone, man muss dort was können und in Zyklen leisten, die erheblich länger sind als die durchschnittliche Lebensdauer eines Startups von Sascha Lobo. Am Ende gibt es dafür eine Rente, die nicht so sicher ist, wie man es sich wünschen würde. Aber immer noch sicherer als die Gefühle, die solche Typen haben, wenn sie mal etwas älter sind. Weil die anderen am Band nämlich vorgesorgt haben. 1200 Euro Rente sind gar nicht so wenig, wenn man ein eigenes Haus hat, etwas Vermögen und ein intaktes Umfeld mit Beziehungen, die einem das Brennholz für den Kamin billiger beschaffen können, und einen im Sommer mit Obst und Gemüse zuwerfen.

Das ist nicht jedermanns Sache, aber man schliesse jetzt mal die Augen und stelle sich so einen Vorzeige-Hanswursten und seine Arbeitsauffassung mit den 55 Jahren vor, mit denen der normale Bandarbeiter an den Vorruhestand denkt. Grau, sicher auch etwas abgehetzt, nicht wirklich erfolgsverwöhnt und das, was über die Jahre angefallen ist, ging drauf für Miete, Umziehen, Fahrerei, Repräsentation, aber nichts Bleibendes. Das Wissen, mal der König der Berliner Penner gewesen zu sein, ist dann vermutlich weniger wert, als drei Hunderter mehr Rente. Bleiben noch 30 Jahre Lebenszeit, die auch irgendwie gefüllt werden müssen. Aber mit was? Profibloggen? IPhonehüllen häkeln?

Bandarbeit ist nicht cool, und ich würde auch nicht die Arbeit meiner Eltern machen wollen. Genauso, wie meine Eltern den Kopf schütteln, wenn ich ihnen erzähle, wie ich mein Geld verdiene. Das finden sie nicht cool. Alt werden ist auch nicht cool. Vorsorgen ist nicht cool.

Aber Altersarmut ist noch weitaus uncooler. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Politik, die der arbeitenden Mehrheit verpflichtet ist, später mal Ausnahmeregelungen für berufsjugendliche Leute schafft, die sich nicht quälen wollen, sondern das tun, was ihnen Spass macht. Das muss man sich erst mal lei.. oh. Himmel! Mein Grana-Padano-Baguette!

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Freitag, 25. April 2008

Chinesen verstehen

Ich schreibe: Chinesen verstehen. Und nicht: Verständnis für China und die dort regierende Diktatur haben.

Da passt was nicht zusammen. Einerseits das Bild des aufgeklärten Westens, das in China eine Diktatur erkennt, die foltert, unterdrückt, Minderheiten verfolgt, Blogger für einen falschen Satz für Jahre einsperrt und für das schlimmste Hinrichtungssystem unserer Zeit berüchtigt ist. Andererseits die gut ausgebildeten, nach unserer Meinung durchaus westlich orientierten Chinesen der jungen Generation, die das Internet selbstverständlich nutzen, um Kritiker in den eigenen Reihen mundtot zu machen, den Westen angreifen und Boykotte fordern - ganz so, als wäre China mehr als ein marodes Dritte-Welt-Land, das seinen begrenzten wirtschaftlichen Aufschwung billigem Konsummüll, Monopolbanken, dem Ausnutzen der fehlenden Altersvorsorge und Industriespionage verdankt.

In den letzten drei Jahren hatte ich ab und an mit dieser jüngeren Generation zu tun; bei Versteigerungen etwa, wo sie sich den chinesischen Exportkitsch des 19. Jahrhunderts kauften, um sowas wie eine Tradition zusammenzutragen, die es in China nicht mehr gibt. Vom Beginn des Opiumkrieges von 1840 bis zur Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 gibt es in China keine andere Tradition als die der Gewalt, des Mordens, der Unterdrückung, der Kriminellen und der Völkermörder. Es gibt weitgehend unbekannte Katastrophen wie den Krieg der zentralen Ebenen 1930, und bekannte wie den grossen Sprung nach vorn unter Mao. Deutschland hat schon ziemlich am Trauma des Dritten Reiches zu knabbern, aber man kann davon ausgehen, dass die Schrecken der Kulturrevolution in China erheblich näher sind, mit einem weitaus höheren Anteil von direkten Tätern in der Bevölkerung. Ob nun durch Westmächte verschuldet oder selbst gemacht: Die chinesische Geschichte ist für über 150 Jahre nichts, was man mit Wohlgefallen betrachten kann.



Nachdem in China das Äquivalent zum deutschen Faschismus immer noch am Drücker ist, darf es nicht verwundern, wenn die junge Generation ein ziemlich verdrehtes Bild ihrer eigenen Geschichte hat. China ist ein vollkommen skrupelloser Staat, neben dem eroberten Tibet führte es auch Kriege und Konflikte gegen Indien, Vietnam, die UdSSR, Südkorea und faktisch die USA, und ist als Waffenlieferant global an den meisten Krisenherden beteiligt. Und die meisten jungen Leute finden diese Weltmachtpolitik auch nicht schlecht.

Weil sie die Begünstigten des Systems sind. Man studiert in China nicht, wenn man etwas gegen das Regime hat. Man kommt nicht voran, wenn man das System kritisiert. Ich glaube, es ist ein massiver Fehler, diesen jungen Leuten mehr ethisches Bewusstsein zu unterstellen, als rechtsextremen deutschen Burschenschaftlern. Und daran wird auch kein Auslandsaufenthalt viel ändern, zumal die jungen Chinesen dort ohnehin unter dauerndem Rechtfertigungsdruck stehen. Das ist keine gute Gelegenheit für moderate Töne oder das Überdenken von Standpunkten. Diese Begünstigten haben von unseren Vorstellungen nichts, aber auch gar nichts zu gewinnen. Im Gegenteil, es sind gerade die entsetzlichen Bedingungen der Sweat Shops und Zwangsarbeiterlager, die den Reichtum dieser Elite (wie, das muss man natürlich dazusagen, auch die billigen Preise unserer neuesten Handies und Hemden) ausmachen.

Man muss weiter Druck machen. Aber man darf nicht erwarten, dass chinesische Eliten es toll finden, kratzt doch die Kritik an der Expansion nach Tibet an deren Selbstverständnis. China ist eine Diktatur, die wie viele andere ihre Stabilität aus der Begünstigung dieser Eliten bezieht, es gibt dort sowas wie einen Symbiose einer Diktatur und eines Manchester-Kapitalismus, und keinerlei demokratische Traditionen, was immer das sein mag. Sie werden im Schulterschluss versuchen, mit Ausweichen und Erpressung der Kritik zu begegnen, sie haben nicht vor, sich vom Westen irgendwas sagen zu lassen, sie stehen für den Fortbestand des Systems, und sie werden sich einen Dreck um das Ausland scheren, wenn die olympischen Spiele vorbei sind.

Druck ist deshalb nicht sinnlos. Er bringt das System in die Defensive, er bringt sie mehr in die Defensive, als er das System dadurch stabilisiert, und es gubt im Kampf gegen verbrecherische Regime nichts, was man unterlassen sollte - weil es auf der anderen Seite auch nichts gibt, was sie nicht auch tun würden. Aber bei diesem westlichen Anliegen auf Unterstützung aus dem chinesichen Volk hoffen, auf dessen Einsicht und Änderungswillen, ist, vorsichtig gesagt, reichlich optimistisch.

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Sonntag, 20. April 2008

Brauner und verstrahlter Müll

Mit freundlichen Grüssen an all die bloggenden, communitybetreibenden und gossenfüllenden Bonker in Berlin und anderswo:



Ab in die Tonne mit Euch.

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Montag, 14. April 2008

Die farceistische Diktatur in Italien.

Ich geh kotzen.

Und danach überarbeite ich meine Urlaubspläne leicht, selbst wenn die Ansicht von Beckstein und Merkel auch nicht gerade viel hübscher als die vom Italo-Hanswursten ist.

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