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Montag, 13. Dezember 2010

Ace of club

Nicht der Nikolaus, aber der Postbote hat ein paar Aufkleber gebracht - zeitlich passend und so, wie man das haben will.



So gegen zwei Uhr haben wir versucht, Whist zu spielen. Das ist ein altes, englisches Kartenspiel, das im 18. Kajrjundert überaus populär war. Beim SWhist wurden früher Landsitze verspielt und Leben verloren, ich jedoch verlor einfach die Geduld: Ausser Rommee sind Kartenspiele einfach für mich nichts. Zum Glück darf ich auch feststellen, dass die Pokermode wieder am Abklingen ist; es gibt weniger Spam, und auch in den Frauenzeitschriften mag man sich dazu wohl nicht mehr äussern. Poker in den Nuller Jahren: Das wird später mal die grosse Peinlichkeit sein, wenn man sich erinnert, wie man einen auf Vegas machen wollte.

Dann doch lieber noch ein Colnago.

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Samstag, 11. Dezember 2010

Einblicke & Ausblicke

Die New York Times will zeigen, dass sie auch ohne Wikileaks spannende Dinge leaken kann. Das ist auch so eine Art Fallout, den ich beim Journalismus sehe: Dass Wikileaks den Beruf vor sich her treibt. Dass man erklären muss, wozu es einen egentlich braucht, wenn es um die grossen Skandale geht. Der Unterschied zwischen Medien und Wikileaks ist, dass Medien auch selbst aktiv werden können; Wikileaks ist auf Zulieferungen angewiesen. Man kann da so oder so vorgehen; die Times, die das Cablegate-Material eigentlich nicht erhalten sollte, macht den Giftschrank justament dann auf, wenn Wikileaks eine Verschnaufpause einlegt. Der Guardian geht den anderen Weg und bitte seine Leser, ihm und seinem Spezialistenteam zu berichten - keine dumme Idee, wenn demnächst die Unterlagen der Guantanamogefangenen rauskommen. Und Spiegel Onschleim bringt "Wetten dass", das kann ihnen in ihrer unnachahmlichen Art nur die Bild streitig machen.

Aber das Interesse wandert nun mal, und bei uns in der Strasse geht die Restaurierung eines grossen Hauses langsam zu Ende. Und wirklich spannend sind da zwei Fragen: Welche Leute ziehen da ein? Und: Wie hoch ist die Miete? Das wird es uns erlauben, die nächsten Mieter gerechter zu behandeln.



Oder, was den dramatischen Fall des Hinterhauses bei mir angeht, beim Durchrechnen, was sich wie lohnt. Es sind viele Einzelposten, an die man da denken muss. Nur mal ein Beispiel: Der Kostenvoranschlag besagt, dass neue Plastikfenster nur 50% teurer wären, als die alten, doppelten Kastenfenster restaurien zu lassen. Das würde sich nach 10, 15 Jahren Heizen rentieren, wenn man selbst darin wohnte und es machen liesse. Aber wenn ich die Fenster selbst herrichte, kostet das ein paar Tage Arbeit, und vielleicht 150 Euro - und davon, dass die Mieter bei der Heizung sparen, habe ich persönlich nichts. Die Erfahrung zeigt leider, dass Mieter nun mal nach dem Mietpreis gehen, und jeder Hinweis auf besonders effiziente Fenster egal ist, wenn nur der Quadratmeterpreis 10 Cent billiger ist.

So schlimm, wie manche Abdichtungsextremisten sagen, ist es mit Kastenfenstern übrigens nicht; Natürlich gibt es einen gewissen Austausch, aber dadurch entstehen auch in den Räumen unterschiedliche Klimazonen. Am Fenster kann man dann besser arbeiten, weiter hinten eher ausruhen. Dass moderne Plastikfenster auch in 10 Jahren noch perfekt schliessen, mag ich aus eigener Erfahrung bezweifeln - keine Ahnung, warum die teuren Denkmalschutzfenster besser sind, aber die halten einfach. Und schliessen. Aber die wiederum wären für das Hinterhaus viel zu teuer.

Abgesehen davon stecken in neuen Fenstern auch Zusatzkosten, die man gerne übersieht: Trotz Einfassung mit Schaum und Silikon muss massiv im Mauerwerk rumgemacht werden, man braucht einen Spengler für die Fensterbretter, und das kostet kostet kostet. Grob geschätzt: 15-20.000 Euro. Anderthalb bis zwei Jahresmieten für das Objekt. Und rauswerfen müsste man Fenster, die noch Goldmark gekostet haben. Da haben wir noch die Rechnungen.



Im neu restaurierten Haus haben sie übrigens auch die alten Fenster drin gelassen. Abgeschliffen, gestrichen, neue Gläser eingesetzt, das war alles. Stellt sich nur die Frage, was die Mieter dafür bezahlen müssen. Aber das kriegt man hier schon raus, ganz ohne Wikileaks.

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Montag, 6. Dezember 2010

Erster Blick ins neue Jahr

Man könnte es eine Art Selbsthilfegruppe nennen. Nicht immer nämlich ist Besitz eine Freude, oft betritt man Räume, in denen man noch nie war und die einem trotzdem irgendwie gehören, und wünscht sich nach dem Rundgang ein Leben zur Miete, irgendwo in einer grossen Stadt, ein Telefon und die Möglichkeit, wegen jeder Kleinigkeit den Vermieter rauszusprengen. Und aus Rache ihm auch mal so ein abgewohntes Loch zu hinterlassen. Nicht immer ist so eine Entwicklung die reine Schuld der Mieter; wir hatten auch einen Fall, bei dem der Mieter sehr schwer krank wurde und starb - mangels Erben blieb es dann an uns hängen, die Wohnung zu räumen. Eine ganze Wagenladung Platten brachte ich damals nach München zu einem Händler.Trotzdem, es gibt so Begehungen nach dem Auszug, die nicht die reine Freude sind. Und dafür braucht man eine Selbsthilfegruppe.



Eine Selbsthilfegruppe, der man die Bilder des neu entdeckten Objekts zuschicken kann. Die anderen Mitglieder haben ein ähnliches Schicksal geerbt und wissen, was es bedeutet. Und kosten wird. Da schaut man schon, was noch erhalten werden kann: Die Türen zum Beispiel. Abschleifen und selbst streichen: 20 Euro und ein halber Tag pro Tür. Es sind 15 Türen. Die Decke ist schlimm und muss isoliert werden, am besten mit einem darüber luegenden Dachgarten. Kostet aber. Mehr als 20 Euro. Dafür sehen die Böden richtig gut aus.



Manche Entdeckung ist auch ganz nett. Betrachtet man etwa diese zauberhafte Lampe, die ich sicher nicht wegwerfen werde, sieht man beispielsweise die Wand im Rücken nicht. Dort geht der Schimmel zwei Meter die Wand hoch. Wie tief er im glatten Fussboden ist - man wird sehen. Aber die Lampe macht Freude. Im Mai 2011 will ich fertig sein. Die Selbsthilfegruppe lacht.



Im Übrigen bin ich durchaus der Meinung, dass Mieter selbst gekaufte Dinge mitnehmen können. Den kleinen Küchenboiler hat meine Grossmutter vor knapp 35 Jahren installiert, die Mieter haben dann beim Einzug kurz darauf ein Waschbecken darunter erworben. Und es jetzt ausgebaut und wieder mitgenommen. Muss man sich mal vorstellen. Immerhin sind die Heizkörper noch da, wo sie sein sollen. Ist man nur lang genug in der Selbsthilfegruppe, ist man froh, wenn es noch Decken und Böden gibt. Manche Mieter bauen auch Türbeschläge aus und nehmen sie mit. Alte Alubeschläge aus den 60er Jahren, auf die man auch verzichten könnte, wäre da nicht der hohe Farbrand, der an der Tür bleibt. Nochmal abschleifen und steichen. Der Lieblingsweg der Selbsthilfegruppe geht vom Objekt zum Heimwerkermarkt und zurück.



Früher (im Sinne von 20. Jahrundert früher, nicht Mittelalterfrüher) war hier hinten die Verwaltung eines Tapetengeschäfts, dessen Besitzer grössenwahnsinnig wurde und seinen - an sich gut eingeführten Betrieb - in den Ruin führte, mit schnellen Autos, Frauen, einem skandalerregenden Pool und zwischenzeitlich auch dem Plan, der Familie den ganzen Komplex abzukaufen. Der hat den Boden machen lassen, damit er auch schwere Büromaschinen aushält, und die Reste seines Geschäfts wurden gar nicht faul von den Nachmietern benutzt, um alles im damaligen Stil zu tapezieren. Da kommt was auf mich zu, mag mir scheinen. Ich bin gespannt auf den Zustand der Mauer dahinter. Aber das Himmelblau von ca. 1910, das würde mir schon gefallen, als Farbe. Die Bilder mit vielen schrecklichen Details, die jeden Tag neu entdeckt werden, gehen an die Selbsthilfegruppe, alle kennen viel schlimmere Dinge und gratulieren zur leichten Aufgabe. Die müssen ja auch nicht im Winter ran.

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Dienstag, 30. November 2010

Und immer werde ich mich wundern

Die Schuhschachtel kommt von einem Billigladen, wobei: 59 Euro für ein paar Billigschuhe finde ich jetzt auch nicht gerade "billig". Aber ich habe sie ja nicht gekauft, sondern nur das, was in der Kiste war - und aus praktischen Erwägungen die Kiste gleich mit.



Beides kam übrigens aus dem gleichen Haushalt, das versiberte Starterset für 6 Personen und 3 Gänge mit allem drum und dran, Vorlegegabeln, Schöpfkellen, und so weiter, und der Schuhkarton. In Situ, würden Archäologen sagen. Anteilig am Einkommen war Versilbertes in jener Zeit - 30er Jahre - nicht billiger als heute. Jede Gabel kostete mehr als ein paar Billigschuhe. Nur auf dem Flohmarkt nicht, da war es erheblich billiger, und noch weniger dürfte der Händler mitsamt Schachtel bezahlt haben.



Es war kalt in Pfaffenhofen und wenig los, und nachdem in letzter Zeit doch das ein oder andere Besteck einen beglückten Abnehmer fand, kaufte ich etwas zum polieren und wundern, über die Menschen. Ich werde mich immer wundern und nie aufhören.

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Dienstag, 26. Oktober 2010

Weihnachten für Atheisten

Es ist nicht immer einfach mit mir. Meine Definition von "gemütlich" schliesst 40 Büsten, Reliefs und Statuetten ebenso ein, wie einen ab und an nicht unerheblichen Vorrat an Staub auf dem Boden, auf meinen Spiegeln könnte eine kleine Investmentbank Koksparties veranstalten, und wenn der Strom ausfällt, ist es mit den Kerzen kaum dunker als mit den Kronleuchtern, die hier auch in Küche und Bad baumeln.

Kurz, ich halte vom Minimalismus genauso viel wie vom Katholizismus. Das ist nicht ganz gerecht, denn auch Letzterer mag die Entsagung nicht und liebt den Prunk, aber ich finde, er verdient ein wenig öffentliche Ungerechtigkeit, nachdem das heute wenigstens mal möglich ist. Die letzten 1200 Jahre war das noch anders, da musste man sich anpassen und die Schnauze halten. Ohne Beichtzettel keine Heirat, ohne Christbaum keine Integration. heute sage ich: Ich kann nicht zulassen, dass mir Tannnennadeln den Staubbelag durcheinander bringen! - und so auf derlei Baummorde verzichten.

Die Umwelt wird mich dafüür nicht steinigen, aber dennoch bin ich guter Hoffnung, dass ich dieses Weihnachten, oder besser, die Tage danach, nicht zwingend allein hier sein werde, und es ist nicht auszuschliessen, dass der ein oder andere Gast trotzdem mault, er hätte gern irgendwas mit Lametta und Glitzer und Gold und Kerzen, das hoch aufragt und Platz für Geschenke darunter hat. Das war früher immer ein gewisses Problem, aber in Pfaffenhofen fand ich jetzt die Lösung - und es ist, oh Wunder, eine katholische Lösung:



Und weil sie katholisch ist, passt sie auch so hier rein, denn sie ist so üppig, wie nur wirklich geschmackslose und barocke Katholiken glauben, ihren Herrgott erfreuen zu können. Über einem neuromanischen Goldfuss erhebt sich ein Pflanzenzwitter aus Weintrauben (gelobtes Land und der Vater), Kornähren (das Volk Gottes, das aus der Saat Christi ensteht) , die Kerzen (das Licht der Welt, der heilige Geist) und in der Mitte die Lilie (Zeichen der unbefleckten Empfängnis, und Symbol für Maria). Irgendwer hat es da um 1880 in Nordfrankreich aber so richtig krachen lassen mit der Symbolik, aber besser so ein Monstrum, als der Erwerb judenfeindlicher Schmierereien dieser Zeit.

Ich habe so etwas noch nie gesehen, aber weil ich es mangels anderer Alternativen auch krachen lassen wollte, griff ich zu. Keine 40 Meter weiter versuchte mir schon der erste Händler das Monstrum wieder abzukaufen, aber nichts da! Für diese bestimmte Zeit und das Bedürfnis der Gäste nach Heimeligkeit ist er genau das richtige, Geschenke passen drunter, in das Ambiente passt er auch, und den Rest des Jahres kommt er in die Abstellkammer.

Oder ich gehe damit - Bronze ist schwer - Einbrecher und Besoffene erschrecken und verprügeln. Ein Fest für mich! Euch mach ich katholisch!

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Montag, 18. Oktober 2010

Franz und Johann haben gefehlt

Trotz langjähriger Vergebenheit in für unsere Epoche doch recht feste Hände bin ich überzeugter Anhänger der eigenen Wohnung. Sollte sich das je ändern, würde ich im Sinne des 18. Jahrhunderts und seiner Herrschaftsarchitektur zumindest zwei Flügel haben wollen, so dass man sich wirklich aus dem Weg ist, wenn man sich aus dem Weg gehen will. 6 Zimmer dazwischen ist in der Hinsicht vermutlich ausreichend - und im Übrigen in diesem Komplex sogar bautechnisch möglich.

Will ich aber dereinst wirklich vergrössern, Türen wieder öffnen lassen und dabei vielleicht das Dienstbotenhaus seiner ursprünglichen Bedeutung zuführen - brauche ich Ausstattung. In diesen tristen Zeiten kann man nicht einfach nach Fürth fahren und sagen: 10 Prunkvenezianer bitte, den, den, den und dann noch ein paar spezielle Exemplare. Man muss beizeiten mühsam zusammenkaufen, sich auf Auktionen mit Zahnärzten herumschlagen und viel Glück haben. Nach meiner Beobschtung kauft man besser 5 Jahre vor der Erweiterung schon mal ein, damit man 5 Jahre nach der Erweiterung alles beisammen hat, und man sich mit der Frage der Gemälde beschäftigen kann (suche übrigens dringend noch drei mittelgrosse Capriccios mit italienischen Motiven, 18. Jahrhundert).

Zu den Problemen des Alleinlebens jedoch gehört der Umstand, dass man nicht mal eben sagen kann: Schatz, ich halte mal den neuen Prunkvenezianer hin, schau mal, ob es passt. Es hat auch seine Vorteile, denn beim Heben von 40 Kilo Glas und Holz sieht man für den Schatz nicht wirklich begehrenswert aus, zumal so ein Spiegel ganz jämmerlich glitscht und zappelt und dem Boden entgegen strebt, und man nur selbst ahnt, wie lächerlich man aussieht, unzumutbar für den Schatz - kurz, auch das Gesindehaus hätte bereits in diesem frühen Stadium seine Vorteile. So könnte man sich zum Schatz gesellen, einen Kuss auf sie geben und sagen: Johann, ein wenig höher bitte, und Franz, etwas niedriger, und alles etwas mehr nach rechts. Schatz, was meinst Du? Passt er?

Das geht noch nicht, noch bin ich allein, und deshalb sieht der neue Venezianer an Stelle des alten Venezianers auch - wie soll ich sagen: Ich glaube, ich muss mich erst mal daran gewöhnen:



Auf jeden Fall hängt er zu hoch. Was ein wenig doof ist, weil das Anbringen eines wirklich guten Hakens immer eine Mordsarbeit ist, und das Verkitten seines alten Lochs dieser Dimension auch nicht gerade die Wand verschönert. Eventuell kann ich aber etwas an der Aufhängung machen - nur sollte es sicher sein, denn wenn dieses Monstrum fällt, darf niemand darunter sitzen, der nicht zumindest nordkoreanischer Diktator oder Kernkraftwerklobbyist ist.

Dafür habe ich noch etwas anderes gefunden, was ich lange suchte: Ein alter Rennkompressor, der nicht im üblichen, langweiligen Schwarz ist, und der mir hilft, auch weiterhin CO2-neutral durch das Bayernland zu rollen.



Was ich im Übrigen morgen nicht tun werde, da bin ich in anderen Dingen mit dem Auto unterwegs, stets hoffend, dass der neue Spiegel hält. Und bei mir die Gewöhnung an seine Übergrösse einsetzt.

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Donnerstag, 9. September 2010

Alte Männer und Kisteninhalte

Sehr guter Text von Don Dahlmann, übrigens. Ich denke, dass es vor allem die ungeliebte Erkenntnis ist, dass Bloggen wie jedes echte Schreiben Zeit braucht, die den Prozess der Blogeinstellung mitunter so schwierig und unangenehm macht. Der Übergang vom langsamen Blog zum schnellen Twitter oder zur "Timeline" ist wie vom Buch zur Morning Show im Radio, und ab und an ahnt mancher, was er da verliert. Anderen ist es egal, weil Schreiben saugt volle Kanne ey.

Hier ist gerade viel los, ohne dass es wirklich interessant und spannend wäre: Mieterwechsel, Familiendinge, Freundschaftliches, gesundheitliche Problembehandlung durch Ignoranz und anderes, das nicht ins Blog gehört. Oder anders, es ist nicht langweilig, es sieht nur so aus. Allerdings ist da noch die anstehende Reise Richtung Italien, die ihre Schatten voraus und mich um 25 Jahre zurück wirft. Denn das Rennen, an dem ich teilzunehmen gedenke, ist zwar für Oldtimer, aber zu meiner bitteren Erkenntnis muss ich sagen, dass diese Oldtimer die Träume meiner Jugend waren. Sprich, wenn die Räder veraltet sind, dann bin ich...



Es ist vielleicht in dieser Hinsicht gar nicht so gut, das alte Zeug immer aufzuheben. Bei den Fahhrädern wurde eines, das erste, einem Bekannten gestohlen, dem ich es dummerweise geliehen hatte. Immer, wenn ich ein hellblaues KTM mit gelber Schrift sehe, zuckt es mich. Ich habe zwei Bianchis verunfallt, und von einem sind die Reste noch im Keller, und vier Räder habe ich an andere weitergegeben, zwei davon fahren noch, zwei andere hängen an Wänden. Der Rest, und es sind mehr als 2, ist noch da. Nur die letzten 10 Jahre fehlen in der Sammlung, aber ich bin ohnehin der Meinung, dass sich seitdem nicht mehr so arg viel getan hat. Bei meinem Saronni für die l'Eroica hatte ich erst den Eindruck, dass es Äonen weg von den anderen Rädern ist, aber erstaunlicherweise lag das vor allem an den originalen und sehr dünnen Reifen.

Inzwischen stellt sich wieder das Gefühl einer Vertrautheit ein, das wenig angenehm ist, wenn man sich überlet, wie alt die Kiste ist, auf der man sitzt. Man kann damit umgehen, weil man es gelernt hat. Heutige Jugendliche wären vermutlich völlig von den schwergängigen Bremsen und den seltsamen Schalthebeln überfordert. Das ist kein Vorteil des Alters, denn diese Maschinen existieren kaum mehr. Auf ein Rennrad aus den 80ern kommen bei Ebay 50 aus den darauffolgenden Jahrzehnten. Man hat eine Geschichte, deren Grundlagen verschwinden.



Inzwischen suche ich immer noch meine alten Rennradschuhe von Detto Pietro. Die sind noch handgenäht aus Leder mit vielen Löchern und Schnürsenkeln, und leider irgendwo in der Garage meiner Eltern verschwunden. Weggeworfen, steht zu befürchten. Und anderweitig in der Art nicht mehr zu beschaffen, ausser bei sündhaft teuren Spezialanbietern, die mit dem Retrotrend gute Geschäfte machen. Was ich allerdings anderweitig und unter anderen Voraussetzungen entdeckt habe, sind meine alten Adidas Merckx, von denen ich auch dachte, dass sie beim Umzug nach Berlin verschwunden sind. Mit denen hat es eine besondere Bewandtnis, wenn man sie mal neben all die todschicken Hipsterturnschuhe hält, wie jene, die Trickers für den Preis von weit über 100 Billigdönernn "in englischer Handarbeit nach alten Mustern" produziert.



Da hat man plötzlich mit einem dreissig Jahre alten Schuh die modernen jungen Leute wieder am Schlawittchen, und vor allem: Die suchen händeringend nach den Originalen, deren potthässliche Neuschöpfungen auch wieder zu bekommen sind. Obwohl damals die Adidas schon doppelt so teuer wie die Detto Pietro waren - 179 DM war 1988 nicht wenig Geld - fand ich die italienischen Schuhe ohne Plastikeinsätze sehr viel besser. Aber wenn es dabei bleiben sollte, und ich mit den Adidasschuhen starten muss, ist es so auch nicht schlimm. Manchmal hat es eben doch seine Vorteile, wenn man alt ist und Kisten voller Zeug hat, das man nicht wegwirft.

Darüber habe ich im Netz noch etwas anderes gefunden, was mich sehr erfreut - dieses Bild von Merckx und anderen Mitte der 80er Jahre (und zum Glück in Schwarzweiss, in Farbe wäre es schlimm): Mir geht es um den Herrn in der Mitte meit dem sagenhaften Leibchen eines Küchenherstellers, und hier wiederum um die wirklich schicken und ansonsten gar nicht so sportüblichen Socken. Als Kind der 80er Jahre habe ich eine enorme Aversion gegen kurze weisse Sportsocken, ich trug immer nur dunkle, lange Socken, und ich werde das auch nicht ändern. Mit dem Bild habe ich ein historisch korrektes Beispiel für diese meine Haltung auch im Sport. Die passenden Socken habe ich, die Trikots kommen hoffentloch morgen, fehlen also nur noch Knickerbocker.

Und ein paar hundert Trainingskilometer, damit ich nicht mehr ganz so alt und gebrechlich daherkomme, und schneller trete, als andere junge Leute in grossen Städten, die sie nie verlassen, im Bus twittern.

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Sonntag, 22. August 2010

Das Benehmen der Dinge

Da stand der Vorschlag im Raum, es doch auch mal mit der digitalen Öffentlichkeit zu probieren. Eine Einkaufsliste in Pfaffenhofen zu schreiben und mit anderen, die ebenfalls ihren Konsum öffentlich machen, zu deren Demütigung veröffentlichen. In etwa so:

1 spätklassisches Relief (Replik)
1 attischer Kouros (0,5 m hoch, Replik)
1 Lithographie nach Joseph Stieler, gerahmt
1 unverschämt rote Lackdose in Kürbisform aus China, ca. 1900
1 englisches Eisenmesser aus Sheffield
1 Buch mit Privateinband
Wunderbare Bettwäsche, an der vor 80 Jahren ein paar Omas lang genäht hatten, damit sie dann auf Niebenutzung im Schrank verschwand.
Alles lächerlich billig.
Kein Silber, kein Porzellan, kein Gemälde, aber nur beinahe keines.
Und dann noch, nach der Heimkehr, eine Spur von Glassteinen die Treppe hoch.



Er bröselt nur so vor sich hin, auch wenn es nicht den Anschein macht, dass etwas daran fehlen würde. Es hängt einfach zu viel dran.

Es ist nämlich so mit den Kronleuchtern. Man braucht nicht nur eine grosse Wohnung mit hohen Decken. Die Wohnung muss auch passen, damit der Kronleuchter nicht alles erschlägt. Je üppiger und irrer der Kronleuchter, desto knalliger muss die Wohnung sein. Und wer wäre ich, dass ich anderen erkläre, wie man in so einen Kronleuchter hineinwächst. So ein echtes Monstrum an der Decke, und schon ist das üppige Barocksofa wieder relativ schlicht, das Parkett braucht dringenst einen Perserteppich, die venezianischen Spiegel werden relativ dezent. Hat man sich an das Gleissen erst mal gewöhnt, vergisst man schnell, dass es auch anders gehen musste, als man mal kein Monster hatte. Aber diese Erkenntnis fehlt vielen, sie wollen sich nicht verändern, und so erklärt es sich, dass der, grob gesagt, drittüppigste Kronleuchter, den ich je gekauft habe, und bei Gott, es waren wirklich viele, in einer Kiste gammelte und von niemanden für ein paar Euro gekauft wurde - bis er dann mich mit seinen 9 Flammen und mehr als 1000 Steinen angesprungen hat. Soweit so ein schweres Trumm springen kann. Vermutlich kann es das nicht, aber plötzlich hatte ich jedenfalls die Kiste in der Hand und schwitzte mein Hemd durch.



Ich suche das nicht. Es sucht mich. Es lauert irgendwo unten und nutzt die Gelegenheit, wenn ich vorbei komme. Sehr undezent, fast schon obszön, dieses Benehmen der Dinge. Platz habe ich dafür natürlich nicht, also habe ich beschlossen, dass es der erste Kronleuchter für meinen Altersruhesitz in Meran ist. Ich denke, mit seiner dreisten Art passt er ganz gut über die Alpen in ein Land mit dickerem Blut.

Aber natürlich kann man damit schlecht angeben: Die nackte Glühbirne an der Decke (russischer Lüster sagt man dazu in Berlin) von Einkäufeinsinternetstellern ist natürlich sehr viel pflegeleichter.

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Montag, 16. August 2010

Ein lang gehegter Wunsch.

Zwei Kleinigkeiten zuerst: Mit Google Streerview ist es so. Die einen widersprechen. Und die anderen. Deren Exkrement Extremisten sich von Einsprüchen oder gar Argumenten oder Recht auf Privatheit in ihrer Lust auf Schnüffeln und Arschkriecherei bei Google belästigt sehen (oder generell denken, dass sie im Internet alles dürfen, nur rausschmeissen darf man sie nicht, wenn sie wie die Raben klauen), und denen die Bedenken anderer Leute egal sind, weil die angeblich eh nicht begreifen, worum es dem digitalen Gesocks geht - die flennen rum und quäken faschistoide Sager, damit auch jeder versteht, wieso man diesem Umfeld jede Möglichkeit zur Schnüffelei nehmen muss. Darauf drei Hinweise.

Einmal bei nnier ein guter Beitrag und eine angenehme Debatte.

Dann dazu auch Mark793, Blogger.de scheint ohnehin ein Treffpunkt der Nerdgötzenverächter zu sein.

Und dann noch ein Beitrag von mir im Print.

Man darf Google und dem Berliner Neonerdzismus nicht das Feld überlassen.



Kommen wir zurück zu Meran und zur anderen Kleinigkeit. Dort ist es ja schon historisch so, dass man drei Dinge tun kann: Gut Essen, auf der Promenade wandeln, und unter den Lauben einkaufen. Man muss sich nicht dumm und konsumwillig fühlen, wenn man dort das ein oder andere mitnimmt, und ich gehe jedesmal zu Frasnelli und kaufe ein Speckmesser. Irgendwer braucht das dann immer. Und während ich mich durch das Angebot schiebe, was sehe ich da?



Ein echter, tatsächlicher, unbestreitbarer Nudelschneider, oben gezackt, unten glatt. Ich hatte ja nach meinem Einkauf eines ähnlichen Trumms in St. Gallen und angesichts der Debatte, ob das nun für gefüllte Nudeln oder Schnittmuster ist, meine Zweifel. Auch nachdem ich den alten Übertrager meiner Grossmutter sah, und der Spitzen und keine Zacken hatte. Wir können dank Frasnelli also festhalten: Selbst wenn das gezackte Rädchen für das Schnittmuster taugt, es ist für die Küche da.

Für meine Frustration ist in Brescia immer ein kleiner Laden da, der nur zur Mille Miglia aufmacht. Dort gibt es dann Replikas von Polohemden der 50er Jahre, von Rennfahreroveralls, Helmen und Handschuhen. Nicht das MM-Merchandising, sondern richtig gute Kopien, nach alten Mustern hergestellt, und - gut, vielleicht nicht absolut zu teuer, aber zu teuer, wenn ich es vergleiche. Ich sehe nicht ein, für Serienschuhe das doppelte im Vergleich zu dem zu zahlen, was ich für meine Wunschschuhe bei meinem Schuster bezahle. Allerdings hat der auch keine Kopien alter Rennfahrerschuhe. Und so leide ich jedesmal ein wenig, wenn ich die weichen Schuhe in Brescia anfasse, das perforierte Innenleder berühre, und mir denke, was für ein Elend, dass ich dann doch relativ sparsam bin. Das Material, die Verarbeitung, der Aufbau, diese Form, gleichzeitig ein wenig klassisch und dennoch sportlich...



Und besonders schlimm sind sie an den Füssen anderer Leute. Aber die Mille Miglia war im Mai, und jetzt ist August. In Meran gibt es keine Akzidenzgeschäfte, nur alte Schuhhäuser. Und in einem, gleich hinter dem Bozener Tor, was sehe ich da? Schuhe wie jene in Brescia. Reduziert. In meiner Grösse aber noch vorhanden. Als wären es die gleichen. Die Verkäuferin holt die Verpackung - es ist die gleiche Firma. Es sind die gleichen Schuhe. Und sie passen so, wie ich das erhofft hatte. Sehr dünne Sohlen, für perfektes Gefühl an den Pedalen. Weich gefüttertes Leder für den ganzen Weg nach Rom und wieder zurück. Und mit den britisch angehauchten Kniestrümpfen ein Haus weiter sind sie auch bergweg- und radltauglich.



Immerhin, es hat 24 Stunden gedauert, bis ich nach dem Grenzübertritt bei Müstair Schuhe in Italien gekauft habe. Die Schuhe, die ich wollte. Und wenn ich nächstes Jahr wieder Fahrer in Brescia sehe, lache ich sie aus - denn der Laden dort nahm doppelt so viel, wie der Originalpreis in Meran betragen hat.

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Donnerstag, 5. August 2010

Fett und Titan

Vor ein paar Tagen habe ich den ersten Fixiefahrer der Stadt gesehen, der auch gefahren ist. Gefahren ist heisst nicht, dass ich ihn fahrend geseehen habe, aber er muss gefahren sein, denn als er da vor meinem Haus lag, muss er zuvor gefahren sein. Die Sache mit der fehlenden Bremse am Hinterrad und mit dem Starrgang ist doch nicht so einfach, wie viele glauben. Aber was tut man nicht alles für einen guten Retrolook. Früher hatten die Leute nicht nur alte Räder, sondern oft auch weniger Zähne im Mund.

Trotzdem ist dieser Trend nicht aufzuhalten, und macht auch vor modernster Technik nicht Halt. Campagnolo hat sich am Hinterrad vor ein paar Jahren von den schweren Doppelgelenkbremsen verabschiedet, und baut jetzt wieder zerklüftete Bremsen, die zu den alten Entwürfen der 7oern mit ihren Ausfräsungen bestens passen könnten. Früher bohrte man Löcher, heute heisst es Skeleton Design. Die Entwicklung verläuft in Kreisen, mag mir scheinen, mal ganz abgesehen davon, dass auch, wie bei mir, Dura Ace Bremsen so gut wie alte Modolos ziehen, wenn der Gummi ein wenig verbraucht ist. Und nachdem ich ohnehin eigentlich Mavicbremsen an meinem Votec passend hzur Schaltung wollte, und die nicht zu bekommen sind, beschaffte ich mir Dia Compe Bremsen. Mit einem klassischen Gelenk in der Mitte. Nachdem auch Mavicbremsen bei Dia Compe hergestellt werden, passt die Optik. Die hier sind allerdings leichter:



Ganze 250 Gramm für vorne und hinten, dank Titan in allen Bolzen und Schrauben. Die alte Dura Ace wog 340 Gramm. So sieht es jetzt ein wenig klassischer aus, ist leichter und nicht mehr ganz so martialisch von der Anmutung her, auch wenn die Bremsen in der Realität runtergehungert und an die Grenzen der Zumutbarkeit entwickelt wurden. Harmlose Äusserlichkeit, aber ein Nichts in Sachen Schwerkraft. Ob sie bremsen? Das sehe ich, wenn besseres Wetter kommt. Schneller macht es das Rad natürlich kaum. Allerdings habe ich mir zur Abhängung anderer Radler noch einen Griff in die Mottenkiste der psychologischen Kriegsführung erlaubt:



Es ist nicht nur ein Retrotrikot, es hat auch viele ungesunde Sachen zum Essen aufgedruckt. Wer immer mich nachfährt, wird Shakes und Hamburger vor sich sehen, Hunger bekommen, an Essen denken, die übersäuerten Muskeln fühlen und demoralisiert, wenn wir an einem Gasthof vorbeikommen. Jetzt Pommes, fett und glänzend... eine ungesunde Brause... eine lappriges Brot mit Fleisch und Mayonaise... was dem Igel der Stachel, ist mir der Stachel im schwachen Fleisch der anderen. So wird Hinterradlutschen zur Qual, fast so, als wäre man als Journalist einem Hoax aufgesessen, was besonders blöd ist, wenn man vorher noch über andere hergezogen ist.

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