Die Rettung des Raben Teil 1

ich verstehe, dass manche mich nicht verstehen: Ein Kilo Erdbeeren kostet draussen im Feld 1,70 Euro, imVergleich zu 4 Euro beim Gemüsehändler. Und ich bin nicht so versessen darauf, dass ich in diesem Sommer mehr als 10 Kilo bräuchte. Macht also 23 Euro Gewinn, wenn wir den Genuss des Selberpflückens und die Auswahl der Schönsten gegen den Zeitverlust rechnen. Dazu kommen noch 10 Kilo Zwetschgen von Wegesrändern im Spätsommer, womit ich - unter gleichen Bedingungen - 30 Euro spare. 40 Euro nun hat der blaue Rabe gekostet, mit dem ich diese Touren unternehmen möchte. Das wären dann 13 Euro Gewinn, wenn ich nicht schon ein paar Räder hätte. Und wäre da nicht die Arbeitszeit, die ich in das praktisch fahruntüchtige Stück deutscher Wirtschaftswundergeschichte stecke. Sagen wir grob: 15 Stunden. Würde ich diese Zeit nehmen und darin kluge Sachen über den grauen Kapitalmarkt schreiben, und einmal Haifische zu einer Gesellschafterversammlung fahren, würde ich auch nach Steuern genug Geld haben, um mich an Erdbeeren und Zwetschgen mit Lieferservice totzufressen. Aber.



Da ist einmal der Arbeitsplatz. Auch das werden manche vielleicht nicht verstehen, aber es ist allein schon befriedigend, hier oben zu sitzen, etwas zu polieren und dabei diesen Ausblick zu haben. Man kann das nicht aufrechnen, das ist so idiotisch wie Blogleser in Tausenderkontaktpreisen zu verhökern. Diese Stunden sind nicht irgendwas, sie stehen für sich selbst, sie sind. Und ich lerne dabei. Ich lerne etwas über Licht am Fahrrad; ein Thema, das bislang immer nur im Zusammenhang mit dem Verb "wegschrauben" auftauchte. Normalerweise halte ich am Rad Gepäckträger, Schutzbleche, Ständer, Licht und überhaupt alles, was nicht direkt dem Fahren, Lenken und Bremsen dient, für überflüssiges Gewicht. Entsprechend puristisch sieht dann auch der restliche, erdbeeruntaugliche Fuhrpark aus. Einen Moment habe ich natürlich auch überlegt, den Raben radikal bis auf die Schutzbleche zu strippen, aber das wäre eine Schande. Statt dessen lasse ich ihn so original wie möglich. Denn jedes Teil erzählt Geschichte.



Wie dieser Bosch-Dynamo. Das fängt schon beim Typenschild an, das auf französisch verkündet: "Importe d´Allemagne". Möglicherweise noch eine Spätfolge der Besatzung Südwestdeutschlands durch die Franzosen nach dem zweiten Weltkrieg; ein West vor dem Germany fehlt noch. Vielleicht kommt auch das Material vom Krieg: Denn der Dynamo ist aus Aluminium, das damals in grossen Mengen zur Verfügung stand. Die Besatzer verschrotteten nicht nur die deutsche Luftwaffe, sondern auch ihre eigenen, im Düsenzeitalter mittlerweise obsolet gewordenen Propellermaschinen. Bosch baute mit seinem RL/WQ2 eine Lichtmaschine für die Ewigkeit: 4 Spulen, 4 Anker, kein einziges Teil, das nicht aus Metall ist, komplett zerlegbar und oben mit einer Schraube versehen, um das Gleitlager - noch so eine Eigenheit des zweiten Weltkriegs, besonders unter Rüstungsminister Albert Speer wurde die Nazi-Wirtschaft angewiesen, möglichst wenig Kugellager zu verwenden, nachdem die Alliierten gezielt die Kugellagerfabriken bombardiert hatten - zu ölen. Der Dynamo ist nicht leicht, aber er ist nach 56 Jahren wie neu und dreht sich vermutlich noch, wenn all die modernen Entsprechungen aus Taiwan mitsamt der daran hängenden Räder schon verschrottet sind. Weil die Konstrukteure in Produktzyklen dachten, die heute mit den jährlich in Modefarben produzierten Rädern unvorstellbar sind. Und daran, dass die Kunden dauerhaft besitzen und nicht nur mit einem billigen Trumm das Recht zum jährlichen Werkstattbesuch leasen wollten. Wer sowas wegmacht, zieht vermutlich auch nach Berlin, testet für Geld Opel Astra, macht sich mit seinem Gestotter für Zoomer und Watchberlin zum Deppen, wirbt für die Büttel chinesischer Mörder, und würde mit dem Bericht über den Kapitalmarkt hudeln, um dann zum pablik viuing zu gehen.

Man kann natürlich so rechnen. Ich nenne es die Rechnung der armen Schweine.

Montag, 9. Juni 2008, 01:49, von donalphons | |comment

 
Bei meiner gestrigen Radtour durch die Heide benutzte ich zwar ein modernes Mountainbike, aber für die Ewigkeit ist da auch Einiges. Halt das Hardcore-Cross-Gefährt. Und zumindest Seventies sind die Räder bei uns im Schuppen auch. Irgendwo steht auch noch ein schwarzes Velo Solex, und ich kann mich noch daran erinnern, dass die französische Polizei mit solchen Gefährten Streife fuhr.

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Ich hoffe, es hat keiner gewagt, die Abendidylle durch schwarzrotgeiles Schlandbrüllen zu stören.

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Doch.

Aber den Schirm, den jemand nach der Grölerei vergessen hat, habe ich dann als Reparation konfisziert. Überhaupt denke ich darüber nach, ob ich nicht Strassenmaut für diverse Brülldeppen erheben soll. Ich bin hoch oben und kann die Strasse komplett bestreichen, wenn ich wollte.

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Irgendwo muss der Begriff 1000-jähriges Reich ja doch stimmen. Und sei es bei den Dynamos.

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Von der Höhe des Rosses
Was ist eigentlich, wenn ein armes Schwein (ersatzweise: ein normaler Mensch) ebenfalls Fahrräder aufarbeitet und zum "public viewing" in seine Stammkneipe geht, wo man bereits auf ihn wartet?

Und was ist wiederum, wenn der Kerl, der sich über 1000 Öcken von Opel gefreut hat, eigentlich ganz okay ist und mit den ganzen Hypemüll - sagen wir mal - maximal nur zur Hälfte was zu tun hat?

Und generell gerfragt: Was ist, wenn das arme Schwein tatsächlich, alles in allem, ein armes Schwein ist, und sich dementsprechend verhält? Wenn es einfach einen anderen Lebensstil hat und andere Interessen, wenn es sich über Kleinigkeiten freut - und das, obwohl es kein Stück schlechter oder amoralischer ist als diejenigen, die mehr oder minder eindeutig keine armen Schweine sind?

Ich frag ja nur.

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Das ist.
Würde ich hier über eine bestimmte Person reden, müsste ich darüber reden, wie es ist, wenn so einer im Privatgespräch erkennbar ironisch kolportierte Dinge in einem Interview als gezielte Lüge weiter verbreitet. Ich müsste darüber reden, dass es jenseits der üblichen Nazis nur vier Leute in der Blogosphäre gibt, mit denen ich mich ganz sicher nicht mehr zeigen würde, und in diesem Fall einfach, weil es jemand ist, der das Maul weder halten kann noch will, und ich gerne rede, ohne dauernd nachdenken zu müssen, was dieser Typ dann demnächst daraus zusammenlügt. Und ich müsste darüber reden, was ich von Feiglingen halte, die mit Twitter so ein grosses Maul auf einer Veranstaltung haben, und nachher betreten in den Boden glotzen, wenn sie an einem vorbei nach Hause gehen.

Oh, bittschön, ich will niemanden davon abhalten, selbst die entsprechenden Erfahrungen zu machen, aber ich weiss, wie Mangel an Charakter aussieht. Zusammen mit komplett blogös zusammengesetzter Bekanntschaft, die von Schnüffelsebas bis zur - aber lassen wir das.

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in der retrospektive wäre aluminum als rohstoff für inneneinrichtungen (das einzige charmante detail in der architektur des reichsluftfahrtministeriums) sicher auch ganz hübsch gewesen - aber man musste ja unbedingt ju's bauen...

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Ich hab auch so ne alte Gurke, die ohne Sorge noch in 350 Jahren daherradeln wird. Dazu allerdings noch ein neues Tourenrad mit Alurahmen, weil die alte Gurke nämlich ob ihrer Unverwüstlichkeit auch gefühlte 100 kg wiegt und deshalb für Ausflüge auf Kandel und Co. nicht taugt (außer zum hochschieben).

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