Der Teufel und das Grübeln

Man kann mit wenigen Worten sehr viel ausdrücken. Nehmen wir nur mal den ersten Satz in "Der Teufel auf den Hügeln" von Cesare Pavese: "Wir waren noch sehr jung." Dieser Satz fängt den gesamten Roman ein, eine Gruppe junger Leute in einer späteren, davon abgehobenen Zeit betrachtet, die eine tiefere Erkenntnis dessen erlaubt, was unwiederbringlich vorbei ist. Und der zweite Satz macht das Geschehen schon sehr viel deutlicher, umreisst ein schnelles Leben ohne Rast und Ruhe: "In jenem Jahr habe ich wohl kaum geschlafen." Die Jugend des 20. Jahrhunderts war in vielen Erlebnissen unabhängig von Land und Dekade, aber es steht in einem Buch, und damit ist auch grob das soziale, unverkennbare Umfeld beschrieben: Die da nicht viel schlafen werden, sind jung, gierig, gebildet, und leben qua Herkunft in einer gewissen Sicherheit.

Man kann diese spezifische Sicherheit kaufen und sich zu eigen machen, indem man das Buch erwirbt, und man wird es kaum bereuhen, wenn man Ähnliches erlebt hat. Wie schon gesagt: Die Orte haben andere Namen, die unerfüllte Sehnsucht, die den Schlaf vertreibt, ist so alt wie die menschliche Dummheit, zu der jede Generation ihr eigenes Schärflein beiträgt. Dieses spezifische Versagen ist vergleichbar mit dem Sturz bei einer Wanderung; glücklich, wer es dabei belässt und den Umstieg auf das Automobil später nicht nutzt, das Unheil in grossem Stil zu perpetuieren. Mitunter jedoch geraten auch Unschuldige unter die Räder, und gerade eben macht es den Eindruck, als wäre Bulldozer ausser Kontrolle, der dem Phänomen "Mittelschicht", wie wir es kennen, mit einer handfesten globalen Krise den Garaus machte. Und da hilft dann auch Cesare Pavese nur für ein paar Stunden beim Vergessen.



Das Problem in diesen Zeiten ist, dass Regeln ihre Gültigkeit verlieren. "Die Torheiten der Armen darfst du begehen, die der Reichen dagegen niemals", gibt der Vater des Erzählers seinem Sprössling mit auf den Weg durch die eben jene reichen Kreise erreichenden Wirrnisse. Das kleine Problem jedoch ist, dass die Torheiten der Armen keinen Markt haben. Wer sein Geld bei 9live vertut, Benzin durch eine zu grosse Karre pumpt, um Fluppen zu holen oder meint, dass billigstes Essen in grossen Mengen mittelfristig folgenlos bleibt, zahlt allenfalls damit, in unerfreulichen Lebensumständen zu verharren, die in der Krise kaum besser werden. Die Torheiten der Reichen dagegen, der Luxus, die Verschwendung, das Überflüssige, sie alle manifestieren sich in Gütern, die stets wiederum andere Reiche ansprechen werden, die auch so sein wollen. Die Torheiten der Armen lassen nichts zurück, die Torheiten der Reichen dagegen ziehen auch nach Jahrhunderten den Neid und die Gier des Publikums an - wer es nicht glaubt, besichtige einfach mal einen italienischen Palast, eine Kuriositätenkabinett oder eine Bildergalerie. Man sieht es den Relikten nicht an, wer sich dafür wie ruiniert hat; heute jedoch ist man ihm dankbar für dieses Treiben.

Es steht ausser Frage, dass Silber eigentlich wertlos ist; ein in grossen Mengen vorhandenes Metall, das viel Reinigung verlangt; dass es trotzdem teuer ist und die Arbeit an ihm als Kunst gewertet wird, was Eisenschmieden und Zinngiessern so nicht zugestanden wird, verdeutlicht noch die Torheit, mit der sich diese unsere Welt dem Material zugesteht, abgesegnet durch den Kurs unserer unfehlbaren - es sei denn, sie versagen - Börsen. Um es zu erwerben, behelfe man sich folgender Torheit; man kaufe das Material nicht als Barren oder Münzen, sondern so, dass man es nebenbei täglich verwenden kann; das ist dann die Rendite, der Anschein eines guten Lebens, selbst wenn draussen die Welt in Schutt und Asche fällt. Auch kann der Gedanke "Aber ich habe ja noch" sehr hilfreich gegen Panik sein, und weil nicht jeder so denkt - oder vielleicht gar schon zum Verkauf gezwungen ist, wie der Besitzer der Salzstreuer in den USA wohl war - findet sich mitunter auch die feine Gelegenheit, das alles, durchschnittlich gerechnet, zum Materialpreis zu erwerben.

Töricht? Aber sicher. Selbstbetrug? Auch. Lauter Dinge, von denen Anleger in Aktien zwecks Altersvorsorge dachten, dass sie nie davon betroffen sein könnten. Kein Analystenbericht klang je so irrational, wie Silber tatsächlich ist. Glücklicherwweise ist sich die Welt in dieser Irrationalität einig, wohinggegen Aktien mitunter doch auf Vernunft in Form von Kursziel Null treffen. Warum moderiert eigentlich der Laberkopf noch bei den öffentlich-rechtlichen Zwangsanstalten, der sein Gesicht für den Börsengang von Air Berlin hergab?

Dienstag, 29. Juli 2008, 01:14, von donalphons | |comment