Chinesische Selbstkritikaster

Was ich mich ja bei Facebook so generell frage: Warum ist man da überhaupt drin. Schon Blogs können ein elender Zeitfresser sein, aber da habe ich wenigstens den Eindruck, etwas Sinnvolles zu betreiben: Plauderei, Amusement, Aufklärung, Kritik an den herrschenden Zuständen, Tagebuch, Erinnerung an das eigene Leben, Verortung in der Zeit. Facebook? Da gibt es keine Substanz. Nur Grundrauschen. Was ich an Facebokk immer ganz grauslig fand: Da gibt sich einfach keiner Mühe. Da hängt man so ab. Und natürlich produziert man da den Müll, den die Werbung braucht.



Ich bin etwas erstaunt über die Gesten einiger erwachsener (!) Männer, die erst jetzt Facebook meinen den Rücken kehren zu wollen. Das trägt nicht wirklich zu meiner Vorstellung des Internets als Ort der Freiheit bei, wenn da irgendwelche peinliche Viertelcharaktere jetzt qualvolle Stunden haben, die Mauern des Facebook-Knastes zu überwinden, weil nett war es schon, Dann, liebe Leute, sucht Euch halt eine andere Beschäftigung. Geht radeln. Oder in ein Cafe. Schaut Eich mal wieder eine Kirche von innen an. Ihr versäumt da in Facebook gar nichts. Wenn Facebook die volle Banalität sinloser Suchtexistenzen wie Eure Person abbilden will, ist Facebook zuerst mal geschmacklos und zudem sinnlos. Schaltet das Ding 2 Wochen aus und nach dieser Zeit wird da nichts anderes sein, als sonst auch ist.



Mir ist schon bewusst, auch bei Blogs sieht man das deutlich, dass das Leben solcher Leute irgendwie zerfasert. Vielleicht verstärkt das Internet diese ohnehin vorhandene Lebensnichtigkeit, vielleicht fördert das Daueronlinesein die Trennung von der Realität: Es gibt da keine echten Monatsbeschreibungen, Jahreszeiten und Tagesbeschreibungen mehr. Ich kenne nur sehr wenige Blogs, die wirklich vom Jahr und den Entwicklungen erzählen. Das meiste ist Netzbrei, und der findet ja auch bei einigen sein reinschaufelndes Publikum, und andere versuchen es halt, weil sie sonst nichts zu sagen haben. Sagenhaft flache, indolente Charaktere kommen da raus, kein Wunder, dass die Werber scharf darauf sind, das passt sicher super in Berechnungen, und vermutlich klickt das Abziehbild sogar darauf, wo es klicken soll.



Das alles führt mich zu der leicht verbitterten Frage, was Leben im Netz überhapt sein soll und sein kann. Ich lese gern andere Meinungen, ich rede gerne, ich verdiene hier mein Geld, und gerne trage ich viel Leben, viel Selbsterlebtes hier herein. Ich passe aber schon auf, dass darüber mehrer Filter liegen, ein literarischer Filter, ein konsumkritischer Filter, ein ironischer Filter und dann noch einer, von dem ich hoffe, dass er mich nicht allzu sympathisch erscheinen lässt und mit Stalker erspart (Letzteres mache ich bei der FAZ weniger und prompt gab es da Probleme). Ganz offensichtlich ist das aber nur eine Minderheitenposition, der Rest macht das, was alle machen. Oder kapiert erst, wie doof das ist, wenn Facebook konsequent das umsetzt, was sie schon immer gewesen sind. Das Arschgeigenorchester, das jüngst bei den Äusserungen der Verbraucherschutzministerin und der Datenschützer noch aufspielte, sollte bittschön jetzt die eigenen Instrumente auffressen, da sie plötzlich so gar keinen Ton mehr rauskriegen. Frau Aigner hat mehr Ahnung von diesem Internet als die ganze Bande, so schaut's aus.



Dass Facebook so ist: Mei. Man kann das Facebook nicht vorwerfen, denn Facebook konnte genau so werden, gerade weil die "Vordenker" der Netzdeppen laufend sagten: Facebook hat schon recht. Man schleimte diese Typen an, man machte Facebook den Weg frei, man redete Medien ein, dass sie Facebook füttern sollten: Aus Sicht von Facebook gibt es gar keinen Grund, anders zu sein. Hat man nicht Obama die Wahlen gewonnen? Konnten abgefuckte Münchner Medienberater damit in Niederbayern nicht auftrumpfen? Haben nicht Blogger extra ihre Facebookgruppen eingerichtet? Facebook ist mit jedem "Mehr" und mit jedem Feature grösser geworden. Bei uns laufen Idioten der Datenschutzkritik frei rum und predigen die Borghaftigkeit als Erweiterung des Selbst. Der Dreck stand in der FAZ und der Zeit, im Spiegel und bei der Bild. So nutzen Sie Facebook für den persönlichen Erfolg, sagt man den Managern. Facebook nimmt das halt mit. So wie Hitler halt auch nicht bei der Parade in Nürnberg den Massen sagte, aber bitte, das Heilrufen, das wäre doch gar nicht nötig.



Facebook ist so gesehen auch nicht böser oder schlechter als seine Nutzer. Es ist ein Programm, das es ihnen erlaubt, das sinnlose Grundrauschen ihrer Nullexistenz in eine Form zu packen, die mit anderen Nullexistenzen vernetzbar ist. Facebook macht das so gut, dass alles ausserhalb gar nicht mehr so wichtig ist, ja vielleicht sogar auf die eigene Hohlheit hinweisen und die Überhöhung des Vakuums kritisieren könnte. Facebook erfüllt die Wünsche nach Allesreinpacken nur noch ein wenig mehr, und möchte dafür mehr Geld sehen. Und sicher: Die Werbeindustrie kommt ganz zum Schluss und macht diese Nichtse zu bedeutenden Kunden. Das ist dann die Krönung. Für die einen. Und jetzt endlich mal nicht so doll. Für andere.

Bleibt mal lieber dort. Da passt ihr gut rein, da seid ihr aufgeräumt, da gehört ihr hin, das ist schon eure Peergroup.

Mittwoch, 28. September 2011, 01:56, von donalphons | |comment

 
Yeah!!! Trocken in den *rsch!

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Ich hätte das auch bei der FAZ bringen können, aber nachdem da schon der Mallegolfprollbewerber Jakubetz sein erbärmliches Winselblog füllt, indem er thematisch bei Deus Ex Machina in die Seite fährt (und zu dem guten Beitrag von Frank Rieger zum Thema auch noch mal nachjaulen muss, und sowas will Berater sein...), dachte ich nir, das mache ich lieber hier, und dann gleich gscheid.

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So ganz habe ich das Blog nicht verstanden. Aber ich gehöre auch nichtmehr zur Generation 40+, sofern er damit die 40 bis 50 Jährigen meint.

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Bin mit dem thematischen Querschuss
der golfenden Herrentorte auch nicht so glücklich, werde mir für morgen also was anderes einfallen lassen.

Wobei ich auch sagen muss: Ich bin bei FB unter Verstoß gegen die Klarnamenspolicy im Sinne einer teilnehmenden Beobachtung registriert, like nicht wild die Marken- und Medienwelten rauf und runter, sondern pflege da halt paar private und semiberufliche Kontakte, was man auch anders bewerkstelligen könnte. Ich bin dort also eher homöopathisch dosiert unterwegs, aber wie ich bei Olaf von offtherecord schrieb, werde ich es allmählich auch müde, immer wieder neue Tentakel mit Datensaugnäpfen abzuwehren. Ich kann das entweder auf dem jetzigen Level schleifen lassen oder halt mit großer Geste den Stecker ziehen. Muss man mal sehen. Solange dieses Timeline-Gedöns nicht per default aktiv wird, neige ich eher zur Karteileichen-Option.

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Ich schreibe vielleicht einen Beitrag über "10 wirklich idiotische Fehler beim Profibloggen, die Sie mit ein klein wenig Ahnung, Engagement und unter Vermeidung einer unschönen Abkassierhaltung umgehen können sollten, wenn Sie schon anderen erzählen möchten, wie das mit dem Internet geht. "

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Verstehe die Aufregung, die in diesem Rant steckt, nicht so ganz. Es ist mit Facebook wie mit einer Kettensäge: Wenn ich weiß, was droht, halte ich sie richtig rum und schneide Äste ab. Auch die Kettensäge an sich ist nicht böse, nur derjenige, der sie für ein Massaker nutzt.

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@rainer:
Sehe ich im Prinzip auch so. Ich liefere dieser Datenkrake nur soviel Futter, wie ich es für mein Wohlbefinden vertreten kann. Und dennoch, dass dieses Mistvieh so unersättlich ist, nervt mich mit der Zeit zunehmend.

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@mark793: Wie so oft liegt die Kunst in der Beschränkung (und in der Lüge). Unter meinen FB-"Freunden" sind ausschließlich Leute, die ich im wirklichen Leben kenne und mit denen ich auch mehr oder weniger regelmäßig im wirklichen Leben kommunziere. Ich berichte auf FB NIE darüber, was ich gerade tue oder wo ich gerade bin. Aktiv poste ich höchstens Links auf interessante Dinge. Außerdem kommentiere ich, wenn dabei eine sinnvolle Diskussion entsteht.
Außerdem habe ich einen zweiten Account mit Hunderten "Freunden", mit dem ich nur lausche.
Und einen dritten, über den ich Seiten betreibe.
Und einen vierten...
Und einen fünften...
...

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@rainer:
Mehrere Accounts zu pflegen, puh, das wäre mir zu aufwendig. Zumal es womöglich, wenn Du nicht Rechner und Einwahlknoten änderst, eh dauerhaft kein Geheimnis bleiben dürfte. So wie es ist, gehts für mich grad noch in Ordnung. Sollte ich gekickt werden wegen der Namensfrage, dann ab dafür. Und wird der Voll-Striptease Pflichtprogramm, dann hasta la vista, Zuckerhäufchen.

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Ich glaube, das große "Geheimnis" bei der ganzen Fratzenbuch-Sache ist, dass die, die noch nicht dabei sind, meinen, etwas zu verpassen. Entweder man ist "drin" oder nicht. Die nicht drin sind sollen möglichst das Gefühl haben, nicht zum Club zu gehören - was schon dadurch sichergestellt wird, dass der Zugang ohne Anmeldung nicht möglich ist. Was mag da wohl geheimnisvolles hinter den Wänden von facebook vor sich gehen? Worüber reden die alle? Muss ja toll sein...

Entweder ist man von sich aus der Typ, der von solcherlei Herdentrieben unbeeinflusst ist - dann interessiert's ohnehin nicht. Oder man registriert sich. Der Preis des Dazugehörens ist die Preisgabe der Anonymität und Privatsphäre. Was soll man auch damit, schließlich geht es ja im Endeffekt darum, sich nackt zu machen und der ganzen Welt zu zeigen, wer man ist, was man gerade so macht und was man mag.

Mich persönlich interessiert es nicht die Bohne, Bloglesen und Blogschreiben reicht mir vollkommen. Und auch da gibt es eine Menge unlesenswerten Mist, wie Sie richtig bemerken.

Lustig wird's, wenn die Facebookeritis überschwappt. Ich habe eine Arbeitskollegin, die ungefragt immer dem gesamten Laden per firmeninterner Notiz mitteilt, wie es ihr gerade geht, wie es ihrer Tochter gerade geht, wann sie shoppen geht, wann sie umzieht, wie sie sich im neuen Haus fühlt, was ihre Mama macht, was ihr Mann macht, wann sie weswegen zum Arzt geht... Das ist schon lästig genug, wenn man von einer einzelnen Person solche Randnotizen lesen muss. Da muss ich mich nicht auch noch bei Fratzenbuch registrieren und mir die "Ich geh jetzt mal zum Klo"-Nachrichten angeblicher Freunde antun.

Eines stimmt. Die "Community" kriegt das System, das ihr entspricht. Diese Welt ist in der Tat eine einzige Peer-Group. Ein wenig wirkt's, als weigere man sich kollektiv, erwachsen zu werden. Wahrscheinlich ist es auch so.

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Das heißt "aufs Klo".
Und ich bin ganz froh über die paar Deppen, die in meiner Peer group sind.
Allerdings wird das Rauschen im Moment wirklich zu stark.
Trotzdem schade Don, dann werden wir also keine Freunde.

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"Ich glaube, das große "Geheimnis" bei der ganzen Fratzenbuch-Sache ist, dass die, die noch nicht dabei sind, meinen, etwas zu verpassen."

Und wissen Sie, was dann passiert, wenn diese Leute endlich doch mal die Muße gefunden haben sich mit Facebook zu beschäftigen? Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und ein an die ersten Stunden Beschäftigung nahtlos ansetzendes Verfallen des eigenen Profils, weil man nach dem ersten Absurfen der ganzen Bekanntschaft nicht mehr weiß, was man da überhaupt tun soll.

Wer Facebook nicht nutzt, der braucht es auch nicht. Wer Facebook nutzt, weil er Kontakt zu seiner in aller Welt verstreuten Familie oder Bekanntschaft aufrechthalten möchte, der nutzt das bloß als Kommunikationssoftware, weil diese Software eben einen konkreten Zweck erfüllt.

Wenn man Facebook nicht als Selbstzweck betrachtet, wie das die vom Hausherrn so oft gescholtenen "Social Media Fritzen" gerne tun, sondern nur als Werkzeug, welches konkret eine Aufgabe erfüllt, dann ist Facebook (oder andere Software dieser Art) auch kein Problem.

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Lassen wir all die Deppen doch unter sich, bei diesem Facebook-Verein, es hilft: man weiß dann gleich, wes Geistes Kind jemand ist.
Wenn diese Leute Facebook nun den Rücken kehren, ist es ja für unsereins - der nie dort war - gar nicht mehr so lustig & befriedigend, deutlich zu zeigen, was man von FB hält, ...weil jeder Depp nun sowieso gegen FB ist.

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Sicher, jeder kann und soll tun, was ihm Spass macht - mir geht es aber um jene, die das erst gefördert haben und jetzt plötzlich Angst kriegen. Es hat sich ja nichts geändert, nur die Schrauben wurden eine Runde mehr angezogen.

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Wobei mir persönlich
eine späte Einsicht immer noch lieber ist als stures Beharren auf der einmal eingeschlagenen Linie.

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etwas O.T., aber mir gerade beim Aufruf der website der Grünen passiert:

"Ihr Besuch dieser Website wird aktuell von der Piwik Webanalyse erfasst.

Wir wollen unser Internetangebot besser auf die Bedürfnisse unserer Leserinnen und Leser ausrichten. Um dies zu erreichen erheben wir anonymisierte Daten über Ihren Besuch unserer Website. In Ihrem Browser wurde ein eindeutiger Webanalyse-Cookie abgelegt. Ihre Besuchsdaten analysieren wir mit Hilfe der Software Piwik. "

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@kreuzbube:
Frag mal Dirk Olbertz, was Piwik kann

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Lustig war das angebliche opt-out. Denn jedesmal bei Besuch einer dortigen Seite sprang der Hinweis trotz "Deaktivierung" wieder auf: Sie werden erfasst. Für mich zweitrangig, was die erfassen, aber offenkundig will man Besucher sofort vertreiben.

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Facebook ist gerade dabei sich selbst aus dem Markt zu nehmen. Die halbwegs vernünftigen Leute werden das Weite suchen, wenn Zuckerbergs Alldatenallzeit-Phantasmorgasmen umgesetzt werden (man soll dann die eigenen Daten in der Timeline nicht mehr löschen können).

Ohnehin besteht der Rest der Nutzer aus 90 % Karteileichen mit monatelang inaktivem Account.

Wer dafür Milliarden ausgibt, muss ein kompletter Vollpfosten sein. AOL lässt grüssen.

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Dem stimme ich zu (dem Vollpfosten). Ich bin da ja auch drin, aber ich habe eben genau das - einen Account, und sonst nichts. Für dieses ganze andere Getue und Mitgeteile habe ich auch schlicht keine Zeit.
Wer Facebook als schlichtes Telefonbuch sieht, der ist da m.E. ganz gut aufgehoben. Die Nachrichtenfunktion reicht, um echte Mailadressen auszutauschen, und gut ist.
Aber sowas ist keine Milliarden wert. Sind die Telefonbuchverlage der "gelben Seiten" oder "amtlichen Fernsprechverzeichnisse" auch nicht.

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witzig, dass du die gelben Seiten erwähnst - die waren nämlich mal Milliarden wert. Und das ist noch keine 10 Jahre her. Für Historiker: Mal nach "Yell Group" High Yield Bonds in 2002 suchen.

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Naja, ich würde nicht drauf wetten, im Gegenteil.
Irgendein Irrer wird zum gegebenen Zeitpunkt schon das Bedürfnis verspüren, so'n paar Milliarden zu verbrennen, siehe skype, myspace etc.

Niemand kann sagen, was *genau* dann alles über den Tisch geht, neben hunderttausenden veralteten Datensätzen, und was dann wie und wo und womit abgeglichen und synchronisiert werden kann.

Und, mit Verlaub, einen frei flottierenden Datenzucker-Berg dieser Größenordnung mit einem Telephon-Buch zu vergleichen, find ich doch 'ne Kante zu naiv.

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PS: Sind Sie noch auf Google+, Herr Don?

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bei Facebook zeigt sich ganz deutlich:
die Methoden gewinnen die Oberhand über die Inhalte,
die "hochintelligenten" Übertragungschannels werden zur
Kanalisation des Klärschlamms, den sie transportieren.
Dann noch diese neue "Lebens-Archivfunktion".
Was viele nicht wahrhaben wollen: Vergänglichkeit kann eine Gnade sein.

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Und nun zurück zu something completele different: was ist eigentlich das Rote Dings + Anhang in dem ersten Foto oben?

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Ein Kardinalshut. Die hängen in Italien oft über den Grabkapellen von diesen Leuten.

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Danke.

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Aber wohl nur die Sparversion. Viel zu wenig Troddeln.

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Das ist in Parma - ich vermute, die Paramentensammlung hat da eingegriffen. In Bergamo hängt dagegen noch ein voll getroddeltes Exemplar. Mitunter hat man aber auch welche aus Holz aufgehängt, in Ferrara zum Beispiel.

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