Die Wespe und die Globalisierung des Niedergangs
Unter irgendeinem schlecht gehüteten Dach hat sich die Wespe im Nest verkrochen und wartet schlafend darauf, dass die letzte Kältewelle vorübergeht. Im grauen Papier verborgen, schläft sie und träumt vom Frühling, von der warmen Luft, durch die sie gelbschwarz sausen wird, durch die engen Gassen der Altstadt, hinauf zu den Dächern und dann zur Dachterasse, wo der Mensch seine Köstlichkeiten abgestellt hat, die nur auf den Tiefflugangriff der Wespe warten. Sie wird elegant dem gewedelten Halblederband ausweichen, und sich hineinstürzen in den Käse, das Brot, die Tomaten oder den Salat. Träumt sie.
So bekommt sie natürlich nichts mit von der Globalisierung und ihren Folgen und Zufällen. Um es kurz zu machen: Die Wespe muss sich ein anderes Fressen beschaffen, auf meiner Dachterasse wird nichts zu holen sein. Warum? Weil die amerikanischen Immobilienpreise an der Ostküste bei New York auf Rekordniveau sind. Die Immobilienpreise befeuern die Wirtschaft - einerseits. Andererseits bedeutet das für alle Nichtbesitzer, dass sie mit steigenden Mieten rechnen müssen. Oder umgekehrt: Wenn sie nicht mehr für Mieten oder den Kauf ausgeben können, müssen sie eben kleinere Wohnungen nehmen.
Kleinere Wohnungen bedeuten einen klaren Bruch in der Tradition der Mittelklasse in Neuengland. Bislang wuchs der Wohnraum stetig an, jetzt ist plötzlich Schluss damit. Der Raum muss ökonomisch genutzt werden, obwohl mit immer grösseren Fernsehern und vielen technischen Geräten der Platz weniger wird. Und dann erben sie auch noch das alte Zeug ihrer Verwandten. Darunter ist die verschwenderische Fülle der silver plated Hollowware, des versilberten Tischzierats, der nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 70er Jahre eines der wichtigsten Mittel zur Repräsentation des Familienvermögens war. Angepasst an englische Vorbilder, aber viel grösser und üppiger, stapelten sich glänzende Terrinen, Warmhalter und Tabletts in Küchen, die man heute in Zeiten der Mikrowelle kaum mehr nutzt.
Und so kommt es, dass in Amerika die Mittel zur Repräsentation nicht mehr geschätzt werden, und im Überfluss vorhanden sind. Bei den Auktionen in Swedesboro/New Jersey gehen die Stücke, die Erben eingeliefert haben, nicht mal mehr zum Limit weg, und so wird der Stolz des Mittelstandes in Neuengland billigst in Kisten verpackt und nach Europa geschickt, wo man es noch unter die Leute bringen kann, und landet dort im Spätwinter auf einem Flohmarkt in Pfaffenhofen.
Schalen, Anrichten, Kerzenhalter, Saucieren, Preise für Golfturniere, Tabletts, Warmhalter, Brotkörbe und Butterdosen, grosse Namen wie Towle, Oneida, F. M. Rogers, Sheridan, Lunt Silversmiths, WM Rogers und E. & J. Bass, übereinandergeworfen, teils noch in Kisten, auseinandergerissen und durchwühlt und doch liegen gelassen. Hier, im letzten Schneegestöber des Jahres, endet die Odyssee des globalisierten Niedergangs der Bürgerlichkeit. Denn an dieser Stelle betrete ich die Bühne, und obwohl ich auch keinen Platz mehr habe, fällt mir beim Betrachten der diversen Sevierschalen mit ihren Deckeln ein, dass es trotz allem Sommer werden wird, und beim Essen auf der Dachterasse diese Stücke ganz vorzügliche Dienste erweisen könnten - gegen Auskühlen der Speisen, und gegen Insekten. Aussuchen, verhandeln und den lachhaft niedrigen Preis bezahlen sind eins, das Putzen hingegen nimmt den halben Nachmittag in Anspruch.
Und so endet, was mit der Immobilienblase in den USA beginnt, mit einem bösen Erwachen der Wespe. Und vielleicht auch derer, die bald vor wertlosen Immobilien sitzen, in einem Haufen veralteter Gadgets, und ohne irgendeinen Gegenstand, der seinen Wert durch die Jahrhunderte hält.
So bekommt sie natürlich nichts mit von der Globalisierung und ihren Folgen und Zufällen. Um es kurz zu machen: Die Wespe muss sich ein anderes Fressen beschaffen, auf meiner Dachterasse wird nichts zu holen sein. Warum? Weil die amerikanischen Immobilienpreise an der Ostküste bei New York auf Rekordniveau sind. Die Immobilienpreise befeuern die Wirtschaft - einerseits. Andererseits bedeutet das für alle Nichtbesitzer, dass sie mit steigenden Mieten rechnen müssen. Oder umgekehrt: Wenn sie nicht mehr für Mieten oder den Kauf ausgeben können, müssen sie eben kleinere Wohnungen nehmen.
Kleinere Wohnungen bedeuten einen klaren Bruch in der Tradition der Mittelklasse in Neuengland. Bislang wuchs der Wohnraum stetig an, jetzt ist plötzlich Schluss damit. Der Raum muss ökonomisch genutzt werden, obwohl mit immer grösseren Fernsehern und vielen technischen Geräten der Platz weniger wird. Und dann erben sie auch noch das alte Zeug ihrer Verwandten. Darunter ist die verschwenderische Fülle der silver plated Hollowware, des versilberten Tischzierats, der nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 70er Jahre eines der wichtigsten Mittel zur Repräsentation des Familienvermögens war. Angepasst an englische Vorbilder, aber viel grösser und üppiger, stapelten sich glänzende Terrinen, Warmhalter und Tabletts in Küchen, die man heute in Zeiten der Mikrowelle kaum mehr nutzt.
Und so kommt es, dass in Amerika die Mittel zur Repräsentation nicht mehr geschätzt werden, und im Überfluss vorhanden sind. Bei den Auktionen in Swedesboro/New Jersey gehen die Stücke, die Erben eingeliefert haben, nicht mal mehr zum Limit weg, und so wird der Stolz des Mittelstandes in Neuengland billigst in Kisten verpackt und nach Europa geschickt, wo man es noch unter die Leute bringen kann, und landet dort im Spätwinter auf einem Flohmarkt in Pfaffenhofen.
Schalen, Anrichten, Kerzenhalter, Saucieren, Preise für Golfturniere, Tabletts, Warmhalter, Brotkörbe und Butterdosen, grosse Namen wie Towle, Oneida, F. M. Rogers, Sheridan, Lunt Silversmiths, WM Rogers und E. & J. Bass, übereinandergeworfen, teils noch in Kisten, auseinandergerissen und durchwühlt und doch liegen gelassen. Hier, im letzten Schneegestöber des Jahres, endet die Odyssee des globalisierten Niedergangs der Bürgerlichkeit. Denn an dieser Stelle betrete ich die Bühne, und obwohl ich auch keinen Platz mehr habe, fällt mir beim Betrachten der diversen Sevierschalen mit ihren Deckeln ein, dass es trotz allem Sommer werden wird, und beim Essen auf der Dachterasse diese Stücke ganz vorzügliche Dienste erweisen könnten - gegen Auskühlen der Speisen, und gegen Insekten. Aussuchen, verhandeln und den lachhaft niedrigen Preis bezahlen sind eins, das Putzen hingegen nimmt den halben Nachmittag in Anspruch.
Und so endet, was mit der Immobilienblase in den USA beginnt, mit einem bösen Erwachen der Wespe. Und vielleicht auch derer, die bald vor wertlosen Immobilien sitzen, in einem Haufen veralteter Gadgets, und ohne irgendeinen Gegenstand, der seinen Wert durch die Jahrhunderte hält.
donalphons, 23:16h
Sonntag, 26. Februar 2006, 23:16, von donalphons |
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strappato,
Montag, 27. Februar 2006, 06:41
Irgendwie erschütternd.
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donalphons,
Montag, 27. Februar 2006, 10:03
Oh ja, keine Frage. Zumal wir, wenn wir über Neuengland reden, gewissermassen das beste Stück des Landes betrachten. Selbst wenn man noch die Faulheit, die Unlust beim Silberputzen und den Überfluss hinzu nimmt, ist der Anblick dieser riesigen Kisten voller Silver Plate ganz schön ernüchternd. Jedes Objekt erzählt eine Geschichte. Jedes zweite Stück trägt ein verschnörkeltes Monogramm, schreit also Familientradition. Da werden nicht nur haushalte, sondern auch komplette Wertvorstellungen aufgelöst.
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donalphons,
Montag, 27. Februar 2006, 10:23
(wenn man so will, ist es unabsichtlich ein inoffizieller Nicht-Beitrag zu einem Wettbewerb, der drüben bei den Puppen und ihrem amerikanischer Rechtsextremistenpöbel zum Thema deutsch-amerikanische Verhältnisse läuft)
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