: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 4. Februar 2006

Fragebogen nochmal

Schon mal ein kleiner Hinweis: Am Montag bin ich dran mit dem fragen - wäre schön, wenn Ihr Euch dann beteiligen könntet. Non Commercial, Science only.

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Vom Ende des Bürgertums

Der November des Jahres 2002 war in New York nicht schön. Mein Projekt war im Schlingern, an der Spitze gab es radikale Veränderungen, aber immerhin, ich war wieder an Bord. Wie es nun mal so ist, wenn man nicht alles akzeptiert. Mal ist man draussen, dann geht der andere und man ist zwei Stufen höher wieder drinnen, und hat was über Menschen gelernt. Nächtelang gab es Debatten um Ziele und Ausrichtungen, und sie erzählten mir, wie kalt, wie hässlich kalt diese Stadt gerade war.



Um die Ecke, nicht weit weg davon und damals bei all dem Trubel von uns unbemerkt, ging bei Sothebys der Besitz einer Familie über die Rampe, die früher mal das war, was man bessere Gesellschaft nannte. Upper Class, High Society, die oberen 10.000. Die Familien, die sich in Newport, vor den Toren Manhattans eine Villa, oder auch einen Palast leisten konnten. Familien wie die Astors, zum Beispiel, die sich im Laufe der Jahre immer mehr verzweigten, durch Mesalliancen geschwächt wurden und langsam irgendwann, Ast für Ast, ausstarben, wenn die letzte Mrs. ihren namensgebenden Gatten letztendlich dreissig Jahre später an einen Ort nachgefolgt war, an dem der Legende zufolge die Normen und Statuten Neuenglands keine Rolle mehr spielen.

Aber auch im Diesseits löst sich vieles schon auf; der Elan des frühindustriellen Geldadels an der Ostküste vererbt sich nicht oft an die nächste Generation weiter, und am Ende der Entwicklungen stehen dann Kleinfamilien, in denen die Frau ihren guten Namen für ein Modemagazin hergibt und der Mann seine Lebensaufgabe darin sieht, einer Sportart ein neues Regelwerk zu verleihen. Die Autoren der Sotheby-Kataloge haben dann alle Probleme, die Vitae so zu gestalten, dass sie sich dennoch erfolgreich lesen, obwohl der Katalog als solcher schon belegt, dass hier etwas unwiderruflich zu Ende gegangen ist.

Immerhin, obwohl Sotheby mit diesem Niedergang, den Dead Ends der Familiengeschichten schon immer sein Geld verdient hat, ist das Haus inzwischen doch so freundlich, in den Katalogen das Interieur mit abzubilden, aus dem die Properties stammen, für die sich keiner der weit entfernten Erben oder die gemeinnützige Stitung, die alles erhält, erwärmen konnte. Und so sind die in Deutschland bei Prestel gedruckten Hefte das letzte Relikt einer opulenten, selbstgewissen Epoche, die in den Gates und Trumps vielleicht ihre Nachfolger, aber sicher nicht ihre Erben hat. Vielleicht bedauert man bei Sotheby diesen Umstand und fügt Bilder aus dem Leben derer ein, deren Besitz zerschlagen und in alle Winde zerstreut wird; im Wissen, dass es nie wieder diese linkischer älteren Herren mit ihren Vorturteil gewordenen Frauen geben wird, zumindest nicht so in der Sachkultur verhaftet und in Traditionen stehend, die nicht gut und nicht schlecht, sondern jenseits aller für sie akzeptablen Debatten waren.

Zwei Tage hat es im November 2002 gedauert, dann war all das Silber, die obskur aus allen Epochen zusammengestellten und nachgemachten Möbel, das Reisegepäck und die Bilder aus der verschlafenen Villa am Meer in neue Hände übergegangen, zur Freude des Auktionators und zum Untergang einer Bürgerlichkeit, die sich schon lange überlebt hat und jetzt nur noch in den Monogrammen im Silber und den Insignien auf alten Koffern fortlebt. Und natürlich in einem Katalog, der das selbstverständliche Streben nach Besitz in unsere Resopal-Epoche trägt, in der Hoffnung vielleicht, jemand möchte ihn erhalten und vielleicht einer Bekannten schenken, die dem Elternhaus mit Einliegerwohnung entgehen und sich irgendwo in der Stadt jenseits von Ikea und Roset einrichten will. Doch ob es dann wiederum vier, fünf Generationen dauern wird, bis der Auktionator kommt, darf bezweifelt werden - es sei denn, eine Nichte träumt im Haus der Tante davon, einst genauso zwischen Kristallen, glattem Holz und üppigen Stoffen zu leben.

Wir werden sehen. Vielleicht bei den Nichten, wenn unsere Neffen was mit deren Töchtern angestellt haben, und wenn nicht - dann in neuen Katalogen.

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