: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 10. Februar 2006

Und wenn die Hölle zufriert

so ist doch gewiss, wo ich dieses Wochenende verbringen werde, und meinen Fuss nur zum Schneeräumen und zum Einkaufen vor die Tür setze - und dieser Ort lässt sich problemlos auf 5 Quadratmeter eingrenzen.



Mit vielen Büchern, einer Schachtel Pralinen, und grossen Mengen Tee. Johann, ich empfange dieses Wochenende nicht, geben Sie draussen bitte Bescheid, und dann bittschön den Morgenmantel.

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Bild des Tages: Der Türkenfrieden

Zu den Urmythen des rechten Europas zählt die Geschichte der Türken vor Wien in den Jahren 1529 und 1683, die gerade noch aufgehalten wurden, bevor sie Europa überrannt hätten. Abgesehen davon, dass man als aufrechter Bayer Österreich an jeden verkaufen würde, der auch nur eine Runde Döner dafür ausgibt: Das Ganze ist eine Legende. Die Hohe Pforte war in der gesamten frühen Neuzeit eine normale europäische Grossmacht mit normaler europäischer Politik. Sie nutzte als solche die Schwäche der Habsburger in Österreich schamlos aus, kassierte die als "Türkengeschenk" umschriebenen Tribute, hatte aber auch gute Freunde in Europa - gerade das katholische Frankreich war so gut wie immer mit der Türkei verbündet. 1688 zettelte Frankreich den Pfälzer Erbfolgekrieg an, um den bedrängten Osmanen auf dem Balkan den Rücken zu stärken.

Umgekehrt hatten die Habsburger 1552 auch keine Bedenken, sich bei der Teilung Ungarns mit den Osmanen einen Teil unter den Nagel zu reissen. Die Atrozitäten des sog. 5. österreichischen Türkenkrieges - der mit der zweiten Belagerung Wiens - hat man damals gemalt; man kann nicht sagen, dass sich das Christentum bei Massakern in Belgrad und Zenta, wo ohne Unterschied alle Konfessionen niedergemetzelt wurden, sich irgendeiner Schuld bewusst war. Im Gegenteil, man webte diese Schlachtereien in Tapisserien und tafelte noch Jahrzehnte später im Anblick von Grausamkeiten, die den Vergleich zur Deutschen Wehrmacht in der Ukraine nicht scheuen müssen.

Aber das Bild, das ich zeigen möchte, ist ein anderes: Hier sieht man, dass es natürlich auch Frieden geben kann. Ein niederländischer Stich von 1719 zeigt die Unterzeichnung des Friedensvertrages vom 21. Juli 1718 in Passarowitz in Serbien. Wir sehen von links nach rechts: Den österreichischen Kaiser Karl VI, den Gesandten Venedigs, und den türkischen Sultan Achmed III.



Nebenbei beschloss man auch umfangreiche Handelsabkommen für den Balkan. Das hätte wohl kaum ein zurückgebliebener Bauer in Europa geglaubt, dem man mit Schauergeschichten über die mörderischen Janitscharen das Geld zur Finanzierung des Krieges abgepresst hatte. Danach brachen für den Rest des Jahrhunderts ziemlich ruhige Zeiten auf dem Balkan an, abgesehen von zwei erfolglosen Versuchen Österreichs, das osmanische Reich in Angriffskriegen zu vernichten. Kein Wunder, Europa hatte in der Folgezeit andere Sorgen als die Türken: Den 7-jährigen Krieg etwa, der nur zu deutlich zeigte, wie wenig die heitere Pracht des Rokoko und die Aufklärung zur Realpolitik beitragen konnten. Ein Krieg, den man gerne vergisst, obwohl er die Killing Fields der Weltkriege vorwegnimmt.

Nur zu verständlich also ist es, wenn Voltaires Candide nach seiner Irrsinnsreise durch die westliche Welt in der Zeit dieses Krieges am Ende seinen Frieden findet in Istanbul, als Untertan des Sultans. Frieden, das ist immer mehr als eine Option, es ist die Mutter aller Dinge, und wenn ich jetzt das Geschrei der braunen Gosse höre, die sich ein neues Belgrad wünschen und Kreuzzüge und den Clash of Civilisations, und dazu falsche Bilder der Geschichte heraufbeschwören, dann kann ich denen nur raten: Informiert Euch besser mal über die Geschichte.

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