: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 18. Januar 2004

Damals, 2000, Gründertreffen München

a, Absolventin der bayerischen Akademie für Marketing, macht Consulting für Seedphasen, und b, Agenturmensch vom Prenzlauer Berg, auf Besuch in der Munich Area fürs Networking.

a: Hier gibt es nicht mehr mal eine Besenkammer. Der Immobilienmarkt ist platt. Grausam, Maklerin hätte ich werden sollen.

b: In Berlin wird es auch langsam schwierig. Inzwischen werden schon Lofts im alten Stil nachgebaut.

a: Schon etwas degoutant, oder?

b: Mein Ding wär´s nicht, und viele andere weichen von Mitte inzwischen auch nach Norden aus, in den Wedding. Dort gibt es noch echte Art Deco Lofts.

a: Wow, Art Deco, das kommt sicher toll, wenn man da so Bauhausmöbel reinstellt, von dem Marcel Breker oder wie der heisst, so Stahlrohrmöbel halt, alles ganz klassich und gediegen.

b: Da muss man sich aber echt beeilen, weil sonst ist da alles bald weg. Ist aber auch gut für das Viertel weil da gibt es so viel türkisches Zeug und wenn wir da erst mal voll aufbauen, dann müssen die allein schon wegen der Mietpreise weg, cheers.

a: Cheers!



b: Und der erste Coffee Shop ist auch schon in Planung. Das Zeug was es da im Wedding gibt kann man ja nicht essen, noch nicht mal anständige Bagels.

a: Naja, aber ein paar Türken dürften schon bleiben, sonst verliert das Viertel doch seinen Flair.

b: Von mir aus können die alle nach Marzahn, denn wenn es dort erst mal voll abgeht, haben die dort nichts mehr verloren. Wirkt auch nicht gut auf die Kunden. Hier ist jetzt etwas die Luft raus, oder? gehen wir noch wohin?

a: Da gibt´s nur eins: Das Pacha im Media Works Munich. Das sind unsere Lofts aus den 60ies und 70ies, die sind auch nicht schlecht.

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Alles für die Jugend!

Die modernen Technologien stärken unser wirtschaftliches Potential und bieten zugleich für viele Werktätige ein interessantes Feld schöpferischer Arbeit und persönlicher Entfaltung. Das gilt insbesondere für die junge Generation.

Erich Honecker, 7.10.1989


Jeder soll Zugang zu den Neuen Medien haben, jeder soll ihren Nutzen und ihre Grenzen kennen. Deshalb meinen wir es wörtlich, wenn wir dazu auffordern, unsere Kinder den Umgang mit Computern zu lehren: nicht nur die Technik, sondern mehr noch die Kultur dieser Form der Kommunikation.

Gerhard Schröder, 10.11.1998

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Mene Tekel Upharsin

Ich gehöre zu den Leuten, die ein modernes Buch nach dem Umschlag beurteilen. Das beruht auf langjährigen Erfahrungen als addicted customer der deutschen Verlagsbranche und ihrer ebenso deutschen Autoren.

Wenn sowas auf dem Cover ist:



dann sieht das im ersten Momentziemlich bombastisch aus, verspricht aber wenig Nachdenken beim Verlag: Es handelt sich um den Bahn Tower am Potsdamer Platz in der Marzahner Vorstadt Berlin a. d. Spree. Eine luftige Architektur, die nicht im Mindesten zu den realen Heizungsdämpfen passt, mit denen dieser Konzern im Winter seine Kunden vergiftet.

Nun hat der Fischerverlag aber genau dieses Gebäude auf den Umschlag von Lukas Hammersteins "Die 120 Tage von Berlin" gesetzt. Und zwar so, dass die DB-Leuchtreklame nicht zu sehen ist. Man war sich wohl des Problems bewusst: Die Bahn passt auch nicht zum Inhalt des Buches, das sich mit dem Scheitern der New Economy Generation auseinandersetzt - ad majorem gloriam des Verlages und der dummdreisten Provinler, die gerne was Schlechtes über Leute lesen, die nicht im Kaff bei des gammligen Zügen geblieben sind.

So unehrlich beginnt also das Buch eines Autors, der dieses Jahr den Bachmanpreis so gerechtfertigt nicht bekam, wie ihn auch sonst alle anderen nicht verdient hätten, inclusive der späteren Siegerin mit ihrer Betroffenheitsprosa. Das Cover soll sagen: Boh, Berlin Mitte - und ist doch nur eine Fassade, ein potemkinsches Dorf eines übersubventionierten Provinzskandals mit stinkender Heizung.

Ich lasse mich nicht gerne anlügen. Weshalb ich mir das Buch nicht gekauft habe, wie viele andere auch. Zumal allein der Titel eine Anmassung ist. Man würde beim Lesen nur Sehnsucht nach De Sade bekommen.

Und so bleit der Hammerstein in den Regalen vor sich hin. Das Buch ist in etwa so erfolgreich wie die Bahnreform, und für den Fischer Verlag ist es ein Debakel, wie ein geplatztes Startup für einen Venture Capitalisten. Das klappte nicht mit dem "Schlüsselroman", als der das Buch angekündigt wurde.

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