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Mittwoch, 9. Juni 2004
Hiermit melde ich die Urheberschaft
auf die Wortkreation und folglich das Wort
TEXTFERKEL
an.
Gleichzeitig darf es natürlich jeder nach Gut- und Schlechtdenken verwenden.
TEXTFERKEL
an.
Gleichzeitig darf es natürlich jeder nach Gut- und Schlechtdenken verwenden.
donalphons, 19:00h
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Versuchen "WIR" es mal ehrlich.
Vorbemerkung: "WIR" im Sinne von Florian Illies- Relative junge Wohlstandskinder, deren Eltern sich nie als Oberklasse bezeichnen würden. Interessanterweise nennen sich auch die Eltern von Freunden, die nach landläufigem Sinn "reich" sind, Mittelklasse. Ich meine mit "WIR": Kinder der 1/3-Gesellschaft, der 70% des Vermögens, 80% des politischen Einflusses und 90% der sogenannten Architektenhäuser in den sogenannten besseren Vierteln gehören. Nicht, dass das ein Verdienst wäre. Es ist angeboren wie ein Klumpfuss, und das Lebensgefühl ist nicht weniger umweltbedingt als das Reifenaufstechen im Blockviertel.
"WIR" kommen nach Hause, nachdem wir die alten Verpflichtungen in der anderen Stadt eine Woche lang wahrgenommen haben. Irgendwie haben wir es nicht geschafft und auch nicht gewollt, einen Trennungsstrich zu ziehen. Denn wir wollen dorthin zurück, keine Frage. Dort sind noch unsere Freunde, unser Netzwerk, ein Teil von unserem Leben, das wir nicht missen möchten. Es war vielleicht nicht gut, aber wir waren dabei, und eine kurze Zeit war es grandios. Also haben wir uns einen Fuss in der Tür behalten, und die Wohnung nicht verkauft.
Um alle Arbeiten zu schaffen, haben wir das Wochende durchgemacht. So richtig. Mit zwei mal 24 Stunden am Stück, wie früher. Aber die Deadline hat gehalten. Kurz vor der Autobahnausfahrt in die Provinzstadt wären wir beinahe eingeschlafen, aber das Hupen des Lasters hat uns, puh, noch mal Glück gehabt. Unsere Eltern sind längst im Bett, wir schlafen sofort ein.
Am nächsten Morgen gehen wir durchs Haus, öffnen den Kühlschrank und holen und ein Yogurth. Erdbeer-Vanille. Nicht toll, aber sonst ist nichts da. Der Audi A8 von Papa ist auch weg. Wahrscheinlich einkaufen... Wir setzen uns auf die Terasse und sind, wie immer, schockiert von dem Turm, seinen Rundbogenfentern und der Krönung des Ganzen, dem Wasserspeier.
*
Mein Gott. Als Kind fanden wir das noch supercool. Das blendend weisse Haus vom Chefarzt mit seinen aussen liegenden Schornsteinen drei Strassen weiter haben wir damals hässlich gefunden, obwohl der einen berühmten Architekten hatte. "Krematorium". Heute sehen wir die Sache etwas anders und schämen uns ein wenig.
Durch das hohe Gras kommt Sabine, die Katze. Wir widerstehen der Versuchung, ein Photo von ihr zu machen und in einem Blog zu posten. Sie mauzt uns an, springt auf den Schoss und fängt an, an der Jeans rumzuzupfen. Dann merkt sie, dass wir ein neues Laack-Hemd tragen und wetzt daran ihre Krallen.
So sitzen wir also, schauen hinaus auf den Garten, im Rücken das nach unserem Weggang viel zu grosse Haus, und denken nach. Unsere Eltern werden ab Juli sechs Wochen verreisen. Sechs Wochen. Wir mussten uns eine Woche unbezahlten Urlaub von unserem Erstjob nehmen, um den unbezahlten alten Job auf die Reihe zu bekommen. Wir sehen den Katalog für den neuen SLK auf dem Tisch und ertappen uns bei dem Gedanken, dass wir dann ja vielleicht den alten A8 haben könnten. Langsam wird es Zeit für ein neues Auto, und es sieht auf dem Konto nicht so gut aus, als dass wir genug Cash für einen halbwegs anständigen Mittelklasse-Benz hätten.
Ausserdem müssen wir Papa fragen, ob wir an unser gemeinsames Depot randürfen. Wir haben die Miete in der neuen Stadt so satt, die blöde Hausverwaltung mit ihren nervigen Mahnungen, weil unser Arbeitgeber immer erst eine Rechnung von uns will, damit er die Wohnung zahlt, und wir hassen Rechnung schreiben. Wir wollen jetzt einfach eine kaufen, aus, fertig, basta. Wir haben noch nie was gemietet, unsere Eltern auch nicht und deren Eltern ebenfalls nicht. Miete. Oh Gott. Wenn wir das bekommen, was Papa für uns einbezahlt hat, dann müsste es klappen.
Ist ja nur eine Wohnung. Nicht ein Haus wie das hier. Wir werden es nie schaffen, so ein Haus zu finanzieren, wie unsere Eltern. Das wissen wir nach unseren bisherigen Erfahrungen im sogenannten "Berufsleben". Berufsverkümmern wäre treffender. Keine Ahnung, wie die das damals geschafft haben. Unser Vater würde sagen, durch hartes Arbeiten. Er ist jeden Morgen um 7 aus dem Haus, und kam nie vor 7 Uhr Abends heim, stimmt. Wir sind nie vor 10 im Büro, aber meistens um 3 Uhr morgens immer noch drin. Papa ist am Wochenende immer mit uns zum Skilaufen oder Surfen gefahren. In der Garage hängt noch unser Original Peter-Thommen-Sinker, aber das letzte freie Wochenende, so richtig frei, dass man mal genug Zeit zum Surfen hätte, das ist lang her. Jahre.
Irgendwas ist falsch gelaufen. Unsere Eltern sind in Rente, machen sich ein schönes Leben, haben Werte geschaffen - und wir wissen plötzlich, dass wir nie dieses Leben führen werden. Wir werden es nicht schaffen. Die Schweine in Berlin werden unsere Lebensarbeitszeit raufsetzen, die Löhne in unseren tollen Medienberufen werden sinken, wir werden doppelt und dreifach für diese Drecksmobilität draufzahlen, und die verfickten blöden Scheisser aus unserer Schule, die in die Fabrik gegangen sind, als Ingenieure, haben inzwischen eine Frau, ein eigenes Haus, zwei Blagen, und fühlen sich in diesem Dreckskaff hier mit seiner korrupten CSU, seinem mickrigen gesellschaftlichen Leben im Konzertverein-Abo und seinen lahmen Pseudogalerien mit Zahnarztkunst sauwohl.
Einen Moment werden wir uns fragen, ob wir nicht vielleicht neidisch sind. Vielleicht wollen wir ja hier leben, mit diesem Garten, den Rattanmöbeln draussen und den Kirschholzsesseln drinnen, gut versorgt und mit Zielvogaben, die wir einhalten können. Und mal einen faulen Vormittag, wenn man schon 2 Nächte durchgerödelt hat. Verdammt, wir müssten eigentlich schon längst unsere Mails gecheckt haben.
Sabine steht auf und geht ins Haus, auf den Perserteppich. Wir stehen auch auf, und als wir da stehen, sehen wir etwas über die Hecke, die den Garten vom öffentlichen Raum abschneidet. Draussen läuft, ist sie das, doch, draussen geht Rebecca vorbei. Rebecca. Sie hatte einen guten guten Körper, damals, sie hatte ein pinkfarbenes Kleid und einen Badeanzug mit Kirschen drauf, es war in den 80ern, und wir fanden sie damals ganz ok, auch wenn sie mit Leuten Umgang hatte, deren Eltern nur Eigentumswohnungen hatten. Rebecca wohnte eine Strasse weiter. Ihre Eltern haben auch so eine Burg.
Rebecca hat wahnsinnig zugenommen. Boah. Und was für einen Gesichtsausdruck. Total verbittert. Und der knallrote Lippenstift, der da noch was retten soll - total prolo. Hinter ihr geht eine fette männliche Sau, die dazugehört. Sie trotten den Weg entlang. Als sie am schmiedeeisernen Hoftor vorbeigehen, sehen wir ihr gebährfreudiges Brauereipferdbecken, und dass er kurze Hosen trägt, und einen Kinderwagen schiebt. Gott wie hässlich. Hinter ihm kommt ein Kind, überfüttert und mit dem dummbösen Gesichtsausdruck, der ein Core Asset, äh, eine Grundvorraussetzung, würde man hier sagen, für einen hohen Posten in der lokalen JU ist. Sie sind so krank, und trotzdem innerlich kerngesund, die haben nie einen Zweifel gehabt. Die kennen das gar nicht. Wir sind vielleicht arrogant, verdorben, was auch immer - aber nicht so.
Wir schauen uns unseren eigenen Turm an, und dann nochmal Rebecca hinterher. Nein. Echt nicht.
Lieber zwischen drei Wohnorten einen Anruf für einen Auftrag in Syrien bekommen, dort übermüdet die Karre vor den Laster knallen und bis zur Unkenntlichkeit verbrennen, als in der Provinz als fette Sau auf das Verrecken mit 97 in der Geriatrie zu warten, und dann hier in einem bescheuerten Grab mit lächerlichen Kränzen des Konzertvereins die letztze Ruhe zu finden.
Fuck Ruhe. Fuck Provinz. Fuck it. Ja, wir sind schwach geworden. Für einen Moment. Aber jetzt wissen wir wieder, dass wir unseren eigenen Weg gehen müssen. Und die Mails checken. Sofort.
* Es ist nicht das Haus meiner Eltern. Echt nicht.
"WIR" kommen nach Hause, nachdem wir die alten Verpflichtungen in der anderen Stadt eine Woche lang wahrgenommen haben. Irgendwie haben wir es nicht geschafft und auch nicht gewollt, einen Trennungsstrich zu ziehen. Denn wir wollen dorthin zurück, keine Frage. Dort sind noch unsere Freunde, unser Netzwerk, ein Teil von unserem Leben, das wir nicht missen möchten. Es war vielleicht nicht gut, aber wir waren dabei, und eine kurze Zeit war es grandios. Also haben wir uns einen Fuss in der Tür behalten, und die Wohnung nicht verkauft.
Um alle Arbeiten zu schaffen, haben wir das Wochende durchgemacht. So richtig. Mit zwei mal 24 Stunden am Stück, wie früher. Aber die Deadline hat gehalten. Kurz vor der Autobahnausfahrt in die Provinzstadt wären wir beinahe eingeschlafen, aber das Hupen des Lasters hat uns, puh, noch mal Glück gehabt. Unsere Eltern sind längst im Bett, wir schlafen sofort ein.
Am nächsten Morgen gehen wir durchs Haus, öffnen den Kühlschrank und holen und ein Yogurth. Erdbeer-Vanille. Nicht toll, aber sonst ist nichts da. Der Audi A8 von Papa ist auch weg. Wahrscheinlich einkaufen... Wir setzen uns auf die Terasse und sind, wie immer, schockiert von dem Turm, seinen Rundbogenfentern und der Krönung des Ganzen, dem Wasserspeier.
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Mein Gott. Als Kind fanden wir das noch supercool. Das blendend weisse Haus vom Chefarzt mit seinen aussen liegenden Schornsteinen drei Strassen weiter haben wir damals hässlich gefunden, obwohl der einen berühmten Architekten hatte. "Krematorium". Heute sehen wir die Sache etwas anders und schämen uns ein wenig.
Durch das hohe Gras kommt Sabine, die Katze. Wir widerstehen der Versuchung, ein Photo von ihr zu machen und in einem Blog zu posten. Sie mauzt uns an, springt auf den Schoss und fängt an, an der Jeans rumzuzupfen. Dann merkt sie, dass wir ein neues Laack-Hemd tragen und wetzt daran ihre Krallen.
So sitzen wir also, schauen hinaus auf den Garten, im Rücken das nach unserem Weggang viel zu grosse Haus, und denken nach. Unsere Eltern werden ab Juli sechs Wochen verreisen. Sechs Wochen. Wir mussten uns eine Woche unbezahlten Urlaub von unserem Erstjob nehmen, um den unbezahlten alten Job auf die Reihe zu bekommen. Wir sehen den Katalog für den neuen SLK auf dem Tisch und ertappen uns bei dem Gedanken, dass wir dann ja vielleicht den alten A8 haben könnten. Langsam wird es Zeit für ein neues Auto, und es sieht auf dem Konto nicht so gut aus, als dass wir genug Cash für einen halbwegs anständigen Mittelklasse-Benz hätten.
Ausserdem müssen wir Papa fragen, ob wir an unser gemeinsames Depot randürfen. Wir haben die Miete in der neuen Stadt so satt, die blöde Hausverwaltung mit ihren nervigen Mahnungen, weil unser Arbeitgeber immer erst eine Rechnung von uns will, damit er die Wohnung zahlt, und wir hassen Rechnung schreiben. Wir wollen jetzt einfach eine kaufen, aus, fertig, basta. Wir haben noch nie was gemietet, unsere Eltern auch nicht und deren Eltern ebenfalls nicht. Miete. Oh Gott. Wenn wir das bekommen, was Papa für uns einbezahlt hat, dann müsste es klappen.
Ist ja nur eine Wohnung. Nicht ein Haus wie das hier. Wir werden es nie schaffen, so ein Haus zu finanzieren, wie unsere Eltern. Das wissen wir nach unseren bisherigen Erfahrungen im sogenannten "Berufsleben". Berufsverkümmern wäre treffender. Keine Ahnung, wie die das damals geschafft haben. Unser Vater würde sagen, durch hartes Arbeiten. Er ist jeden Morgen um 7 aus dem Haus, und kam nie vor 7 Uhr Abends heim, stimmt. Wir sind nie vor 10 im Büro, aber meistens um 3 Uhr morgens immer noch drin. Papa ist am Wochenende immer mit uns zum Skilaufen oder Surfen gefahren. In der Garage hängt noch unser Original Peter-Thommen-Sinker, aber das letzte freie Wochenende, so richtig frei, dass man mal genug Zeit zum Surfen hätte, das ist lang her. Jahre.
Irgendwas ist falsch gelaufen. Unsere Eltern sind in Rente, machen sich ein schönes Leben, haben Werte geschaffen - und wir wissen plötzlich, dass wir nie dieses Leben führen werden. Wir werden es nicht schaffen. Die Schweine in Berlin werden unsere Lebensarbeitszeit raufsetzen, die Löhne in unseren tollen Medienberufen werden sinken, wir werden doppelt und dreifach für diese Drecksmobilität draufzahlen, und die verfickten blöden Scheisser aus unserer Schule, die in die Fabrik gegangen sind, als Ingenieure, haben inzwischen eine Frau, ein eigenes Haus, zwei Blagen, und fühlen sich in diesem Dreckskaff hier mit seiner korrupten CSU, seinem mickrigen gesellschaftlichen Leben im Konzertverein-Abo und seinen lahmen Pseudogalerien mit Zahnarztkunst sauwohl.
Einen Moment werden wir uns fragen, ob wir nicht vielleicht neidisch sind. Vielleicht wollen wir ja hier leben, mit diesem Garten, den Rattanmöbeln draussen und den Kirschholzsesseln drinnen, gut versorgt und mit Zielvogaben, die wir einhalten können. Und mal einen faulen Vormittag, wenn man schon 2 Nächte durchgerödelt hat. Verdammt, wir müssten eigentlich schon längst unsere Mails gecheckt haben.
Sabine steht auf und geht ins Haus, auf den Perserteppich. Wir stehen auch auf, und als wir da stehen, sehen wir etwas über die Hecke, die den Garten vom öffentlichen Raum abschneidet. Draussen läuft, ist sie das, doch, draussen geht Rebecca vorbei. Rebecca. Sie hatte einen guten guten Körper, damals, sie hatte ein pinkfarbenes Kleid und einen Badeanzug mit Kirschen drauf, es war in den 80ern, und wir fanden sie damals ganz ok, auch wenn sie mit Leuten Umgang hatte, deren Eltern nur Eigentumswohnungen hatten. Rebecca wohnte eine Strasse weiter. Ihre Eltern haben auch so eine Burg.
Rebecca hat wahnsinnig zugenommen. Boah. Und was für einen Gesichtsausdruck. Total verbittert. Und der knallrote Lippenstift, der da noch was retten soll - total prolo. Hinter ihr geht eine fette männliche Sau, die dazugehört. Sie trotten den Weg entlang. Als sie am schmiedeeisernen Hoftor vorbeigehen, sehen wir ihr gebährfreudiges Brauereipferdbecken, und dass er kurze Hosen trägt, und einen Kinderwagen schiebt. Gott wie hässlich. Hinter ihm kommt ein Kind, überfüttert und mit dem dummbösen Gesichtsausdruck, der ein Core Asset, äh, eine Grundvorraussetzung, würde man hier sagen, für einen hohen Posten in der lokalen JU ist. Sie sind so krank, und trotzdem innerlich kerngesund, die haben nie einen Zweifel gehabt. Die kennen das gar nicht. Wir sind vielleicht arrogant, verdorben, was auch immer - aber nicht so.
Wir schauen uns unseren eigenen Turm an, und dann nochmal Rebecca hinterher. Nein. Echt nicht.
Lieber zwischen drei Wohnorten einen Anruf für einen Auftrag in Syrien bekommen, dort übermüdet die Karre vor den Laster knallen und bis zur Unkenntlichkeit verbrennen, als in der Provinz als fette Sau auf das Verrecken mit 97 in der Geriatrie zu warten, und dann hier in einem bescheuerten Grab mit lächerlichen Kränzen des Konzertvereins die letztze Ruhe zu finden.
Fuck Ruhe. Fuck Provinz. Fuck it. Ja, wir sind schwach geworden. Für einen Moment. Aber jetzt wissen wir wieder, dass wir unseren eigenen Weg gehen müssen. Und die Mails checken. Sofort.
* Es ist nicht das Haus meiner Eltern. Echt nicht.
donalphons, 05:09h
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