: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 25. Juni 2004

Here we go.

Try for once in your life do something about it! But you know what, you better do it now and you better do it fast because the world doesn’t owe you any favors. - Lelaina im einzigartigen Film Reality bites, eine Erinnerung an ein anderes Leben, bevor der Regen über Europa kam. Damals war alles noch anders, kein Netz, keine Blogs, Medien nur eine Option unter vielen ... Unschuld, könnte man sagen. Das Zitat nur eine Erinnerung an etwas, das nicht mehr existiert, was einem einfällt, wenn es im Sturzflug durch die Suchscheinwerfer geht. Do it fast. Was ist Lelaina heute? Arbeitslos? Ein Rad im System? Verheiratet? Zugekokst in irgendeinem Vorstandsvorzimmer? Egal. Keine Zeit zum denken. Denken können wir, wenn wir tot sind.

Denn jetzt es geht auf einmal rasend schnell. Nein, es war schon schnell, aber hier tief unten im Zielanflug knapp über der Erde fühlt man das Zerschmelzen von Zeit und Distanz, die Bomben schimmern unter den Flügeln und die Propeller zerfetzen den Äther, und alles dröhnt wieder von der Gewalt der Motoren, der Bombenschütze gibt die Entfernung durch, es sind nur noch ein paar Meilen, und plötzlich ist noch viel zu tun, die Zünder scharf machen, Kompressoren zuschalten, die Funksperre wird aufgehoben, die Nachricht geht raus, und alle an Bord wissen: Wir kommen rein. Auf 12 Uhr. They won´t owe us any favors. Egal.

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Real Life 24.6.04 - NE-Schönling

Es ist irgendwann zwischen Medienkritik und Literaturdiskurs, als erst NE-Schönling1 den Raum betritt, mit zu langen Koteletten, viel Gel und einer Pseudokreativen, die aussieht wie Franziska Gerstenberg nach 90°-Wäsche - ausgebleicht, ungebügelt und aufgequollen, was sich auf den 2. Blick aber als Babyspeck herausstellt. Ich richte meinen Kopf so, dass ein paar seiner Worte zu mir durch den Lärm dringen, vorbei am Gekreische der Blondinen, die den ersten Schweiss ihrer Volljährigkeit mit Taschen unter den Achseln aufsaugen, und hindurch zwischen dem Rumdidldum der zünftigen Volksmusik dieses Berliner Stadtteils, in dem Prostitution in Drinks und nicht in Euro entlohnt wird.

Es ist mir wohlvertraut, diese Sprache der Ahnungslosen, die sich auf das Business freuen wie der fanatisierte Rekrut auf den Krieg. Das Mädchen hört ihm zu und zeigt nackte Schultern, den Preis für seinen verbalen Heldenmut in der rethorischen Schlacht um den Markt. Man sollte aufstehen, hinübergehen und ihm sagen, dass er mit diesen Phrasen noch nicht mal Sachbearbeiter wird, aber das andere Ohr meldet, dass meine Begleiter gerade über Selbstmord als Marketinggag für Berliner Jungautoren sinnieren, wozu ich gleich auf die hohe Selbstmordrate im Februar verweise und mir dabei denke, dass sich die beste Awareness im Juli erzielen lassen würde. Wir einigen uns gerade auf eine Favoritin, die heute klagengefurzt hat, da kommt auch noch NE-Schönling2, der zwar die diskrete Eleganz eines Volksbank-Azubis verstrahlt, aber wohl auch BWL studiert. Er rumpelt beim schlecht nachgeäfften Munich-Area-Style-Bussi-Bussi an unseren Tisch, wo die Becks-Flaschen wackeln und mein Tee schwappt, setzt sich, und wendet uns den mit Schuppen bestäubten Rücken zu. Vielleicht hat es aufgrund der neuen Hose für die Wohnung mit Bad nicht gereicht?



Während ich noch darüber nachsinne, dass dieser Menschenschlag immer gleich bleiben wird, ausser auf dem Oktoberfest und im Sexkino, wo sie Sau rauslassen, kommt NE-Schönling3, ohne Gel, Koteletten und Haare, redet knieend eine Weile auf NE-Schönling2 ein. Ich mache einige nicht in den Zusammenhang passende Bemerkungen über die geistige und finanzielle Armut dieser Stadt, und ich sage es so LAUT dass sie es hören müssen.

Sie haben was anderes zu tun. NE-Schönling3 geht zwischen NE-Schönling2 und unserem Tisch hindurch, auf der Jagd nach einem Sessel, und weil die Achselschweisstäschchen-Girls gegangen sind, findet er auch eine Sitzgelegenheit. Inzwischen schiebt sich NE-Schönling2 mitsamt Stuhl ganz weit nach hinten an unseren Tisch mitsamt nun wieder wackelnden Flaschen und dem schappenden Tee, um möglichst langgestreckt der anwesenden Crowd einen freien Blick auch auf seine Leistengegend zu gestatten. Aus dieser Lage brüllt er NE-Schönling1 weitere Phrasen zu.

NE-Schönling3 kommt wieder, muss hindurch, aber statt NE-Schönling2 aufzufordern, Platz zu machen, weist er uns an, unseren Tisch zurückzuschieben. Ich tue ihm den Gefallen, und als er zwischen Stuhl von NE-Schönling2 und unserem Tisch vorbeigeht, verzichte ich darauf, ihm den Tisch ruckartig in die Kniekehlen zu stossen. Obwohl er uns beim Vorbeigehen den Rücken und das verlängerte Rückgrat zugewandt hat.

Er war wahrscheinlich als Kind nicht in der Oper, vermute ich, denn dort hätte er gelernt, wie man Menschen an einer engen Stelle passiert - Antlitz zu Antlitz. Oder eine alte Dame hätte ihm so den Stock zwischen die Beine gerammt, dass er bis heute Haltungsschäden hätte. Und bessere Manieren.

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