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Freitag, 16. Juli 2004
the media will not blog the revolution
Sie sind jung. Sie haben das Studium begonnen, als wir Top Dogs der New Economy die Zukunft vernichtet haben, mit Worten über das grenzenlose Internet, falschen Zahlen und dem Glauben an die Richtigkeit und die glatte Rechtfertigung unserer Ideale. Es klang so gut, und auch, wenn wir selbst nicht mehr daran geglaubt haben - sie glauben noch irgendwo dran, sonst sässen sie hier nicht auf den Holzstuhlen dieses Kommunikationswissenschafts-Seminars und würden sich anhören, was ich zu sagen habe.
Sie sehen es nicht. Blogs sind ziemlich neu für sie, selber eines schreiben ist nicht auf ihrem Radar. Tamagotchi im Internet, sagt eine, das ist es, wenn man sich täglich das Leben einer 28-jährigen Bürokauffrau antut, wenn es witzig ist. Ich sage ihr, dass es ein ziemlich klasse Begriff ist, ganz anders als die akademische Journalismus-Auffassung, die hier voherrscht, die ich selbst als Lehrer vertrete. Das soll sie so schreiben im Netz, dann ist es bloggen, dann ist es griffig, nicht dieses
kranke, verstaubte, hirnfickrige Old-Media-Zeug.
Sie sollen es tun, weil sie und all die anderen da drinnen jung sind. Weil man sich, wenn man schon in ihrer privilegierten Situation ist, nie damit zufrieden geben darf, dass etwas so ist und deshalb so geschrieben werden muss, wie es in den Lehrbüchern steht. Die Lehrbücher vertreten die Medien, wie sie in den 60er Jahren waren, but this is 2004, fuck it, also weg mit dem Unsinn, schon die Fernbedienung ist die Krankheit der Medienmonopole gewesen, und im Internet wird mit dem Maus getötet, da scheren sich die User einen Dreck um unsere Theorien, die wissen nicht mal, dass sie Rezipienten sind und wenn doch, dann klicken sie einfach weiter.
Wer nicht geklickt wird, stirbt. Wer seine Audience verliert, wird arbeitslos. Wer nicht genug Werbung bekommt, weil er zu wenige User hat, ist kein Journalist mehr, sondern nur noch eine Zahl in der Nürnberger Statistik. Das ist schlimm für sie, das wird darüber entscheiden, ob sie mal das tun, was sie sich erträumen, oder ob sie eben nochmal eine weitere abgelehnte Initiativbewerbung in meinem Account werden.
Ich erkläre es. Blogs sind bei Google auf der ersten Seite, und Google ist das Internet. Blogs kopieren Inhalte und stellen sie kostenfrei ins Netz, wenn andere schon längst Firstgates davor gesetzt haben. Jeder Click im Blog ist einer weniger bei ihnen. Sie leben später mal nicht von der Theorie oder den Lehrbüchern, sie leben von der Wirtschaft, die ihre Inhalte verwertet, und wenn die Käufer lieber bei den Blogs sind, dann haben sie keinen
Markt
mehr, der Markt, dieses alles aufsaugende und verzehrende Irrsinnsgebilde, das unser Leben dominiert, der Kern, der unsere Welt im Innersten zusammenhält, aber sie kennen den Markt nicht, und schon gar nicht seine Mechanismen.
Denn sie sagen, dass kopierte Inhalte ja wohl geklaut ist. Na und? Information ist nicht einsperrbar, sie will raus, sie muss es auch, denn Information ist der Grundbaustein jeder Kultur, und der Gedanke, dass man sie besitzen kann, ist Vor-Internet, Vor-Napster und damit so tot und so prähistorisch wie der Dinosaurier. Vergesst es einfach.
Und sie sagen: Es sagt mir nichts. Sie sind Journalisten. Sie müssen sich reindenken können in den anderen. Sie müssen wissen: Was will mein Leser? Was will der Politiker wirklich sagen? Was ist der Kern der Botschaft? Das ist ihre Kernkompetenz, die Fähigkeit, sich 24 Stunden am Tag anpassen und verstehen zu können, was Information ist - und dann sagen sie: Blogs sagen mir nichts. Ihre Kunden sehen das aber ganz anders. Jeden Tag mehr.
Ist da keine Neugier? Keine Lust an Informationen, die sie sonst nicht bekommen?
Und ist da keine Lust an der Carte Blanche, an der weissen Fläche, das das Internet ihnen gibt? Ihr Publikum, ihr Markt liegt nur drei Clicks von ihnen entfernt, wenn sie Träume haben, müssen sie sie nach draussen tragen. Sind sie nicht angekotzt von den Regeln, die man ihnen eintrichtert? Haben sie nicht Lust auf den Tabubruch, es mal ganz anders zu machen, neu, alles Bekannte hinter sich zu lassen, den quälenden, trockenen Stil, die erlogene Objektivität, und mal das zu erzählen, was sie sind und was sie wollen? Oder wollen die wirklich nur einem alten Politikersack das Mikro unter die Fresse halten und das dann rauspusten?
Ist das das Leben?
Ich rede eineinhalb Stunden an Wände hin. The revolution will not be blogged. Klar. Aber der Niedergang der Medien wird dortselbst schön analysiert, und die wissen am Ende theoretisch und laut Lehrbuch genau, warum sie draufgegangen sind. Weil die Information den Markt nicht mehr durch sie erreicht, sondern durch jeden, der kann und will.
Weil wir es dürfen. Wir dürfen alles. Wir dürfen über das schreiben, was wir in ihnen sehen, was wir ihnen unterstellen, wo wir ihr Versagen sehen.
Sie sind Monopolisten ohne Monopol. Sie haben keinen Markt, und sie wissen auch nicht, wie man rebelliert.
Und in ihnen ist etwas, steinalt, unbeweglich, agnostisch, tot,
wahrscheinlich bringt man ihnen das hier bei,
ich kann es nicht beschreiben,
aber hey, es ist auch egal,
hier draussen im
Internet.
Sie sehen es nicht. Blogs sind ziemlich neu für sie, selber eines schreiben ist nicht auf ihrem Radar. Tamagotchi im Internet, sagt eine, das ist es, wenn man sich täglich das Leben einer 28-jährigen Bürokauffrau antut, wenn es witzig ist. Ich sage ihr, dass es ein ziemlich klasse Begriff ist, ganz anders als die akademische Journalismus-Auffassung, die hier voherrscht, die ich selbst als Lehrer vertrete. Das soll sie so schreiben im Netz, dann ist es bloggen, dann ist es griffig, nicht dieses
kranke, verstaubte, hirnfickrige Old-Media-Zeug.
Sie sollen es tun, weil sie und all die anderen da drinnen jung sind. Weil man sich, wenn man schon in ihrer privilegierten Situation ist, nie damit zufrieden geben darf, dass etwas so ist und deshalb so geschrieben werden muss, wie es in den Lehrbüchern steht. Die Lehrbücher vertreten die Medien, wie sie in den 60er Jahren waren, but this is 2004, fuck it, also weg mit dem Unsinn, schon die Fernbedienung ist die Krankheit der Medienmonopole gewesen, und im Internet wird mit dem Maus getötet, da scheren sich die User einen Dreck um unsere Theorien, die wissen nicht mal, dass sie Rezipienten sind und wenn doch, dann klicken sie einfach weiter.
Wer nicht geklickt wird, stirbt. Wer seine Audience verliert, wird arbeitslos. Wer nicht genug Werbung bekommt, weil er zu wenige User hat, ist kein Journalist mehr, sondern nur noch eine Zahl in der Nürnberger Statistik. Das ist schlimm für sie, das wird darüber entscheiden, ob sie mal das tun, was sie sich erträumen, oder ob sie eben nochmal eine weitere abgelehnte Initiativbewerbung in meinem Account werden.
Ich erkläre es. Blogs sind bei Google auf der ersten Seite, und Google ist das Internet. Blogs kopieren Inhalte und stellen sie kostenfrei ins Netz, wenn andere schon längst Firstgates davor gesetzt haben. Jeder Click im Blog ist einer weniger bei ihnen. Sie leben später mal nicht von der Theorie oder den Lehrbüchern, sie leben von der Wirtschaft, die ihre Inhalte verwertet, und wenn die Käufer lieber bei den Blogs sind, dann haben sie keinen
Markt
mehr, der Markt, dieses alles aufsaugende und verzehrende Irrsinnsgebilde, das unser Leben dominiert, der Kern, der unsere Welt im Innersten zusammenhält, aber sie kennen den Markt nicht, und schon gar nicht seine Mechanismen.
Denn sie sagen, dass kopierte Inhalte ja wohl geklaut ist. Na und? Information ist nicht einsperrbar, sie will raus, sie muss es auch, denn Information ist der Grundbaustein jeder Kultur, und der Gedanke, dass man sie besitzen kann, ist Vor-Internet, Vor-Napster und damit so tot und so prähistorisch wie der Dinosaurier. Vergesst es einfach.
Und sie sagen: Es sagt mir nichts. Sie sind Journalisten. Sie müssen sich reindenken können in den anderen. Sie müssen wissen: Was will mein Leser? Was will der Politiker wirklich sagen? Was ist der Kern der Botschaft? Das ist ihre Kernkompetenz, die Fähigkeit, sich 24 Stunden am Tag anpassen und verstehen zu können, was Information ist - und dann sagen sie: Blogs sagen mir nichts. Ihre Kunden sehen das aber ganz anders. Jeden Tag mehr.
Ist da keine Neugier? Keine Lust an Informationen, die sie sonst nicht bekommen?
Und ist da keine Lust an der Carte Blanche, an der weissen Fläche, das das Internet ihnen gibt? Ihr Publikum, ihr Markt liegt nur drei Clicks von ihnen entfernt, wenn sie Träume haben, müssen sie sie nach draussen tragen. Sind sie nicht angekotzt von den Regeln, die man ihnen eintrichtert? Haben sie nicht Lust auf den Tabubruch, es mal ganz anders zu machen, neu, alles Bekannte hinter sich zu lassen, den quälenden, trockenen Stil, die erlogene Objektivität, und mal das zu erzählen, was sie sind und was sie wollen? Oder wollen die wirklich nur einem alten Politikersack das Mikro unter die Fresse halten und das dann rauspusten?
Ist das das Leben?
Ich rede eineinhalb Stunden an Wände hin. The revolution will not be blogged. Klar. Aber der Niedergang der Medien wird dortselbst schön analysiert, und die wissen am Ende theoretisch und laut Lehrbuch genau, warum sie draufgegangen sind. Weil die Information den Markt nicht mehr durch sie erreicht, sondern durch jeden, der kann und will.
Weil wir es dürfen. Wir dürfen alles. Wir dürfen über das schreiben, was wir in ihnen sehen, was wir ihnen unterstellen, wo wir ihr Versagen sehen.
Sie sind Monopolisten ohne Monopol. Sie haben keinen Markt, und sie wissen auch nicht, wie man rebelliert.
Und in ihnen ist etwas, steinalt, unbeweglich, agnostisch, tot,
wahrscheinlich bringt man ihnen das hier bei,
ich kann es nicht beschreiben,
aber hey, es ist auch egal,
hier draussen im
Internet.
donalphons, 19:51h
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