: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 1. Juni 2005

Real Life 01.06.05 - Ausziehen! Ausziehen!

Vor gut fünf Jahren hast du in München eine grosse Biedermeierkommode aus rötlichem Nussbaum gefunden, mit angedeutenen Säulenecken und ohne Schlüssel. Jemand hatte versucht, sie aufzubrechen, dann aber angesichts von 5 Zentimeter Massivholz aufgegeben und das Ding - so wie es war - verkauft. An dich. Du hast es nach Hause gebracht, auf dem Platz vor der Garage abgestellt, die gigantische Schlüsselsammlung des Stammhauses durchprobiert - sowas ist in alten Häusern immer von Vorteil - und schon beim dritten Schlüssel machte es Klack, und das Schloss ging auf. Drinnen war wahrscheinlich die komplette Aussteuer einer bayerischen Bürgerstochter, sauber zusammengelegte Stoffe, vom Tischtuch für eine Tafel mit 24 Personen über Bettbezüge bis zu Servietten. Alles weiss, mit Monogramm, und sauber wie am ersten Tag

Deine Eltern sind ohne Habgier in die ansonsten mitunter geldgeile Welt geboren worden, in der sie bis heute leben. Es ist ihnen fremd, anderen etwas zu nehmen, und dir haben sie beigebracht, dass man als Gast immer nur ein Stück Kuchen dankend von der Gastgeberin annimmt und auf die erste Frage, ob man ein zweites Stück will, erst mal betont wie wunderbar der Kuchen doch war, man aber um eine kleine Pause bitte, bis dann das nächste Angebot kommt, das man annehmen darf. Dummerweise war die Familie deines besten Freundes aufgrund der häufigen Auslandskontakte des Oberhaupts zu chinesischen Mandarin-Sitten übergegangen, was ein paar Kollisionen - aber das ist eine andere Geschichte. Deine Eltern jedenfalls gehören nicht zu den Raffzähnen.

Aber an diesem Tag an der Kommode wurde dir von ihnen die Weltentsagung zu Teil, die auch der gemeine Hunne dem römischen Gold angedeihen lässt. Nach dem Motto, dass es ja im Clan bleibt und du sowieso keinen Platz hast, wurde erst Stück für Stück untersucht, Richtung Haus verfrachtet, und als sich herausstellte, dass dein Clan tatsächlich auch keinen Platz mehr hatte - ja, wo soll das denn rein? - kam die Frage, ob du die Kommode jetzt sofort benötigst. Was die langfristige Folge hatte, dass deine Kommode voller Leinen heute die Leinen-Kommode der Eltern deiner kleinen Schwester ist.

Heute nun stand ein Wagen mit 11,8 Kubik vor dem Haus und musste in die Garage teilgeräumt werden. Deine Mutter war mit den Alabasterlampen recht lang verschwunden, auch mit der grünen Lampe, die du gerade im Vestibül gefunden hast, wo sie wirklich gut passt, das Silber sollte sowieso nicht in die Garage und nicht so eng beeinander gestapelt werden, also rein damit, mit dem Verlust des Bernadotte-Kaffeeservices hattest du ohnehin gerechnet, nachdem deine Mutter meinte, dass sie keinen Platz mehr hat. Dein Vater prägte den Imperativ: "Der Foldleaf-Table geht gleich ins obere Wohnzimmer", und auch die Pagodenlampe wurde aus konservatorischen Gründen sofort neben den Paravent postiert, der dir vor einem halben Jahr abhanden kam und jetzt im Wohnzimmer steht.

Sie haben ein grosses Haus. Da ist viel Platz. Die Kisten wirst du besser heimlich auspacken, wenn sie in Urlaub sind. Und was an alten Folianten noch im anderen Auto in Berlin ist, wirst du besser direkt in deine Wohnung bringen. Sie brauchen nichts mehr, und sie haben keinen Platz mehr, es bleibt alles im Clan, aber das hilft dir nichts, wenn du am Ende selbst nichts mehr hast.

Was? Da ist noch was? Das da hinten? Der kleine runde Spiegel und der grüne Lesesessel? Die sind noch da. Die hat aber schon deine Schwester angefordert. Ausserdem kommt am Wochenende deine Freundin und will 2 der verbleibenden Spiegel, und vielleicht noch was kleines...

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15 Dinge, die ich gestern gelernt habe

1. Ohne Freunde bist Du tot. (Danke, wirklich)

2. Es ist wie beim Rennradfahren: Die Muskeln übersäuern erst, wenn man danach ganz langsam zum Essen geht.

3. Ein Marzipanröllchen der Bäckerei Stern reicht nicht wirklich als Tagesration, wenn Du Besitzer von einem Dutzend Teppichen bist, die bewegt werden müssen.

4. Ein klein wenig zeitliche Schludrigkeit bei der Wohnungsabnahme würde dem wie immer pünktlichen Hausdienst mitunter gut zu Gesicht stehen, dann stehst Du nicht mitten im Chaos, wenn er kommt

5. Der Wagen ist zu klein, da passen die Spiegel und der Schrank, die du holen musst, nicht mehr rein.

6. Man sollte die Perserteppiche nicht zu weit vorne verstauen, für den Fall, dass man noch drei grosse Spiegel zwischen 1730 (aus Schloss Limburg) und 1840/60 (venezianisch) abholt, und dort kein Verpackungsmaterial ist - sonst muss man die Teppiche wieder rauszerren.

7. Afghanen und kurdische Teppiche aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz ganz hinten unten im Auto sind zum Verpacken besser geeignet als der Täbriz oder der Nain mit dickem Flor weiter vorne, mit dem Du die ersten Versuche gemacht hast.

8. Wenn Herr Miri sagt, dass die Spiegel noch reingehen, dann fällt Punkt 5. aus - sie gehen noch rein.

9. Herr Miri sagt dann, dass der Wagen zu klein ist und ein Schrank keinesfalls mehr reinpasst.

10. Der grosse Regenschauer kommt garantiert, wenn man den grossen Schrank in den Wagen bugsieren will.

11. Wenn Herr Miri sagt, dass der Wagen zu klein ist, stimmt das offensichtlich - zumal 40 Kilo Kirschholz um 1830 auch bei Regen nicht einlaufen.

12. Den halben Wagen beim Wolkenbruch nochmal umräumen ist auch zu dritt nicht wirklich ein Vergnügen.

13. Wenn Herr Miris Kollegen sagen, dass der Schrank auch noch reinpasst, fällt Punkt 9. aus - kaum zu glauben, aber es geht.

14. Vor dem Losfahren ist es tatsächlich sinnvoll, nochmal um den Wagen zu laufen und darauf zu achten, dass nicht der sensibelste venezianische Spiegel noch am Auto lehnt, was beim Losfahren Folgen gehabt hätte, die allenfalls die Volldeppen funktionalen Analphabeten interessieren, die das Blog hier Scheisse finden und es trotzdem lesen.



15. Berlin an der A 100 aus Richtung Süden ist nochmal eine Ecke hässlicher als im Norden. Und wie kriegen die da eigentlich immer diesen Chlorgas-Himmel hin?

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