: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 22. Juni 2005

Die kürzerste Nacht des Jahres,

niemals ist das Licht, das Morgengrauen näher, und unten im Kasernenhof hat sich eine kleine Gruppe zu enttäuschender Zukunftshoffnungen versammelt, an einem Biertisch, und ihr Gekicher und die Wortfetzen dringen herauf auf die Dachterasse. Sie sitzen nicht allzu oft da unten, es gibt nicht viele Gelegenheiten durch den Druck, das Studium möglichst schnell zu absolvieren. Selbst die Freizeit ist bei denen teilweise organisiert, die Parties werden zu Events, bei denen sie Marketing üben. Das ist die Zukunft, wahrscheinlich auch an den Unis, bei denen ich war, in den Fächern, die damit nichts zu tun hatten und sich im Kampf um Awareness längst auch an diesem Eselsrennen in das hohle Gequatsche beteiligen, bis sie dann vielleicht ihren Artikel auf der SPON-Hochschulseite bekommen.



Da unten ist die Zukunft gerade im Freeze Mode, sie sitzen einfach so da, ohne die Willingness 2 do something 4 Career, die bei ihnen laut der Welt, aus der ich komme, immer abrufbar sein sollte. Es gibt diese Nacht bestenfalls vier mal während ihrer kurzen Zeit hier, und einmal lernen sie gerade für ihr viel zu frühes Diplom, mit dem sie dann, gerade mal 23 Jahre alt, eine Welt erobern wollen, die trotz Globalisierung und dem ständigen Bedarf an Conquistadores nicht unbedingt auf sie gewartet hat. Ausser vielleicht als Trainpersonal oder Hilfstruppen.

Denn da draussen hat sich die Welt gewandelt. Internet-Marketing und eCRM, zu Beginn ihres Studiums noch die Zukunft des Faches, sind heute so gut wie tot, die Spezialisten dafür sind beim Arbeitsamt. Kein Grund zum Mitleid, auch nichts anderes als die armen Schweine in NRW in ihren Bergwerken, eine sterbende Branche, mit dem kleinen Unterschied, dass dem Kumpel kein Papa den Verlegenheits-MBA in der Schweiz bezahlt. Oder dass sich die Elitesse durchringt und trotz der Ödnis von Testaten und Buchprüfung mit diesem Schwerpunkt noch einen Master dranhängt, auch wenn das so überhaupt nichts mit dem tollen Beruf mit Afterwork und Wachstumshype zu tun hat, den sie sich zum Beginn des Studiums erträumt hat.

Vielleicht kommen sie dennoch irgendwo unter. Es ist nicht wirklich schwer, denn der globalisierte Markt hat sich auf sie eingestellt. Die Gruppe der Career Starter, die früher zwischen 25 und 27 Jahre alt war, ist jetzt eben zwischen 23 und 27 Jahre alt. Ihre Zahl hat sich mal eben verdoppelt, aber die Opportunities sind gleich geblieben. Also hat man aus einer festen Stelle zwei Praktikantenjobs gemacht, und verlangt das einfach mal zum Berufseinstieg. Manager, tss, in München allein soll es etwa 6000 bis 8000 mehr oder weniger arbeitslose, ehemalige Führungskräfte geben, die meisten trauen sich nichts aufs Arbeitsamt und hoffen auf ihr Netzwerk und auf die Stellenanzeigen in der FAZ. Da sieht es für Neulinge nicht gut aus, und wenn doch, dann nur zu Sonderkonditionen. Marktwirtschaft, Baby, Angebot und Nachfrage, und Sozialstaat, Baby, kein Kind und Familie und es ist keine soziale Härte, dich zu feuern, und gerade im mittleren Management, wo du hin willst, gibt es noch eine Menge Einsparpotentiale.

Das ist nicht neu, aber bis vor vier Jahren konnte man noch gründen und von Chancen träumen. Vor vier Jahren erzählte mir einer da unten im Hof was davon, dass sie eine enorm hohe Gründerquote haben. Heute geht es nur in die Sackgasse der "Flandering Phase" "Floundering Period", der Zappelphase mit 100 bundsweiten Absagen, die so gar nicht zu den Career Days passen wollen, die an den Unis abgehalten werden. Die Wirtschaft belügt sie alle. Sie sagt: Wir helfen den Unis bei der bedarfsgerechten Ausbildung - und meint: Schafft uns eine üppige Auswahl, we take the best, was ihr mit dem Rest macht, ist euer Problem. Sie sagt: Verkürzt die Studienzeiten, und meint: Wir brauchen eine mobile, anspruchslose Reserve, die die Schnauze hält, um überhaupt irgendwas machen zu dürfen. Sie sagt: Orientiert euch an der Praxis, und meint: Nehmt uns die Kosten der betrieblichen Bildung ab. Sie sagt, die Unis müssen das im globalen Wettbewerb tun, präsentieren ihre dinkelbraunen Quoteninder und die Haarspray-Killerin aus der HR mit Westküsten-MBA als die Rollenmodelle der Zukunft, die mit schöner Regelmässigkeit scheitert, wie man an so gut wie jeder M&A-Studie sehen kann.

Und inzwischen jammert die Wirtschaft - zurecht, übrigens - über die mangelnde Qualifikation der Turbostudenten. Nicht allzu laut, denn ein Bachelor-Depp gibt immer noch einen akzeptablen Prakti ab, und Basic Competences wie Kaffe kochen kann man auch von IPO-Spezialistinnen erwarten. Da unten glauben sie an das Rennen der Besten und daran, dass sie hier auf der richtigen Startbahn sind, aber in Wirklichkeit wird sie nachher der selbe, aufreibende Verteilungskampf treffen, der uns in den nächsten Jahren bevorsteht, und man kann nur hoffen, dass sie es intern mit der ganzen unsolidarischen Härte tun, die sie sich im Kampf der sich für die Besten haltenden angeeignet haben. Zweifel gibt es nur in den ersten Semestern und später mal, wenn eine Firma die Übernahmezusage nicht eingehalten hat, aber selbst das wird nicht offen kommuniziert.

Irgendwann werden sie sich mit dem Sachbearbeiterposten in der Kreissparkasse abgefunden haben. Was dann zumindest der sichere Arbeitsplatz ist, der nach ihrer früheren Ideologie nur bedingt einer Eigenkapitalrendite von 20% auf einem globalisierten Markt und seinen stets optimierten Mechansmen zuträglich wäre. Zum Glück versteht der Mittelständler, mit dem sie dann zu tun haben, davon nichts.

So gegen ein Uhr packen sie dann unten zusammen und gehen in ihre kleinen Wohnungen. Allein, versteht sich.

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