: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 20. Juni 2005

Sätze, die ich mag

"In spätestens zehn Jahren ist programmiertes Fernsehen ein Randmedium für die Alten und die Dummen" - von hier via hier.

Schon witzig, wenn in einer total überalteten Gesellschaft, in der ein Stoiber als Wirtschaftskompetenzling gilt und eine Merkel nicht im Sanitärbereich arbeiten muss, die Alten und die Dummen ein "Randmedium" haben sollen. Die Alten und die Dummen sind die allermeisten. Und wie deren Medienkonsum aussieht, kann sich jeder antun, wenn er mal ein Altersheim besucht. Oder nur mal seine Eltern.

Tendenziell werden die Alten und die Dummen auch nicht weniger. Das sind dann auch die Bequemen, die nur dann irgendwo einkaufen, wenn daneben ein Parkplatz ist. Das sind die Beeinflussbaren und Werbezielgruppen, im Gegensatz zu den meisten Internetfreaks, die Werbung noch nicht mal merh wahrnehmen. Die Vorstellung, dass alle tierisch interaktiv irgendwelche Streamcontents downloaden, über die Tastatur gebückt Foren nach weiteren tollen Sendungen abgrasen und die Mittelsmänner der Programmplaner überflüssig machen, ist nicht kompatibel zu Bier, Wampe, Chips und dem Wunsch nach drei Morden in der typischen Grünwalder Villa nach acht Stunden - in 10 Jahren Merstoiwelle dann eher 10 Stunden-Maloche.

Kompatibel ist es momentan nur zu Maxdome oder Youwant.com oder sonstigen lustigen Ideen aus der Zeit 1998-2001. Kennt das noch wer? Nicht? Die hatten aber schon sowas für die jungen Klugen entwick... Na egal. Vielleicht sind manche der jungen Klugen, die laut der obigen Berechnung übrig bleiben, auch einfach nur ein klein wenig vergesslich. Wahrscheinlich kreuzt bald wieder so ein junger Klugseinwollender bei Bertelsmann auf und behauptet was von Internetauto-TV-on-Demand via UMTS. Für die ganz kleinen Supachecker auf der Rückbank, die noch nie was von Jobmaschine Internet gehört haben. Oder von B2C-Marketplaces, oder vom grandiosen Erfolg der Musikplattformen, wo jeder Musiker ganz schnell zum Star werden konnte. Und sei es auch nur mit dem gesampelten Clicken auf die Reload-Taste.

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Real Life 19.06.05 - Elitesse in Love

Es heisst hier nicht, wie weiter südlich, Siesta, sondern ganz banal Mittagsschlaf. Früher spiegelte sich das auch in den Geschäftszeiten wieder, und heute hält man sich zumindest im Sommer, am Sonntag noch daran. Früher Nachmittag in der Stadt, da passiert absolut nichts. Die schlechteren Söhne aus besserem Hause vertreiben sich ihre Zeit mit einer Silberschale und 8 Eiertomaten, die weit abseits von meditativem Feng Shui und der Weltentsagung der Stilleben so angeordnet werden, dass die nach oben gerichteten Nippel der Tomaten die erwartete Besucherin optisch auf das einstellt, was besagte Söhne gerne von ihr sehen würden.



Und in Gedanken an eine vielleicht verflossenes Ideal hoch im Norden summen sie: "Zieh dich aus, kleine Maus, mach dich..." Das Leben ist schön, hier oben.

In der Stadt gibt es zwei Arten von Menschen: Die einen haben eine Dachterasse und geniessen ihr Leben im unendlich blauen Äther hoch über der Stadt, die anderen haben Löcher ohne Balkon und verkümmern zwischen engen, viel zu engen Wänden. Im Winter spielt das keine Rolle, im Sommer ist es die einzig relevante Differenzierung. Die schlechteren Söhne haben Dachterassen, die Elitessen unter ihnen haben Gänge mit Überdachung und Schiessschartenfenster, und einen Kasernenhof voller Sand und Kiesel, als ob es ein Exerzierplatz wäre. Keine Blume, kein Strauch, kein Gras, kein Baum, nichts, der ideale Ort für chronische Lebenshasser und Drillfetischisten. Insofern, gut, nicht ganz unpassend für die Elitessen und sonstige Career Turbos in ihren Kasematten.

Aber zwischen dem Giessen von Basilikum und Rosmarin schnackelt ein Schloss, eine Elitesse geht zur Freitreppe und telefoniert. So, wie das herübergetragene Gewisper klingt, weil sich ihr Herz geöffnet hat, und das verträgt keine geschlossenen Räume. Sie trägt einen dieser leichten, hellbraunen, gerade noch förmlichen Röcke, die sich die Elitessen in den Metropolen beim Praktikum kaufen, Flipflops und obenrum ein halbes Nichts, das seine Existenz vor allem den schwarzen Spaghettiträgern verdankt. Schwarze Spaghetti mit Pesto a la Siciliana, sahnig und hellbraun, das wäre auch eine Idee für heute Abend.

Sie spricht leise, und lacht hell. Bessere Söhne verstehen kein Wort und trotzdem sofort, denn die Art, wie sie ans Geländer tritt, ihre Füsse durch das Gitter schiebt, die Zehen betrachtet und sie aneinander reibt, wie sie sich wieder löst, in den Schatten wandelt und sich an die Wand schmiegt, wie sie den Kopf zur Seite neigt und sich an den Hörer lehnt wie an eine Schulter, sagt alles. Der sanfte Wind spielt mit ihrem Rock und den Haaren, und sie zuft hier und da an sich. Es ist der Anruf, auf den sie gewartet hat, und sie weiss, dass er das mögen wird, was er, heute, morgen, irgendwann Nachts bei ihr finden soll.

Dann, nach langem Hin und her, ist das Gespräch vorbei. Sie lächelt das Telefon an, als die Verbindung erlischt, und tänzelt zurück in ihr Loch mit Schiessscharte. Die besseren Söhne mögen den Anblick ihres bewegten Körpers, und hoffen, dass sie jetzt irgendwas macht, das nichts mit Human Ressources Development, Marketing Strategy, Powerpoint oder kreativer Buchführung zu tun hat.

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