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Donnerstag, 9. Juni 2005
Sehr zu empfehlen - was alles geht
Und irgendwann ist dann der Moment erreicht, da das Unheil in das Leben eines Wohnungsrestaurateurs tritt. Oft, allzu oft ist das Unheil die Zweitgeborenenbrut der eigenen Eltern, und die wirft, weil genervt, neidisch oder einfach nur so, einen schiefen Blick auf einen Teppich und sagt: Das passt überhaupt nicht zur Wandbespannung. Und verweist auf Hypeblättchen wie AD - Architectural Digest, in der irgendwelche Villen von Sachsen-Glorias und Häuser von promotiongeilen Tütü-Architekten vorgestellt werden. Da ist das von mir geplante Ambiente nämlich nicht abgebildet, also kann es gar nicht passen.
Nun bin ich Kulturhistoriker mit einem Schwerpunkt auf frühe Neuzeit und die AD nur ein von vielen Anwaltsgattinnnen gehaltenes Werbeblättchen, das mitunter heute das nachzuschreibt, was vor 6 Monaten bei International Interieur zu lesen stand - so sieht man da momentan auf Kronleuchtern die spiessigen Hütchen auf den Lampen, die Dolce & Gabbana in einem Anfall von Interieurverarsche verwendet haben. Bitte, wie gay ist das denn? Hütchen. Also echt.
Nichts desto trotz hilft es, sich die zeitgemässen Farben der geplanten Einrichtung am lebenden Objekt anzuschauen. Gleich neben meiner Provinz ist gewissermassen die Provinz der Provinz mit dem Namen Neuburg an der Donau. Neuburg ist für uns das, was Tschernobyl für Kiew ist, und ihr Autokennzeichen ND steht bei uns für "Nationaldepp". Nach Neuburg fährt man über den Deadroad Track der B16, eine Strasse mit ziemlich hoher Unfallquote. Da stehen alle paar Meter die Marterl, an manchen Kurven auch zwei oder drei. Das ist hart. Am Ende kommt dann ein geschlossenes frühneuzeitliches Ensemble, das von der Donau aus so aussieht:
Neuburg war ab 1505 Residenz der damals neugeschaffenen Pfalz, hat ein entsprechend üppiges manieristisches Schloss und eine fast völlig intakte Altstadt. Und Bewohner, die bereitwillig die alten Fassungen und Farben wieder so auftragen, wie es zur Hochzeit des Ortes Mode war. Will sagen, früher war Neuburg nie so authentisch, wie es heute aussieht; kein Dreck, kein Kot auf den Strassen, kein Zerfall und kein Niedergang, obwohl es das hier immer wieder nachweislich gab.
Dafür findet man hier wie in einer riesigen Datenbank die Farben, die in dieser Region tatsächlich vorhanden waren. Die Hausbauer waren keine Kinder von Traurigkeit und dezenter Kolorierung, gleich nebenan in der Kirche war ein Farbrausch von Rubens, da brauchte sich keiner was wegen ein bisschen orange oder rosa denken. Da wurde vieles aufgetragen und gemischt, was heutigen Innenarchitekten die Eier abfallen lassen würde:
Rosa, Grün und Goldgelb kommen zusammen an ein und dem selben Gebäude vor, es wird Stein vorgetäuscht und kräftig gepinselt, bis das letzte Kalkweiss verschwunden ist. Alles geht. Nach einer Stunde kann einen keine Bonbon- oder Tortenfarbe mehr schockieren, das alles ist kein Problem, es harmoniert, nur feige sollte man nicht sein. Dagegen sind meine Teppiche und die Wandbespannung dezent.
Im Schloss selbst gibt es dann noch Beispiele für originale Wandbespannung aus dem 18. Jahrhundert, die nicht im Mindesten so sauber gemacht war, wie man das vielleicht erwarten würde. Und eine Ausstellung über den hiesigen Ottheinrich und den Landshuter Erbfolgekrieg, die zeigt, dass Bayern das System der Landesausstellungen noch immer nicht begriffen hat. Ohne fundiertes Fachwissen, intensives Studium des Katalogs oder Don Alphonso als Begleiter ist man da drinnen ziemlich verloren unter schlecht erklärten Zusammenhängen und Exponaten. Aber das war ja nicht das Ziel der Exkursion. Sondern Selbstbestätigung.
Nun bin ich Kulturhistoriker mit einem Schwerpunkt auf frühe Neuzeit und die AD nur ein von vielen Anwaltsgattinnnen gehaltenes Werbeblättchen, das mitunter heute das nachzuschreibt, was vor 6 Monaten bei International Interieur zu lesen stand - so sieht man da momentan auf Kronleuchtern die spiessigen Hütchen auf den Lampen, die Dolce & Gabbana in einem Anfall von Interieurverarsche verwendet haben. Bitte, wie gay ist das denn? Hütchen. Also echt.
Nichts desto trotz hilft es, sich die zeitgemässen Farben der geplanten Einrichtung am lebenden Objekt anzuschauen. Gleich neben meiner Provinz ist gewissermassen die Provinz der Provinz mit dem Namen Neuburg an der Donau. Neuburg ist für uns das, was Tschernobyl für Kiew ist, und ihr Autokennzeichen ND steht bei uns für "Nationaldepp". Nach Neuburg fährt man über den Deadroad Track der B16, eine Strasse mit ziemlich hoher Unfallquote. Da stehen alle paar Meter die Marterl, an manchen Kurven auch zwei oder drei. Das ist hart. Am Ende kommt dann ein geschlossenes frühneuzeitliches Ensemble, das von der Donau aus so aussieht:
Neuburg war ab 1505 Residenz der damals neugeschaffenen Pfalz, hat ein entsprechend üppiges manieristisches Schloss und eine fast völlig intakte Altstadt. Und Bewohner, die bereitwillig die alten Fassungen und Farben wieder so auftragen, wie es zur Hochzeit des Ortes Mode war. Will sagen, früher war Neuburg nie so authentisch, wie es heute aussieht; kein Dreck, kein Kot auf den Strassen, kein Zerfall und kein Niedergang, obwohl es das hier immer wieder nachweislich gab.
Dafür findet man hier wie in einer riesigen Datenbank die Farben, die in dieser Region tatsächlich vorhanden waren. Die Hausbauer waren keine Kinder von Traurigkeit und dezenter Kolorierung, gleich nebenan in der Kirche war ein Farbrausch von Rubens, da brauchte sich keiner was wegen ein bisschen orange oder rosa denken. Da wurde vieles aufgetragen und gemischt, was heutigen Innenarchitekten die Eier abfallen lassen würde:
Rosa, Grün und Goldgelb kommen zusammen an ein und dem selben Gebäude vor, es wird Stein vorgetäuscht und kräftig gepinselt, bis das letzte Kalkweiss verschwunden ist. Alles geht. Nach einer Stunde kann einen keine Bonbon- oder Tortenfarbe mehr schockieren, das alles ist kein Problem, es harmoniert, nur feige sollte man nicht sein. Dagegen sind meine Teppiche und die Wandbespannung dezent.
Im Schloss selbst gibt es dann noch Beispiele für originale Wandbespannung aus dem 18. Jahrhundert, die nicht im Mindesten so sauber gemacht war, wie man das vielleicht erwarten würde. Und eine Ausstellung über den hiesigen Ottheinrich und den Landshuter Erbfolgekrieg, die zeigt, dass Bayern das System der Landesausstellungen noch immer nicht begriffen hat. Ohne fundiertes Fachwissen, intensives Studium des Katalogs oder Don Alphonso als Begleiter ist man da drinnen ziemlich verloren unter schlecht erklärten Zusammenhängen und Exponaten. Aber das war ja nicht das Ziel der Exkursion. Sondern Selbstbestätigung.
donalphons, 06:40h
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