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Dienstag, 5. Juli 2005
Real Life 04.07.2005 -Sturmfront
Da kommt ein Gewitter, sagst du, und weil sie es vom Fenster aus nicht richtig sehen kann, geht ihr auf die Dachterasse, wo das Licht des Tages schon in einem fahlen Grau erstickt. Aus dem Westen, ausgestreckt über den ganzen Horizont, ist eine Front im Anmarsch, rasend schnell und finster. Du stehst neben ihr, schweigend, obwohl du eigentlich nochmal was zu sagen hast, etwas wie, dass man nie zu alt ist, sein Leben nochmal zu ändern, und dass es das noch lange nicht gewsen sein muss, und eine Scheidung nicht das Schlimmste sein muss, jedenfalls besser als die komische Idee, das alles mit einer Schwangerschaft jetzt noch retten zu wollen. Das, was da kommt, ist auch so schon genug Abbild dessen, was in ihrem Inneren tobt.
Man weiss nie, was kommt und was geschehen wird. Ausser vielleicht, dass man sich fast immer zweimal trifft, egal wie lange es her ist. Das war verdammt lang her, und der Freund, der sie damals uneingestanden neben seiner eigenen Freundin wollte, ist heute Arzt in Würzburg. Gestern hast du bei den alten Bildern eines von ihr gefunden, auf der Stufe ihrer Schule, heute kam sie dir entgegen, als du die Tür aufgesperrt hast, und sie ging spontan mit hoch. Auf eine Kanne Tee, für eine Stunde, und dann doch für einen Nachmittag, bis jetzt, als der Himmel explodiert, und sie könnte auch so kaum mehr bleiben, weil sie ja noch Verpflichtungen hat, daheim. Aber noch steht sie hier und schaut nach Westen, schweigend und faszieniert vom sinsitren Spiel der schwarzgrauen Wolken.
Dann geht sie, du bringst sie noch bis zur Treppe, und ihren Schritten kannst du entnehmen, dass sie sich beeilt. Dann stellst du dich wieder auf die Terasse und schaust zu, wie sich die Wolken zusammenballen. Langsam kommt der Wind auf, in kurzen Stössen, hier und da biegen sich die Bäume, bis die Böenwalze heranfegt, abgerissene Blätter fegen über die Dächer, und die letzten Schwalben sirren nach Osten, wo der Himmel noch in einem unnatürlichen, gelblichen Blau erstrahlt. Oben, auf dem Kamin, tappselt noch eine etwas nervöse Taube herum, direkt neben dem Blitzableiter, unter dem, sicher unzureichend vom Kamindach geschützt, ihr Nest ist. Aber es hat hier noch nie eingeschlagen. Hier passiert nie etwas.
Der Wind trägt feinen Niesel zu dir, dann die ersten dicken Tropfen, und plötzlich geht alles ganz schnell, ein Windstoss und dazu fast waagrecht das Wasser, nichts wie rein in dem Wissen, dass es sie in wenigen Augenblicken ereilen wird, da oben wandert das Gewitter mit 80, 90 Kilometern pro Stunde, da wird sie es nicht zum Auto geschafft haben. Dann bricht auch schon die Hölle los, von so ein Unwetter hat man hier oben direkt unter dem spitzen Giebel eines Stadtpalastes einen sehr unmittelbaren Eindruck, selbst wenn man nicht Mary Shelleys Beschreibung des Gebäudes kennen würde, in dem Frankenstein sein Monster erschafft und deren Dachkammer in allen Details ganz vorzüglich zu dem Raum passen würde, in dem du bist. Über ein Dutzend Kilometer hinweg, aufgereiht an einer dunklen Wolkenkette, fauchen die Blitze nach unten, du zählst die Sekunden, und dann wird es plötzlich hell wie tausend Sonnen, und es klingt so, als hätte jemand dein Trommelfell zerrissen. 100 Meter vielleicht, höchstens... aber es ist nichts passiert.
Es passiert nie etwas. Das ist alles nur Kulisse, es gibt keine echten Dramen, das Unwetter verzieht sich und die noch nicht gefallenen Töchter der besseren Familien gehen, bevor sie zwei Stunden während des Spektakels da draussen vielleicht etwas tun, hier oben so fern von ihrer Vorstadtwelt, was sie ihrem Nochmann und ihren Freundinnen nicht erzählen dürften. Und du schaust hinaus und überlegst, wie sich so eine Sturmfront wohl fühlen mag, da droben, und warum sie nicht ein einziges Mal die Stadt und das schwarze Pack und die Spiesser und die Kinderquäler und die Dummmacher und all den Lokaldreck in den grossen Fluss fegt, Tabula rasa macht und diesem Ort, an dem die Dummheit geboren wurde, eine neue Chance gibt.
Man weiss nie, was kommt und was geschehen wird. Ausser vielleicht, dass man sich fast immer zweimal trifft, egal wie lange es her ist. Das war verdammt lang her, und der Freund, der sie damals uneingestanden neben seiner eigenen Freundin wollte, ist heute Arzt in Würzburg. Gestern hast du bei den alten Bildern eines von ihr gefunden, auf der Stufe ihrer Schule, heute kam sie dir entgegen, als du die Tür aufgesperrt hast, und sie ging spontan mit hoch. Auf eine Kanne Tee, für eine Stunde, und dann doch für einen Nachmittag, bis jetzt, als der Himmel explodiert, und sie könnte auch so kaum mehr bleiben, weil sie ja noch Verpflichtungen hat, daheim. Aber noch steht sie hier und schaut nach Westen, schweigend und faszieniert vom sinsitren Spiel der schwarzgrauen Wolken.
Dann geht sie, du bringst sie noch bis zur Treppe, und ihren Schritten kannst du entnehmen, dass sie sich beeilt. Dann stellst du dich wieder auf die Terasse und schaust zu, wie sich die Wolken zusammenballen. Langsam kommt der Wind auf, in kurzen Stössen, hier und da biegen sich die Bäume, bis die Böenwalze heranfegt, abgerissene Blätter fegen über die Dächer, und die letzten Schwalben sirren nach Osten, wo der Himmel noch in einem unnatürlichen, gelblichen Blau erstrahlt. Oben, auf dem Kamin, tappselt noch eine etwas nervöse Taube herum, direkt neben dem Blitzableiter, unter dem, sicher unzureichend vom Kamindach geschützt, ihr Nest ist. Aber es hat hier noch nie eingeschlagen. Hier passiert nie etwas.
Der Wind trägt feinen Niesel zu dir, dann die ersten dicken Tropfen, und plötzlich geht alles ganz schnell, ein Windstoss und dazu fast waagrecht das Wasser, nichts wie rein in dem Wissen, dass es sie in wenigen Augenblicken ereilen wird, da oben wandert das Gewitter mit 80, 90 Kilometern pro Stunde, da wird sie es nicht zum Auto geschafft haben. Dann bricht auch schon die Hölle los, von so ein Unwetter hat man hier oben direkt unter dem spitzen Giebel eines Stadtpalastes einen sehr unmittelbaren Eindruck, selbst wenn man nicht Mary Shelleys Beschreibung des Gebäudes kennen würde, in dem Frankenstein sein Monster erschafft und deren Dachkammer in allen Details ganz vorzüglich zu dem Raum passen würde, in dem du bist. Über ein Dutzend Kilometer hinweg, aufgereiht an einer dunklen Wolkenkette, fauchen die Blitze nach unten, du zählst die Sekunden, und dann wird es plötzlich hell wie tausend Sonnen, und es klingt so, als hätte jemand dein Trommelfell zerrissen. 100 Meter vielleicht, höchstens... aber es ist nichts passiert.
Es passiert nie etwas. Das ist alles nur Kulisse, es gibt keine echten Dramen, das Unwetter verzieht sich und die noch nicht gefallenen Töchter der besseren Familien gehen, bevor sie zwei Stunden während des Spektakels da draussen vielleicht etwas tun, hier oben so fern von ihrer Vorstadtwelt, was sie ihrem Nochmann und ihren Freundinnen nicht erzählen dürften. Und du schaust hinaus und überlegst, wie sich so eine Sturmfront wohl fühlen mag, da droben, und warum sie nicht ein einziges Mal die Stadt und das schwarze Pack und die Spiesser und die Kinderquäler und die Dummmacher und all den Lokaldreck in den grossen Fluss fegt, Tabula rasa macht und diesem Ort, an dem die Dummheit geboren wurde, eine neue Chance gibt.
donalphons, 17:59h
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