: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 30. Juli 2005

Real Life 27.07.2005 - from Dusk until Dawn

Alles passt. Der Himmel, die Wolken wie gehämmerte Silberplättchen, die frisch bezogenen Deck Chairs, wobei zwei einer zu viel sind, denn schliesslich bist du allein über der Stadt, splendid Isolation, während unten eine Elitesse einen Bürostuhl in ihr kleines Wohnloch schleppt.



So richtig vorzeigbar bist Du allerdings nicht, schliesslich haben vier Stunden Spachtelei ihre weissen Spuren auf deiner Haut hinterlassen, und auch die Bekleidung entspricht nicht den Standards, die du über Jahre für dich selbst gesetzt hast. Kurz, es ist nicht die Stunde, da du Besuch empfangen willst, aber es fragt dich ja auch keiner.

Auch nicht zwei Stunden später, als es schon ziemlich dunkel ist und plötzlich jemand die Treppe heraufkommt. Einfach so, ohne Anmeldung. Es ist die Elitesse mit den cremefarbenen Schuhen, sie hat hochgeschaut und das Licht gesehen, auf Klingeln und Anrufen hast du im Halbschlaf nicht reagiert, und weil unten offen war, wollte sie mal raufschauen, was du so machst - du machst schleunigst einen Tee für sie und dich selbst vorzeigbar.

Da liegt sie also auf dem - passenderweise - cremeweiss bespannten Deck Chair, und du musst nur ihre kleine, keck in die Nachtluft gestreckte Nase ansehen, um zu wissen, was los ist. Es geht ihr schlecht. Verdammt schlecht. Zwischenprüfungen. Und sie hat kein gutes Gefühl. Gar nicht. Und ob das dann mal mit der Karriere so wird, wie sie sich das vorgestellt hat, weiss sie auch nicht. Sie weiss eigentlich gar nichts mehr, ausser dass sie Angst hat, und ein Zigarettenproblem. Das übliche halt.

Du lenkst sie ab und erzählst vom Leben hier über der Stadt, dass es dir eigentlich ziemlich gut geht, wie langsam der Raum ensteht und wie das wohl später mal ist, wenn man dort im Herbst aufwacht und die Morgensonnealles mit Licht übergiesst. Und sie fragt dich, wieso du es eigentlich tust, du könntest doch auch einfach einen Handwerker nehmen, das sei gar nicht so teuer, und im Moment würden sich auf Ebay und sonstwo Handwerker auch versteigern, das wäre dann ganz billig.

Es wäre noch billiger, wenn du den Impuls, sie jetzt hochkant rauszuschmeissen, nicht unterdrücken würdest, aber du brauchst sie noch, denn du bist stolzer Besitzer zweier Karten für eine grandiose Händel-Inszenierung, verfügst aber leider nicht über die passende Begleitung, da die Idealbesetzung dafür abgesagt hat, und deshalb hast du sich entschlossen, sie aus diesem Anlass in die sog. bessere Gesellschaft der Provinz einzuführen. Du lächselst sie zart an, dankst ein wenig gerührt an ihre doch ganz sympathischen Selbstzzweifel und Ängste, und erzählst ihr die

Geschichte von dem CEO, welcher seine Firma über einen im Internet ausfindig gemachten Handwerker einrichten liess

In den mythischen Zeiten der New Economy, in einem eitlen Reich namens Munich Area, wo die Sonne immer zu scheinen schien und das Geld auf der Strasse lag, gab es einen jungen Mann, den du schon etwas länger gekannt hast. Der war eigentlich sehr nett, nur hatte ihn das Leben in diesem Reich etwas verdorben. Der Business Plan, das Incubating, der Kontakt zu Beraterbütteln und die Furcht vor Bankdieben, dann plötzlich die Geldschwemme eines Business Deo ex money machina, das alles hatte ihn etwas moralisch aufgelockert.

Und dann ging es daran, seine Firma einzurichten. Schnell sollte es gehen, flexibel sollte es sein, mobil und dennoch schön und wertvoll. Nur nicht teuer. Teuer mochte er gar nicht, denn schon nach den ersten drei Kongressen in Nizza, Tel Aviv und Hamburg hatten er und sein im Freundeskreis zusammengerafftes Management etwas zu viel Geld verbraten - man ahnt gar nicht, was so ein Limo-Service vom Flughafen so kostet.

Und deshalb liess er sich erst mal einen Kostenvoranschlag machen, dann noch einen, dann noch einen und wieder einen, den Billigsten fragte er dann, was es wohl billiger werden würde, wenn er ein paar Studenten auf Stundenbasis selbst beschaffen würde, und als das immer noch zu teuer war, kaufte er die Möbel einfach so und liess das alles von einem Typen holen, den er im Internet per Suchmaschine gefunden hatte. Der versprach ihm schnellste Arbeit in der Nacht, dass es nicht stören würde, ohne Zuschläge und auch bei der Rechnung, nun, da könne man ja was schreiben, was nicht so krass beim Finanzamt, und so.

Und so willigte der junge Mann ein, gab dem Möbelaufbauer und seinen Gehilfen den Zugang zu seiner Firma, und die schafften es tatsächlich in einer Nacht, dass alles da stand, wo es stehen sollte. Nicht zusammengebaut. Das ging extra, das habe man nicht ausgemacht. Der junge Mann tobte, gab ihnen nach einer beinahe-Prügelei mit kräftigen Möbelpackern die bislang verienbahrte Summe und schmiss sie raus. Dann kommandierte er seine Mitarbeiter zum Aufbauen ab. Das hätte ja mit dem Teufel zugehen müssen, wenn man das nicht zur Mittagspause... oder bis zum Nachmittag.. oder zumindest bis Abends... oder allerspätestens Mitternacht schaffen würde.

Als der Business Angel am nächsten Tag dann mal über die Eames-Trümmer auf dem Büroschlachtfeld vorbeischaute und über Möbelfragmente stolperte, die laut Prospekt eigentlich sehr teuere, schöne Luxusbüromöbel sein sollte, soll er sehr ungehalten gewesen sein. Zumindest berichtete dir das dein Bekannter, als ich ihn nach längerer Zeit mal wieder im Odeon getroffen hatte. Dazu hatte er nicht mehr so viel Zeit, mit dem wütenden Business Angel im Nacken. Der fand es abartig, seine Manager mit dem Inbusschlüssel schrauben zu sehen, bei selbst genehmigten Stundensätzen von 200 Euro aufwärts. So ist das mit den Handwerkern im Internet.

Dann redest du über was anderes und setzt ein paar Trümmer ihrer kaputten Psyche wieder zusammen; gerade so, dass sie beim Praktikum vorzeigbar ist, aber nicht so sehr, dass sie nicht noch ein paar Zweifel hätte. Zweifel können in ihrer Welt lebensrettend sein. Wenn du selbst früher Zweifel gehabt hättest, als du dort warst, wo es sie und andere Ahnungslose hinzieht, dann...



Später, sehr viel später, als die schon ein paar Stunden gegangen ist, geht die Sonne für dich alleine auf.

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Die Taube

Früher, vor drei Tagen, als das Wetter noch schön war und sich das Geflügel des Abends vom Nachmittagssex ausruhte:



Aus der Serie: Ich will auch so knipsen können wie das Sickgirl.

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