: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 18. September 2006

Der Don, der Papst, sein Zwetschgendatschi und das Rezept

Hier stand in den letzten Tagen allerhand wenig freundliches über einen Herrn aus Rom. Obwohl er und ich tief in der gleichen Provinz verwurzelt sind, obwohl Donau und Inn die gleiche, malerische Landschaft geformt haben, so sind die inhaltlichen Differenzen tiefer als der Donaudurchbruch bei Weltenburg, und nicht einfach owizwschoam wie das Bier der dort ansässigen Brauerei des Klosters Weltenburg. Der Mann ist mir fremd.

Aber es gab einen Moment, da kann ich mich in ihn hineinversetzen. Nicht der bekannte Benedikt der XVI., Beherrscher der Gläubigen, nein, der Sepp also sass letzte Woche bei Regensburg im Garten seines Bruders, nicht weiter als ich von der Donau, und genoss den sonnigen Tag ohne Verpflichtungen. In den Büschen lauerten Scharfschützen, irgendwo weit weg kreiste der Hubschrauber, aber Sepp nahm es kaum wahr. Er sprach mit seinem Bruder etwas wie: "In der Frage der Abtreibungen..." - und dann geschah es.

Die Scharfschützen zuckten zusammen, da war dieses Plopp wie von einer Pistole mit Schalldämpfer. Auch der Sepp vernahm es, aber das Wetter hatte ihn milde gemacht, und er erinnerte sich, was dieses Geräusch bedeutete: Vom alten Zwetschgenbaum, unter dem der päpstliche Liegestuhl war, hatte sich eine Zwetschge gelöst, und war direkt vor seinen Füssen in das Gras gepurzelt. Sepp hielt inne, betrachtete das blau-violette Früchtchen, das ihn mit seinen unkeuschen Formen anlachte, lächelte zurück, und dann erinnerte er sich an

früher, als es an den Strassen des Bayernlandes noch Zwetschgenbäume gab. Echte Zwetschgen, nicht diese aufgeblähten EU-Pflaumen, zweimal so gross und ein Drittel des Geschmacks. Kleine, intensiv gefärbte Früchte, die nie zur gleichen Zeit gleich reif sind, und nicht voller Wasser und Spritzgiften. Die standen da so, man konnte einfach rausfahren und einen Eimer holen. Es gehörte allen. Ob es solche Bäume noch gibt, dachte Sepp und hob die Zwetschge auf. Fahren sie noch hinaus und sammeln sie, hier im Bayernland?



Und essen sie draussen schon so viel, dass ihnen schlecht wird? So war es in seiner Jugend. 5 Kilo mitnehmen, dann bleiben drei für den Datschi. Der Datschi.... herrgottsakra, das wär jetzt was, so ein Datschi, aus kleinen Zwetschgen von der Strasse geholt.



Die waren perfekt, die musste man nur einmal rundrum schneiden, damit sie passen. In der Schüssel glänzten sie damals nass, und wenn man sie aufschnitt und die Kerne entfernte, über das feuchte Fruchtfleisch glitt, diese Vorfreude, und dann der Hefenteig



an dem man seine Lust abarbeiten kann, wie das Fleisch der Jungfrau, gebeneideit sei dein Name, so weich, so griffig, heineinfassen, durchkneten, dass es eine Freude ist, so ging das damals im Bayernland, nach der Hitze der Frucht die Kühle des gährenden Teiges, und dann stehen lassen



und auswoigeln. Wie heisst das eigentlich auf hochdeutsch? Auf Kirchlatein? Gibt es da so ein lautmalerisches Wort wie auswoigeln, das den Schub, die Kraft und das lustvolle Zucken des Teiges unter dem Nudelholz so begreifbar macht? Dünn muss er sein, der Teig, überall gleich dick, nur an den Ränders sollte er dicker sein, um später den Saft aufzufangen,



der aus den Zwetschgen kommt. Die werden in Reihen angeordnet, etwas steiler gestellt an den Rändern, etwas flacher in der Mitte. Da sind die kleinen Zwetschgen im Vorteil, denn sie müssen nicht mehrfach geschlitzt werden, um gut zu liegen. Dann bei 200 Grad für 40 Minuten in den Ofen,



von dem dann der süssliche, unverwechselbare Duft durch alle Räume zieht, der Duft des ausgekochten Saftes, süss und dick, den man kennt und der einen bitter enttäuscht, wenn man zu spät kam und die Geschwister schon alles gefressen hatte, wie man es aber selber auch getan hat, Völlerei, Diebstahl und Neid, drei Todsünden, die nach 40 Minuten in diesem lieblichen Giftgas und bei diesem Anblick



mehr als verzeihlich sind, denn Gott hätte den Zwetschgenbaum mit seinen kurzen Reifephasen nicht erschaffen, um dem Menschen dann diese Zwetschgenvernichtungsorgien zu verbieten. Schnell noch drei Esslöffel Zucker drauf, damit der Saft, diese unendliche Süsse der Zwetschge auch drinbleibt und den Geschmack zum Äussersten treibt, den Hefeteig durchdringt und das alles so weich macht wie... Die Abtreibung, heiliger Vater? fragt ein Sekretär, der glaubt, der Sepp hätte vielleicht einen Aussetzer. Die Ab, ach so, sagt Sepp, schaut sich die Zwetschge in seiner Hand an, macht sie auf, probiert sie, schliesst die Augen und meint sich einen Moment daran erinnern zu können, wie das war, mit dem ersten Stück, das noch heiss abgeschnitten und dann warm gegessen wurde...



Sogamoi, sagt der Sepp zu seinem Bruder, hobts ned an Datsche gmocht von dene Zwetschgn, und sein Bruder wird es verneint haben, denn so etwas Simples wollte man dem Sepp nicht vorsetzen.

Da seufzt der Sepp und wäre einen Moment gern ein anderer, vielleicht sogar ein mosaisches Jungerl irgendwo anders an der Donau, in einem alten Jesuitenkolleg, Hauptsache, er hätte diesen Datschi, das wär´s jetzt, dann würde er morgen in der Universität auch was über den Geschmack erzählen, der uns alle eint, statt diesem komischen Zitat von einem ewig lang toten Byzantiner, das ein Sekretär rausgekramt hat.

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