: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 28. September 2006

Einfache Freuden

Johann, gehn´S, wenn jemand anruft, vertrösten Sie ihn bittschön auf morgen, ich bin beschäftigt.



Die immer geäusserte Frage für kommende Besucher - da gibt es in den nächsten Wochen einige - lautet: Kommst Du noch zur Datschizeit oder erst zur Strudelzeit? Beides geht ineinander über, aber grob kann man sagen: Sobald die Zwetschgen gar sind, holt man die Äpfel aus dem Keller. So in ungefähr 2, 3 Wochen.

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Privates Sammeln, öffentliches Besitzen

Keine Frage, der Deal, den der Ministerpräsident von Baden-Württemberg mit dem ehemaligen Herrscherhaus Baden ausgehandelt hat, ist widerlich: Grosser Auktionsramsch der Landesbibliothek Karlsruhe zugunsten des letzten Schlosses Salem, das der Familie noch bleibt. Und es ist auch ein Schlag ins Gesicht für alle anderen, die sich den Rücken wundarbeiten, um historische Bausubstanz zu retten, ohne dass sie dafür irgendwas anderes bekommen als teure Auflagen vom Denkmalschutz.

Natürlich ist die Erhaltung grosser Häuser ein Verdienst, den man honorieren kann, und Salem ist sicher keine kleine Verpflichtung. Würde ich mich aber hinstellen und ähnlich rumkrakeelen - da wäre nämlich durchaus noch eine Geschichte offen aus der Zeit vor 1945 - und ansonsten versuchen, dem alten Glanz der Familie durch Bewohnen von zweieinhalb Stockwerken und 25 Zimmern nachzueifern, weil es früher so war, und würde ich dann pleite gehen - keine Träne würde man mir nachweinen, und ich kann das nachvollziehen. Das Leben im 21. Jahrhundert zwingt alle Besitzer alter grosser Häuser zu Kompromissen, egal wie sehr das Ergebnnis später nach verlorener Grösse riecht. 10 Zimmer müssen für das kleine spanische Hofzeremoniell reichen ;-). Meine Mutter war eben die letzte der Familie, die noch eine Haushälterin hatte, und die Zeiten, in denen der Patron hinten aufstockt, um nochmal Platz zu schaffen für 5 Arbeitskräfte, die ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sind glücklicherweise vorbei. Ich putze eben meine Wohnung selber, und wenn die Hilfskräfte Urlaub haben, sieht man mich durchaus auch beim Treppenputzen. Und nachher schneide ich den Wein. Ich mache das gerne.

Es hat also schon seine Gründe, wenn die grossen Häuser Englands, Italiens und Frankreichs meist im Staatsbesitz sind. Das ist wegen der Grösse nicht anders zu machen. Wer so ein Haus haben will, muss mit den Konsequenzen leben, und die sind durchaus heftig. Und dennoch, bei allem Widerwillen gegen diese Entscheidung des Ausverkaufs zugunsten der ehemaligen Herren, in einem Punkt kann ich die Sache nicht nachvollziehen - und das ist die Angst vor dem Übergang von Kulturgut in Privathände. Denn das Wechselspiel zwischen Privat und Öffentlichkeit hat durchaus Tradition und Sinn.



Denn wer Museumsleute und ihre Marotten kennt, weiss um die Zweiseitigkeit dieser Geschichte. Museumsleute gehören auf den Auktionen dieser Welt zum Übelsten, was man sich vorstellen kann, vom MoMa bis runter zum Ortskundezimmerchen. Der Grund dafür sind weniger die staatlichen Budgets für Ankäufe, als vielmehr der Zwang, möglichst spektakuläre Neuerwerbungen zu haben. Die Gier, die aus den Seiten mit den frischen Prunkstücken des Städel-Jahrbuchs trieft, ist immens. Museumsleute profilieren sich mit solchen Zukäufen, für die eigene Berühmtheit und zum Requirieren weiterer Mittel bei Stiftern und öffentlichen Stellen. Die Folgen sind Vorkaufsdeals mit Auktionshäusern, überzogene Preise etwa bei Chippendale- und Röntgenmöbeln, und das, obwohl die Depots weltweit überquellen von derartigen Stücken. Und nachher fehlt das Geld zur Erhaltung - man schaue sich nur mal etwas genauer in Nymphenburg oder Ansbach die Möbel an.

Was in Depots verschimmelt, in Kisten schläft oder in Hallen abgestellt wird, ist der unter dem Wasser liegende Körper des Eisbergs, ohne den es scheinbar in der Kulturpolitik nicht geht. Kein Privatsammler könnte seinen Besitz mehr wegschliessen, als die Vorratspolitik staatlicher Stellen. Und weil von dort etwas kaum mehr in den Handel gelangt, verknappt es auf Dauer die freie Zirkulation, die man sehr schön in den Katalogen von Sotheby´s und Christie nachvollziehen kann: Denn dort tauchen viele Stücke nach 20, 40, 60 Jahren wieder auf, wenn eine Sammlung zerschlagen wird. Sie wurden geschätzt, beliebt und bewundert, der Besitzer hat sich daran gefreut, und dann ist der Nächste dran, denn jeder Sammler stirbt irgendwann, Es gibt dann zumindest einen Katalog und eine Einordnung der Werke - mehr als die staatlichen Stellen hinbekommen. Und der Katalog eröffnet einen neuen Kreislauf.

Nur der Staat, der ist ewig. Es gibt da ein Buch in meiner Bibliothek, das eine bestimmte staatliche Stelle dringend haben will; ein Philosph hat in den 20er Jahren eines seiner wichtigsten Quellenwerke mit Anstreichungen und Notizen - noch dazu eine Originalausgabe aus dem XVIII. Jahrhundet - verschenkt, und somit ein Loch in seine Bibliothek gerissen. Durch Zufall gelangte das Buch zu mir, und wenn ich sterbe, dachte ich, können sie es haben. Sollen sie doch die Habil "Philosoph X und seine Rezeption der kleinen Romane Voltaires unter besonderer Berücksichtigung des Candide" schreiben. Aber so, wie es gerade in der Heimat des Philosphen abgeht, in Baden-Württemberg nämlich, wäre das ein doppelter Fehler - es käme zu einem gierigen Staat, der es erst wegsperrt und vielleicht später die gesparten Mittel einem noch gierigeren Haus in den Rachen wirft.

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