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Mittwoch, 27. September 2006
Real Life 26.9.06 - Tracht global
Du trägst keine Tracht. Es gibt keinen Grund dazu, obwohl dein Clan länger in dieser Region ist, als die meisten anderen Bewohner der Stadt, und auch länger, als die "Tracht" im Historismus erfunden wurde. Genau genommen hast du keine Tracht, eben weil ihr schon länger da seid. Denn Stadterer tragen keine Tracht, das ist ein Standeskennzeichen der Dorfbewohner. Als Stadtbewohner Tracht anzuziehen, wäre in etwa so, als würde ein Bewohner Moskaus den Kaftan anziehen. Tracht hat das wenige an Tradition, das es besitzt, nur draussen, aber nicht hier drinnen. Der dreiteilige Anzug, das ist es, was dich und deine Vorfahren als Angehörige der städtischen sog. besseren Gesellschaft ausweist und hier und allen anderen Städten erkennbar macht. Tracht geht gar nicht.
Tracht aber trägt der Typ auf der anderen Strassenseite: Blond, gross, schlacksig, vom Körperbau her, das erkennt man als Eingeborener sofort, kein Bayer. Der ausschreitende Gang, die schlenkernden Arme, das alles passt nicht zur Krachledernen. Obwohl, er hat keine Krachlederne an, sondern eine Hose aus hellbraunem Wildleder, aufwendig von oben bis unten bestickt, und mit geflochtenen Kordeln an den Trägern. Hinten hat er eine gerade Arschnaht - billig und nicht bayerisch. Und als wäre das alles noch nicht gebrochen genug, isst er Eis aus der Waffel. Natürlich ist es der hiesigen Bauern Sitte, ohne Manieren auf der Strasse zu fressen, aber kein Eis. Und noch etwas passt nicht. Du hörst keine Schritte. Die Schuhe haben keinen Klang. Du schaust genau hin - es sind keine Haferlschuhe, sondern seitlich gebundene Moccasins mit flacher Plastiksohle und Haferloptik.
He, da jehts lang, tönt es von hinten. Der Typ dreht sich um, du auch, und hinter ihm kommen noch drei andere, ähnlich verkleidete Typen her. Nö, ruft er zurück. Doch, da runter, sagt einer, der zum Holzfällerhemd allerdings eine Jeans trägt. Die anderen beiden reden was von den Prüfungen im Kurs Marketing II. Wir können doch auch vorne rumgehen, insistiert der Eislutscher, fügt sich dann aber der abbiegenden Mehrheit und kehrt um, in die Richtung, wo das Volksfest das Gschwerl des Umlandes und der Elite-Uni anzieht.
Du gehst weiter Richtung Stadtmitte, wunderst dich noch, wo die eigentlich ihre abartig falschen Wildlederhosen herhaben, und dann kommst du an einem Geschäft vorbei und weisst es:
Der einzige Trost ist das Wissen, dass sich die in China gefertigten Nähte bald auflösen werden, das auf den Weltmärkten zusammengekaufte Leder mit unschönen Substanzen verseucht ist, sie sich einem schnellen Tod entgegensaufen und den Alterungsprozess mit Aldifood noch beschleunigen. Und wenn sie vergangen sind, werden andere Deppen hierher kommen und wieder billige chinesische Trachten kaufen und bayerisches Bier drüberschütten, das ist die Globalisierung, Baby, oans zwoa, drei, gsuffa, denn der Sonderpreis macht immer das Rennen, 199, dea kriegt man sonst doch nur ein paar Schuhe, hey das ist cool, und so billig, dieses Bayern, und den anderen bleibt nur das granteln -
oder ihnen aufm Blog oane einzubetonian, dene varegtn Brunzkacheln, dene elendiglichn.
Tracht aber trägt der Typ auf der anderen Strassenseite: Blond, gross, schlacksig, vom Körperbau her, das erkennt man als Eingeborener sofort, kein Bayer. Der ausschreitende Gang, die schlenkernden Arme, das alles passt nicht zur Krachledernen. Obwohl, er hat keine Krachlederne an, sondern eine Hose aus hellbraunem Wildleder, aufwendig von oben bis unten bestickt, und mit geflochtenen Kordeln an den Trägern. Hinten hat er eine gerade Arschnaht - billig und nicht bayerisch. Und als wäre das alles noch nicht gebrochen genug, isst er Eis aus der Waffel. Natürlich ist es der hiesigen Bauern Sitte, ohne Manieren auf der Strasse zu fressen, aber kein Eis. Und noch etwas passt nicht. Du hörst keine Schritte. Die Schuhe haben keinen Klang. Du schaust genau hin - es sind keine Haferlschuhe, sondern seitlich gebundene Moccasins mit flacher Plastiksohle und Haferloptik.
He, da jehts lang, tönt es von hinten. Der Typ dreht sich um, du auch, und hinter ihm kommen noch drei andere, ähnlich verkleidete Typen her. Nö, ruft er zurück. Doch, da runter, sagt einer, der zum Holzfällerhemd allerdings eine Jeans trägt. Die anderen beiden reden was von den Prüfungen im Kurs Marketing II. Wir können doch auch vorne rumgehen, insistiert der Eislutscher, fügt sich dann aber der abbiegenden Mehrheit und kehrt um, in die Richtung, wo das Volksfest das Gschwerl des Umlandes und der Elite-Uni anzieht.
Du gehst weiter Richtung Stadtmitte, wunderst dich noch, wo die eigentlich ihre abartig falschen Wildlederhosen herhaben, und dann kommst du an einem Geschäft vorbei und weisst es:
Der einzige Trost ist das Wissen, dass sich die in China gefertigten Nähte bald auflösen werden, das auf den Weltmärkten zusammengekaufte Leder mit unschönen Substanzen verseucht ist, sie sich einem schnellen Tod entgegensaufen und den Alterungsprozess mit Aldifood noch beschleunigen. Und wenn sie vergangen sind, werden andere Deppen hierher kommen und wieder billige chinesische Trachten kaufen und bayerisches Bier drüberschütten, das ist die Globalisierung, Baby, oans zwoa, drei, gsuffa, denn der Sonderpreis macht immer das Rennen, 199, dea kriegt man sonst doch nur ein paar Schuhe, hey das ist cool, und so billig, dieses Bayern, und den anderen bleibt nur das granteln -
oder ihnen aufm Blog oane einzubetonian, dene varegtn Brunzkacheln, dene elendiglichn.
donalphons, 17:11h
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