: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 4. Dezember 2007

Empfehlung heute - Einfach mal nein sagen

Am besten so, wie in der Druckerey nein gesagt wird.

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Geschmack, besser als der Geldbeutel

Mitunter beneide ich diejenigen, die sich I*ea leisten können, leisten wollen und gar nichts anderes in ihrer Wohnung sehen möchten. Konsum, Vermögen und Geschmack sind im Einklang, und nicht in den scharfen, gierigen Dissonanzen, die mir das Besuchen der Vorbesichtigungen zur grossen Weihnachtszeit so unsagbar schwer machen. Man muss sich dort nicht auskennen; Schätzpreise und Limits sagen alles, wenn man Gefallen findet, und man kann sich die passenden Stücke ersteigern, nach Hause bringen und aufhängen. Wenn man reich genug ist. Was ich definitiv nicht bin. Es gibt Auktionen in Nürnberg, bei denen ich über 5, 6 Bieterrunden mitspielen kann, aber in München sind es schon die Aufrufpreise ohne Aufgeld, die meine Grenzen, man muss es so sagen, atomisieren. Und zwar schon beim Einstiegsauktionshaus mit dem Namen Nusser, in Schwabing.



Nehmen wir nur mal diesen Herren, der allseits wenig Beachtung findet. Ein fetter Ratspensionär, Mitte des XVIII. Jahrhundert gemalt, der selbst nicht wirklich hübsch ist, sondern feist, aufgequollen, offensichtlich ein Opfer der Ernährung dieser Zeit, die den Folgen von McDreck und Würgerking kaum nachsteht. Jenseits von Fleisch und Fett jedoch zeigt das Bild eine entzückendes Interieur, das den Reichtum des Mannes aufs Schönste beschreibt, und dann ist da noch diese Handhaltung, die dem Kundigen unmissverständlich die sexuelle Konotation seiner Begierden offen zeigt. Dieses Bild also - nun, es würde fraglos für Diskussionen sorgen, nicht jeder Besucher würde es schätzen, auch nicht in dem fraglos passenden Umfeld, den so ein jesuitischer Stadtpalast des Jahres 1600 bietet, aber: Doch. Es würde mir gefallen. Irgendwie. Wäre da nicht das vierstellige Limit + 24% Aufgeld. Und dann ist da noch die Erfahrung, dass es in aller Regel nicht dabei bleibt. Statt also ein Objekt zu haben, an dem man die Vorläufer von Max Ernsts "Beim ersten klaren Wort" trefflich diskutieren könnte, geht es ein paar Strassen weiter zu Hugo Ruef.



Aus mir völlig unerklärlichen Gründen kaufen Menschen barocke Schutzmantelmadonnen. Für mich wäre das absolut überflüssig, sowas steht bei uns auf dem Giebel und ist schon dort eher fragwürdiges Zierat eines Hauses, in dem Atheisten ihr Wesen treiben, und ich würde die Frau auch nicht haben wollen. Aber die Schlange, die hätte ich gerne. Würde man einen Kompagnon finden, der die Madonna wollte, könnte man einen Deal machen: Zusammenersteigern, er zahlt 4/5 des Materials - die Madonna - und ich 1/5 für die Schlange. Dann wäre es möglich. Wenn es beim Limit bliebe, und man den Sägegehilfen fände. Allerdings hat eine Bekannte auf ein kleines Engerl geboten, das im Eingangsbereich hing - und dessen Limit hat sich gestern mehr als verdreifacht. Also weiter.



Ebenfalls quasi um die Ecke, gleich bei meiner Münchner Wohnung, ist Hampel. Während bisher die Limits meist wenig mit dem zu tun haben, was danach tatsächlich zu bezahlen ist, orientiert man sich in der Schellingstrasse an Sotheby´s und bleibt bei Schätzpreisen, die dem Bieter schonungslos mitteilen, was ihn später mal erwartet, wenn er Glück hat. Man kann bei Hampel eigentlich nichts falsch machen, die Gemälde sind gut gehängt und fein beleuchtet, es gibt eine angenehme Cafeteria und Aufpasserinnen, die so aussehen, als gingen sie nachher auf die Fuchsjagd. In ihrem eigenen Wald, hinter ihrem Schloss. Es verringert das Vergnügen, es stört das Träumen erheblich, wenn man Haifische kennt, die Mandanten kennen, die dort auch hingehen und sich ein paar Bilder dieser Privatsammlung kaufen wollen, und das mit der Finanzkraft von ein paar hundert Millionen - Stichwort gerade noch rechtzeitig verkaufter Hedgefond - tun. Nur kurz erfrischt der Gedanke, dass die daheim an der Küchenwand hängende chinesische Keramik hier für den Preis eines Kleinwagens über den Tisch gehen würde - danach steht man wieder vor einem Stilleben mit angekettetem Affen, der Erdbeeren verschüttet, und fühlt sich ähnlich gefangen in seinen Leidenschaften, denen keine Erfüllung gegeben ist. Es sei denn, man betrachtet das alles als langfristige Geschichte, die Jahre und Jahrzehnte dauert. Die grauen Herren, die heute Vermeer und Fischer in ihre Anwesen hängen, haben ausgesorgt auf Kosten ihrer Jugend, und man weiss ja, wie das geht: Die Stücke tauchen nur kurz auf, verschwinden wieder für lange Phasen in Privatsammlungen, und wer weiss, wann sie wieder erscheinen. Aber sie werden wieder erscheinen.



Und es ist ein nicht unköstlicher Gedanke zu wissen, dass man später die gleiche Chance noch einmal haben wird, dann vielleicht mit etwas mehr Geld, wenn die Chancen der jetzigen Gewinner alle verspielt sind, und alle Tricks und gezinkten Karten mit einem Sensenhieb vom Tisch gefegt werden, zugunsten von Erben, die sich zwecks Steuer dann der alten Stücke wieder entledigen werden. Es ist ein Geschäft mit dem Tod, da darf man sich keine Illusionen machen, feiner, aber nicht weniger auf das Ableben anderer bedacht als Waffenhandel, Krieg und Drogenvertrieb.

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