: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 2. August 2008

Real Life 2.8.2008 - Der Windhund

Der Windhund lässt sich gelangweilt von seinem ebenfalls leicht ennuierten Herrchen anbinden. Da drinnen in der Bäckerei gibt es ohnehin nichts, was so einen Windhund interessieren könnte. Nichts rennt, nichts ist fressbar. Tegernseer Bäckereien sind so ziemlich genau der Lebensraum, für die Windhunde absolut nicht geschaffen sind. Oder doch?

Bei genauerer Betrachtung wimmelt es hier von Windhunden. Einer ist auf dem sandfarbenen Poloshirt des Herrchens, ein anderer auf der sandfarbenen Jeans, und auf den sandfarbenen Schuhe ist auch ein kleines Windhundbapperl. Nur die Uhr, eine grosse, tonneauförmige Chronoswiss mit vielen Komplikationen trägt keinen Windhund. Die Hand tätschelt den Hund, der hechelt und gähnt dann die Sonne an.

Drinnen stehen zwei Kinder und kaufen die Abteilung Schmalzgebackenes und Blätterteig leer. Das Mädchen trägt fast durchgehend halbwegs dezent Lacoste und eine Rolex, nur die Schuhe sind von einer anderen Marke, der Junge zeigt im Sinne von BlingBling einen grossen, roten Markenschriftzug auf dem blauweiss gestreiften Poloshirt und schafft es vor lauter Aufregung ob des üppigen Angebots nicht, das Händi aus seiner fuchtelnden Hand in Sicherheit zu bringen. Irgendwann ist eine grosse Tüte sehr voll, die Verkäuferin rechnet zusammen - 15 Euro 90 - das Mädchen reisst die Tür auf und schreit:

OPA WIR BRAUCHEN GELD

Opa kommt rein, fragt, ob sie auch etwas für ihn gekauft haben, was sie aber verneeen und nach draussen schlüpfen, wo sie dem gelangweilten Windhund vergeblich ein Schokocroissant unter die lange Nase halten, und dann selber in sich hineinstopfen. Opa kauft derweilen noch was für sich, zahlt mit einem 100-Euro-Schein und geht nach draussen, um die übernächste Generation am See zu bespassen.



Du kaufst ein und sagst dir, dass du absolut kein Recht hast, über diese Leute irgendwie zu urteilen; schliesslich gibt es genug Billigfirmen, die unter unsagbaren Bedingungen bei den chinesischen Mördern produzieren lassen; hier ist es weitgehend anders - gut, der Junge braucht noch etwas Bewusstsein und Reife, bis er irgendwann statt zu den Chinoamerikanern zu Kiton oder in der Freizeit zu Trussardi greift und damit indirekt auch noch moderne Kunst in Mailand unterstützt - und die Verkäuferinnen in solchen Geschäften werden auch anders behandelt als eine Kassiererin der üblichen Ramschverticker. Lieber so, als dieser Typ, den du erlebt hast, als du dein Konto für den Umzug hierher geräumt hast - da war dieser alte, runtergeschlampte Mann vor dir beim Kundenberater, aus dessen Plastiktüte dieses und jenes Ungeniessbare eines Billigschlonzers hervorlugte und der ein paar Hunderttausend von den Aktien zu den Rohstofffonds rüberschob. Du solltest dir dieses komische "so will ich nie werden"-Gefühl aufheben für die, bei denen es sich wirklich lohnt.

Dann musst du auch nicht gross darüber nachdenken, warum du eigentlich mit deiner alten Longines Admiral und dem frisch gekauften Louis-Ferraud-Poloshirt so arg viel anders bist, und ob du dich nicht auch gefreut hast, wenn deine Eltern aus Italien etwas mit dem Windhund mitgebracht haben.

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