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Montag, 1. September 2008
Gentrifikation selbstgemacht
Aber, aber. Wer wird denn. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, einen Tormann einzusetzen oder sich abzuschotten. Warum denn. Nebenan, draussen, die Strasse runter ist doch nichts, wogegen man sich abschotten müsste. Das ist das "Arzt sucht für seine Tochter (Elitestudentin) Wohnung im Stadtzentrum"-Viertel. Es ist das Viertel, in dem man nicht ausschreiben muss. Sie kommen schon, und es sind auch die Richtigen. Das fügt sich alles selbst zusammen. Man muss nicht nachhelfen. Nachhelfen wie andernorts, wo man sich absetzen muss, ist übrigens gar nicht so toll, wie man hört; dieses unnatürliche Herausstechen aus der restlichen Umgebung sorgt Drinnen und Draussen für Spannungen. Besser ist es, wenn es einfach den richtigen Bereich für die richtigen Leute gibt. Noch. Es könnte auch sein, dass sich das noch ändert und selbst dem Arztvater die Luft ausgeht. 60 m², 164.000 Euro, aber nur Erdgeschoss, darüber gleich noch mal 20.000 mehr, ist die aktuelle Preislage, in einer nicht ganz so optimalen Ecke des besseren Quartiers.
Es ist natürlich etwas unschicklich darüber zu reden, dass die Elitessen mittelfristig verdrängt werden, weil es höheren Eigenbedarf gibt. Die Stadt wächst, die gewinne steigen, die Ansprüche ziehen nach, und die Altstadt bleibt klein. Es ist auch nicht fein, die Rechnung aufzumachen, und zu überlegen, was jenseits des Inflationsangleiches möglich wäre. Der Druck von Aussen ist jedenfalls da, und man nimmt diejenigen, die passen. Unten gehen die sonntäglich gekleideten Touristenscharen vorbei und fragen sich, da sie das Schild nich nicht gelesen haben, was das hier sein mag. Ich sitze auf dem Fensterbrett, reinige fleckiges Silber im Spätsommerlicht und mache mir erschreckend wenig, definitiv zu wenig Gedanken über das einseitige Gesellschaftsmodell, das hier nach 100 Jahren Flucht in die Vorstädte nun in die alten Professorenhäuser, Collegien und Patrizieranwesen schlüpft, als wäre es der bequeme Pullover, der frisch aus der Wäsche kommt.
Es mag ketzerisch klingen, ganz wohl ist mir bei dem Gedanken auch nicht, aber mitunter mag es fast so scheinen, als sei Gentrification als soziales Problem immer mit etwas verbunden, das nicht in allen Fällen da ist: Massive soziale Unterschiede, Arm gegen Reich ohne Puffer einer Mittelschicht dazwischen. Im Prenzlauer Berg und Hamburgs Schanze ist der Verdrängungsmechanismus gegen Proletarier und Alternative knallhart und absolut, im Münchner Glockenbachviertel dagegen hat es 20 Jahre schleichender Veränderungen bedurft, und noch immer gibt es vieles nebeneinander. Bei uns stirbt eine mitunter immens reiche Generation des Nachkriegsbürgertums aus, die Häuser kommen in gute, mitunter fast zu gute Hände, werden saniert, die Kinder einer anderen Oberschicht ziehen nach, und die Weltfirmen vor den Toren der Stadt pumpen immer neues Geld nach. Von den alten Damen in ihrer blaugetupften Sommertracht ist einfach nicht zu erwarten, dass sie im Rollator einen Brandsatz für die studentischen Kleinwägen mitführen. Wäre man zynisch, verkommen oder gar FDP-Mitglied, könnte man daraus ableiten, dass die Gentrifikation weniger das Problem der zuziehenden Reichen ist, sondern das Problem der Armut derer, die doch einfach bleiben könnten, wenn sie mehr Geld und Anpassungsbereitschaft hätten.
Es ist natürlich etwas unschicklich darüber zu reden, dass die Elitessen mittelfristig verdrängt werden, weil es höheren Eigenbedarf gibt. Die Stadt wächst, die gewinne steigen, die Ansprüche ziehen nach, und die Altstadt bleibt klein. Es ist auch nicht fein, die Rechnung aufzumachen, und zu überlegen, was jenseits des Inflationsangleiches möglich wäre. Der Druck von Aussen ist jedenfalls da, und man nimmt diejenigen, die passen. Unten gehen die sonntäglich gekleideten Touristenscharen vorbei und fragen sich, da sie das Schild nich nicht gelesen haben, was das hier sein mag. Ich sitze auf dem Fensterbrett, reinige fleckiges Silber im Spätsommerlicht und mache mir erschreckend wenig, definitiv zu wenig Gedanken über das einseitige Gesellschaftsmodell, das hier nach 100 Jahren Flucht in die Vorstädte nun in die alten Professorenhäuser, Collegien und Patrizieranwesen schlüpft, als wäre es der bequeme Pullover, der frisch aus der Wäsche kommt.
Es mag ketzerisch klingen, ganz wohl ist mir bei dem Gedanken auch nicht, aber mitunter mag es fast so scheinen, als sei Gentrification als soziales Problem immer mit etwas verbunden, das nicht in allen Fällen da ist: Massive soziale Unterschiede, Arm gegen Reich ohne Puffer einer Mittelschicht dazwischen. Im Prenzlauer Berg und Hamburgs Schanze ist der Verdrängungsmechanismus gegen Proletarier und Alternative knallhart und absolut, im Münchner Glockenbachviertel dagegen hat es 20 Jahre schleichender Veränderungen bedurft, und noch immer gibt es vieles nebeneinander. Bei uns stirbt eine mitunter immens reiche Generation des Nachkriegsbürgertums aus, die Häuser kommen in gute, mitunter fast zu gute Hände, werden saniert, die Kinder einer anderen Oberschicht ziehen nach, und die Weltfirmen vor den Toren der Stadt pumpen immer neues Geld nach. Von den alten Damen in ihrer blaugetupften Sommertracht ist einfach nicht zu erwarten, dass sie im Rollator einen Brandsatz für die studentischen Kleinwägen mitführen. Wäre man zynisch, verkommen oder gar FDP-Mitglied, könnte man daraus ableiten, dass die Gentrifikation weniger das Problem der zuziehenden Reichen ist, sondern das Problem der Armut derer, die doch einfach bleiben könnten, wenn sie mehr Geld und Anpassungsbereitschaft hätten.
donalphons, 00:31h
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Dieser Wunsch
endlich wieder rücksichtslos Schmerzen zuzufügen. Das Wissen, dass es trifft, dass sie es hassen werden und kein Mittel finden, sich zu wehren. Der Wille zum Aufspiessen, der kurze Widerstand der Oberfläche, bevor es die Gedärme durchwühlt. Die Lust beim Gedanken, ihren Kot von der Strasse aufzuheben und werfend in ihrer dumm gaffenden Fresse zu platzieren.
Es sind die ganz kleinen Dinge, die den Gedankenschuldigen letztlich zur Tat schreiten lassen, und es ist der Mangel, sich mit dem Missstand auseinanderzusetzen, eine gesellschaftliche Krankheit, die man nicht ausmerzen, wohl aber benennen kann. Es wird nicht gemacht, weil man zu feige ist, weil es zu viele sind, und weil sie Konsumenten sind. Nicht irgendwelche Konsumenten, sondern DIE Konsumenten schlechthin. Weil sie nichts ausser Konsum haben, keine Geschichte, aber ein Abo der Vanity Fair (deutsch) und einen DVD-Player, kein Benehmen, keine Moral, keinen Anstand aber in all dem einen Anlass sehen, auch noch zu grinsen. Wie das asoziale Stück Scheisse, der Cretin im Ralph-Lauren-Hemd, der Versicherungsverticker an Freundinnen von Omi, dieser Bastard, dieser Bizz-Fan, der vorhin vom Weinstock Trauben abriss, eine probierte, den Rest auf das Trottoir vor meinem Haus warf, und darauf angesprochen fragte, was ich haben wollte, zwei Euro?
Oh, bitte, das ist alles legal, es ist kein Verbrechen, niemand verfolgt solchen Abschaum, es gibt keine Gesetze dagegen, ganz im Gegensatz zu meinem Wunschdenken, das den Gebrauch eines Ochsenziemers eingeschlossen hätte und Worte, die nicht schicklich sind, aber es ist auch nicht verboten, diese Geschwüre in Wort und Bild zu diskriminieren und auszugrenzen. Das fehlt. Das muss sich ändern.
Es sind die ganz kleinen Dinge, die den Gedankenschuldigen letztlich zur Tat schreiten lassen, und es ist der Mangel, sich mit dem Missstand auseinanderzusetzen, eine gesellschaftliche Krankheit, die man nicht ausmerzen, wohl aber benennen kann. Es wird nicht gemacht, weil man zu feige ist, weil es zu viele sind, und weil sie Konsumenten sind. Nicht irgendwelche Konsumenten, sondern DIE Konsumenten schlechthin. Weil sie nichts ausser Konsum haben, keine Geschichte, aber ein Abo der Vanity Fair (deutsch) und einen DVD-Player, kein Benehmen, keine Moral, keinen Anstand aber in all dem einen Anlass sehen, auch noch zu grinsen. Wie das asoziale Stück Scheisse, der Cretin im Ralph-Lauren-Hemd, der Versicherungsverticker an Freundinnen von Omi, dieser Bastard, dieser Bizz-Fan, der vorhin vom Weinstock Trauben abriss, eine probierte, den Rest auf das Trottoir vor meinem Haus warf, und darauf angesprochen fragte, was ich haben wollte, zwei Euro?
Oh, bitte, das ist alles legal, es ist kein Verbrechen, niemand verfolgt solchen Abschaum, es gibt keine Gesetze dagegen, ganz im Gegensatz zu meinem Wunschdenken, das den Gebrauch eines Ochsenziemers eingeschlossen hätte und Worte, die nicht schicklich sind, aber es ist auch nicht verboten, diese Geschwüre in Wort und Bild zu diskriminieren und auszugrenzen. Das fehlt. Das muss sich ändern.
donalphons, 15:48h
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