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Mittwoch, 29. Oktober 2008
Vom Boom betroffen
Es klingt paradox,aber für Vermieter sind Zyklen der wirtschaftlichen Überhitzung nicht gut. Vermieten ist ein gutes Geschäft,wenn Mieter zumindest ein paar Jahre bleiben, und das tun sie nur, wenn sich ihre Lebensumstände nicht zu sehr ändern. Wenn Firmen an diversen Standorten Ausftiegschancen bieten und hohe Flexibilität und Mobilität verlangen, ist das nicht gut für ein normales Bewohnen. Vier Wochen Abwesenheit ist schlecht für alle sanitären Einrichtungen, und je wichtiger andere Orte werden, desto mehr verwahllost das eigene Heim.
Ist dann erst mal der nächste Gehaltschritt da, kommt der Wunsch nach einer besseren Bleibe, der Mieter wird erst ungeduldig, weil er nicht mehr zufrieden ist, weil die Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen gereicht, und dann geht er. Meist recht schnell und überlässt dem Vermieter das Problem, zu ungünstiger Zeit einen neuen Mieter zu suchen. Nur, wenn in der Zeit die Mietpreise angezogen haben, kann man die durch Auszug, Renovierung und Neuvermietung entstehenden Verluste kompensieren. Die Folge: Vermieter rechnen die Geschichte durch, kalkulieren das Risiko häufiger Mieterwechsel mit ein und setzen bei allen, egal ob bleibend oder auf dem Sprung, die Miete hoch. Mobilität ist daher asozial.
Wenn dagegen die wirtschaftliche Entwicklung massvoll voranschreitet oder gar ein wenig schrumpft, wird der Umzug schnell unattraktiv. Schliesslich kostet der Umzug Geld, man weiss nie, wie neue Vermieter sind, das Risiko wandert in solchen Märkten eher zum Mieter, und es entsteht nicht diese grosskotzige Mentalität des "ich leiste mir das einfach", die globale Spieler so angenehm und freundlich erscheinen lässt, dass sie ein advanced Behaviour Coaching benötigen. Für Vermieter sind das goldene Zeiten: Verlässliche Geschäfte ohne grossen Aufwand. So gesehen sollte es gerade in der anstehenden mittelschweren Rezession eine angenehme Sache werden.
Wären da nicht ein Automobilhersteller und ein Rüstungsproduzent in der Stadt. Letzterer hat Verträge bis zum Tag des jüngsten Atomschlags, und ersterer baut nicht die Autos, die man braucht, sondern die Autos, die man will, wenn man zu der weit verbreiteten Klientel gehört, die mit der "Meine Firma leistet sich einfach einen besseren Dienstwagen"-Attitüde durchs Leben geht. Mit dem Ergebnis, dass die Kreditkrise in dieser Stadt der Vollbeschäftigung nichtexistent ist. Marken wie GM, Ford, Chrysler, BMW, Volvo, Renault und Citroen taumeln zwischen Pleite und Vollbermsung, hier braucht man dringend noch ein paar Hallen, und zwar am besten schon vorgestern. Andernorts streicht man Stellen, hier gründet man Entwicklerteams in Firmen aus, für die vor Ort schlichtweg kein Platz mehr ist. Und schickt die Leute Knall auf Fall nach Norden. Umzugswagen, die Mieten bis zum Ende der Kündigungsfrist, Sonderzahlung, alles kein Problem.
Nun habe ich noch Glück, dass mir die fragliche, betroffene Mitarbeiterin nicht mit einer Kündigung das Frühstück vergällt, sondern angesichts der Wohnungsnot in der Stadt sofort eine Freundin weiss, die hier einziehen möchte. Bei der letzten Wohnung gab es 20 Bewerber. Es ist immer noch angenehm, und besser, viel besser, als wenn man in einer entvölkerten Stadt des Ostens vermieten müsste. Es ist besser als Rüsselsheim, Köln oder Stuttgart. Es ist kein Vergleich zu dem, was ich aus dem Journalismus nebenbei höre, auch wenn ich selbst davon nicht betroffen bin.
Trotzdem fände ich eine gesamtgesellschaftliche Debatte wichtig, in der die negativen Effekte von Mobilität und Flexibilität aufgezeigt werden. Ohne dann Sesshaftigkeit und Vorstadttum ein Ideal ist, wäre zu überlegen, ob man statt Ansiedlungs- und Austauschspolitik nicht eher eine Bleibepolitik machen sollte , die ein kontinuierliches Wachstum fördert. Als Negativbeispiel fälllt mir gerade MTV ein, die erst alles nach München zogen, dann über den Gang nach Berlin die Mitarbeiter austauschten, in Kökn bei Viva rumholzten, jetzt in Berlin erneut auf die Kostenbremse treten und vermutlich längst auf der Suche nach einem neuen politschen Arschauswischer sind, der ihnen andernorts Millionenförderungen zuschiebt. MTV, die als cool gelten und ähnlich asozial wie jeder Hedgefond aus Dublin sind. Leerverkäufe mit Mitarbeitern, Leveraging mit staatlichen Mitteln.
Es wird auch ohne diese Verwerfungen noch genug Mobilität geben. Alte Zentren der überflüssigen Dienstleistungen wie Hamburg, Berlin und Frankfurt werden vergehen, industrielle Kernzonen bleiben bestehen, und die Provinz, das Kleinräumige steht vor einer grossen Wiederentdeckung. Kein Umzugunternehmer wird pleite gehen. Es geht nicht um die Wiedereinführung der Leibeigenschaft und der Dorfgestapo, sondern um die Frage, ob der deregulierte Umsiedlungsverkehr der Menschen für Sozialsysteme und Integration nicht ähnliche Probleme nach sich zieht, wie die unregulierte Zirkulation von Geld, Schulden und Derivaten.
Ist dann erst mal der nächste Gehaltschritt da, kommt der Wunsch nach einer besseren Bleibe, der Mieter wird erst ungeduldig, weil er nicht mehr zufrieden ist, weil die Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen gereicht, und dann geht er. Meist recht schnell und überlässt dem Vermieter das Problem, zu ungünstiger Zeit einen neuen Mieter zu suchen. Nur, wenn in der Zeit die Mietpreise angezogen haben, kann man die durch Auszug, Renovierung und Neuvermietung entstehenden Verluste kompensieren. Die Folge: Vermieter rechnen die Geschichte durch, kalkulieren das Risiko häufiger Mieterwechsel mit ein und setzen bei allen, egal ob bleibend oder auf dem Sprung, die Miete hoch. Mobilität ist daher asozial.
Wenn dagegen die wirtschaftliche Entwicklung massvoll voranschreitet oder gar ein wenig schrumpft, wird der Umzug schnell unattraktiv. Schliesslich kostet der Umzug Geld, man weiss nie, wie neue Vermieter sind, das Risiko wandert in solchen Märkten eher zum Mieter, und es entsteht nicht diese grosskotzige Mentalität des "ich leiste mir das einfach", die globale Spieler so angenehm und freundlich erscheinen lässt, dass sie ein advanced Behaviour Coaching benötigen. Für Vermieter sind das goldene Zeiten: Verlässliche Geschäfte ohne grossen Aufwand. So gesehen sollte es gerade in der anstehenden mittelschweren Rezession eine angenehme Sache werden.
Wären da nicht ein Automobilhersteller und ein Rüstungsproduzent in der Stadt. Letzterer hat Verträge bis zum Tag des jüngsten Atomschlags, und ersterer baut nicht die Autos, die man braucht, sondern die Autos, die man will, wenn man zu der weit verbreiteten Klientel gehört, die mit der "Meine Firma leistet sich einfach einen besseren Dienstwagen"-Attitüde durchs Leben geht. Mit dem Ergebnis, dass die Kreditkrise in dieser Stadt der Vollbeschäftigung nichtexistent ist. Marken wie GM, Ford, Chrysler, BMW, Volvo, Renault und Citroen taumeln zwischen Pleite und Vollbermsung, hier braucht man dringend noch ein paar Hallen, und zwar am besten schon vorgestern. Andernorts streicht man Stellen, hier gründet man Entwicklerteams in Firmen aus, für die vor Ort schlichtweg kein Platz mehr ist. Und schickt die Leute Knall auf Fall nach Norden. Umzugswagen, die Mieten bis zum Ende der Kündigungsfrist, Sonderzahlung, alles kein Problem.
Nun habe ich noch Glück, dass mir die fragliche, betroffene Mitarbeiterin nicht mit einer Kündigung das Frühstück vergällt, sondern angesichts der Wohnungsnot in der Stadt sofort eine Freundin weiss, die hier einziehen möchte. Bei der letzten Wohnung gab es 20 Bewerber. Es ist immer noch angenehm, und besser, viel besser, als wenn man in einer entvölkerten Stadt des Ostens vermieten müsste. Es ist besser als Rüsselsheim, Köln oder Stuttgart. Es ist kein Vergleich zu dem, was ich aus dem Journalismus nebenbei höre, auch wenn ich selbst davon nicht betroffen bin.
Trotzdem fände ich eine gesamtgesellschaftliche Debatte wichtig, in der die negativen Effekte von Mobilität und Flexibilität aufgezeigt werden. Ohne dann Sesshaftigkeit und Vorstadttum ein Ideal ist, wäre zu überlegen, ob man statt Ansiedlungs- und Austauschspolitik nicht eher eine Bleibepolitik machen sollte , die ein kontinuierliches Wachstum fördert. Als Negativbeispiel fälllt mir gerade MTV ein, die erst alles nach München zogen, dann über den Gang nach Berlin die Mitarbeiter austauschten, in Kökn bei Viva rumholzten, jetzt in Berlin erneut auf die Kostenbremse treten und vermutlich längst auf der Suche nach einem neuen politschen Arschauswischer sind, der ihnen andernorts Millionenförderungen zuschiebt. MTV, die als cool gelten und ähnlich asozial wie jeder Hedgefond aus Dublin sind. Leerverkäufe mit Mitarbeitern, Leveraging mit staatlichen Mitteln.
Es wird auch ohne diese Verwerfungen noch genug Mobilität geben. Alte Zentren der überflüssigen Dienstleistungen wie Hamburg, Berlin und Frankfurt werden vergehen, industrielle Kernzonen bleiben bestehen, und die Provinz, das Kleinräumige steht vor einer grossen Wiederentdeckung. Kein Umzugunternehmer wird pleite gehen. Es geht nicht um die Wiedereinführung der Leibeigenschaft und der Dorfgestapo, sondern um die Frage, ob der deregulierte Umsiedlungsverkehr der Menschen für Sozialsysteme und Integration nicht ähnliche Probleme nach sich zieht, wie die unregulierte Zirkulation von Geld, Schulden und Derivaten.
donalphons, 16:21h
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