: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 12. November 2008

Pastorale im November

Es dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben: Auch ich bin kein Berliner. Allerdings habe ich nur 18 Monate gebraucht um hinlänglich zu verstehen, dass es mir nicht gut täte, würde ich je wirklich dort sein, und so packte ich eines schönen Maientags meinen Salbei und Rosmarin ins Auto und ging, ohne mich je dort registriert zu haben. Seitdem hat sich einiges getan; inzwischen wohne ich so weit von Berlin weg, wie man in Deutschland gerade mal kann, und wenn ich aufstehe, sieht das vor meiner Terrasse so aus:



Was mir anfänglich weniger als die Aussicht gefallen hat, war der Blick auf die Wand. Die hat man nämlich mit schwarz gebeiztem Holz verkleidet, wie das in der Alpenregion üblich ist, auf deren allererstem "Berg" zu wohnen ich das Vergnügen habe. Nun ist das Haus weder ein Rustikalpalast noch ein altes Bauernhaus, sondern ein zweckmässiger und nüchterner Bau der 70er Jahre, bei dem man eher eine weisse Wand erwartet hätte, als Holzbretter und grüne Fensterläden.



Heute morgen jedoch, als ich hinausging und mich an meine Arbeit in Form eines längeren Textes machte, habe ich verstanden: Am Morgen ist es bei uns noch nicht wirklich warm. Aber die Sonne steht niedrig, bestrahlt das schwarze Holz, das die Wärme aufnimmt und wieder abgibt, wenn man sich davor setzt. Sonne von vorne und Holz von Hinten ist wie ein Backherd mit Ober- und Unterhitze. Der Notar, der den Kaufvertrag letzten Februar besiegelte, war sehr braun, und ich fragte mich, wie dieser Mann das mitten im Winter macht. Nun, offensichtlich besass er auch so ein natürliches Solarium.



Und weil keine Arbeit ewig währt und das Thema schnell von der Hand ging, und obendrein ein wenig Sport keine schlechte Idee ist, und weil das Wetter dank Föhn auch schön blieb, schien auch noch eine kleine Bergtour am Nachmittag geraten. Nur zur Erinnerung: Es ist nicht Sommer, sondern der 11. November. Und ich fuhr im offenen Wagen zum Berg. Im Polohemd. Inzwischen war es für den Pulli zu warm.



Die Wärme, die auch beim Aufstieg erhalten bleibt, ist hier übrigens ganz anders als die von Abgasen und Heizluft geschwängerte Atemluftersatzdarreichung in den Städten, deren Wärme mit einer gewissen Stickigkeit einhergeht. Die Wärme durch den Föhn steht dazu in einem Verhältnis wie das Bimmeln der Kuhglocken zum Verkehrslärm. Dass man beim Einstieg unter prachtvollen Bäumen den Entgegenkommenden "Grüss Gott" oder "Servus" entgegenruft und nicht "Scheibenwäsche" oder "Ey was in Fresse ich schwör", hat auch seine Vorteile.



Im Wald wird es ohnehin schnell menschenleer.An Tagen wie diesen, da der Fallwind aus den hohen Alpen in die Täler fliesst, ist die Luft, wie eine hier kurende Prinzessin im 19. Jahrhundert einmal sagte, silbrig-leicht. Ich wüsste nicht, wie man es besser umschreiben könnte, auch auf über 1000 Meter Höhe, wo der Sauerstoff durch die Bäume erhalten bleibt. Am Wochenende erzählte ein Freund, eine Untersuchung hätte ergeben, dass Menschen in der Nähe von Natur und Parks unabhängig vom Einkommen länger leben. Ich tendiere dazu, es zu glauben.



Ich mag die Vorstellung nicht, dass es schon morgen hier oben schneien soll, dass dieser einzigartige Novemberanfang keinen Bestand hat und tatsächlich sowas wie der Winter kommt, aber wenn sich schon der Wetterumschwung ankündigt, mit niedrigen Wolkenbändern im Nordwesten, Regenschlieren zum Boden und dahinjagenden Wolkenfetzen am Übergang zur Föhnzone, dann bitteschön mit exakt diesem Spektakel wie heute auf der Neureuth.



Und trotz der kommenden Kaltfront ist die Sicht noch einmal atemberaubend. Die Spitze da vorne ist der Leonhardstein, den ich dieses Jahr schon bestiegen habe, dahinter die Aufgaben für das kommende Jahr: Die Blauberge mit dem Predigtstuhl, Rofan, Unnütz, dahinter der Karwendel, und schon bedeckt mit Eis und Schnee, 80, 120 Kilometer Richtung Südwesten und dennoch klar und in allen Details zu sehen, das Zentralmassiv der Alpen. Auf den Gipfeln dann: Die Grenze zu Südtirol und Italien.



Man müsste. Man könnte vielleicht sogar, wenn. Und wenn. Und wenn ausserdem. Der Jaufenpass wäre noch offen, die Sellarunde könnte auch noch gehen, oder weiter. Der Koffer wäre noch gepackt, aber. Und so geht es über Stock und Stein zum Wagen und hinab ins Tegernseer Tal und weiter zum Konditor, für die erste Belohnung nach den Strapazen, und die Konditorin fragt, wie es oben war, und schneidet die verbliebenen zweieinhalb Stücke in zwei dicke Hälften.



Wenn ich hier noch die den Tag beschliessenden Schlutzkrapfen mit frischer Bergbutter und Grana Padano zeigen würde, könnte es mir die Leserschaft endgültig übel nehmen. Und das will ich nicht, nach diesem Spätsommertag im Frühwinter.

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Es wird vermutlich noch ein paar Tage dauern

bis ich an der Blogbar das Scheitern von Zoomer und damit auch der einen oder anderen talentlosen Mitarbeiterin vermelden kann, aber man muss kein ostdeutsches Schmalspurstudium haben, um sich mal an der Blogbar ein paar Worte zur Kuschelzoothematik und den unschönen Folgen anzuhören.

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