: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 17. November 2008

Conde Nasty oder Eat the rich interior

In gewissen Kreisen, denen ab und zu beizuwohnen mir vergönnt, ist, hatte man letztes Jahr eine ganz bestimmte Vorstellung von der kommenden Krise: Ein paar Neureiche werde es erwischen, über deren Schicksal man sich trefflich amüsieren könnte, den Amerikanern, Russen, Briten und Spaniern werde es schlecht gehen, Reisen würden billiger werden, und ein paar Umschichtungen im Portfolio könnten ganz nett sein. Dann würde man im Winter 08/09 in der neuen Immobilie sein, irgendwo an einer Grenze mit Bergen, auf dem Seidenteppich liegen und hinausschauen auf die angeschneiten Gipfel vor dem Fenster, die nur jene belästigen, die es nicht so gut getroffen haben und somit nicht zu den Happy Few gehören, die schlechtes Wetter als wagnereskes Gipfeldrama erleben dürfen.



Man würde leicht seufzen - hätte man nicht doch besser in Meran gekauft? in Riviera Gardone vielleicht? - sich dann aber versichern, dass es nirgendwo in der Summe so schön, angenehm und gewohnt wie hier ist; man würde überlegen, ob man nicht Karten für das erste Akademiekonzert in der Staatsoper orderte, dann aber bedenkt mab, dass dass Bruckners Symphonie in c-Moll vielleicht etwas schwere Kost ist, und die Heimfahrt über verschneite Strassen führen kann, man sich also zum Bleiben entschliesst und am Abend Frau S. mit einer Kürbistarte besucht, um ein wenig zu ratschen. Der Teig muss zwei Stunden ruhen, genug, um in der neuen World of Interiors zu blättern, die bekanntlich im Dezember immer extrem dick zu sein beliebt, wegen all der Anzeigen für das grosse Fest. Man greift also auf den antiken Rosenholztisch -



und sieht sich den brutalen Sturm der Wirtschaftskrise ausgesetzt. Das Exemplar oben ist die Dezemberausgabe, mit dem Weihnachtssondergeschäft - 242 Seiten, davon 132 Seiten Serviceteil, der mit Werbung gut gefüllt ist. Darunter noch der Oktober, 402 Seiten und 282 Seiten dickst mit Werbung gefüllter Serviceteil. Ohne Weihnachtsgeschäft. Aber noch mit vor der Lehman-Pleite gebuchten Anzeigenseiten. Verloren sind Patek und die Doppelseiter mit kronbeleuchteten Prunkküchen, sechs Seiten Lauren Home, die Doppelseite für das bei Bankerbädern so beliebte Bisazzamosaik, verschwunden auch der 911er und die schüchterne Frau im durchsichtigen Nachthemd, die erstaunlich trocken die Dusche des Nobelherstellers Matki verlässt und schamhaft - ach, das Küsschen gestern mit Robert von der der Kauphtingbank - lächelt. Was es noch gibt, ist eine Doppelseite von Audi - denen geht es noch gut - und eine
Seite mit Uhren von Seiko. Vermutllich müssen die meisten Leser erst mal nachschauen um zu begreifen, dass Seiko so etwas ordinär-exotisches wie Uhren mit Quarzwerken baut, die ein Bruchteil der durchschnittlichen Vorhangquastenersatzschnur kosten.

Kalt ist es draussen, und plötzlich sind die Wolken doch sehr nah, und man fragt sich, ob man nicht mehr hätte tun sollen. Nach Österreich sind es nur 30 Kilometer, aber auch die haben Probleme. Vielleicht wird es sogar schwerer, in Rottach feine Stoffe zu kaufen. Oder Wagner nimmt eine Schokostreussel aus dem Programm. Ja, die Krise. Sie kratzt tiefe Spuren in das Bewusstsein derer, die alles haben und noch mehr brauchen. An das Drama bei Conde Nast, die dieses Juwel nun vermutlich mit Verlusten produzieren, und all die armen Kronleuchterkristallschleifer drüben im Inntal bei Swarowski gar nicht zu denken. Es wird hart.

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