: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 26. November 2008

La Pellegrina, Intermediii 1589

es ist keine ganz schlechte Idee, sich in Zeiten wie diesen etwas zu entkoppeln vom Feindlichen da draussen, das nicht nur die geplatzten Giganten wie Lycos und vielleicht auch bald Trash wie Zoomer.de trifft, sondern - wenn ich ehrlich bin, ich kenne im Moment nur drei sorgenfreie Journalisten, und die schreiben nichts, was öffentlich zu lesen oder am Kiosk zu kaufen wäre. Was ich höre, ist wirklich kein Spass; Werbeseiten sind demzufolge nur noch mit extremen Rabatten zu verkaufen, wenn überhaupt. Das ist insofern ärgerlich, weil Verlage schon 2000 bis 2003 erlebt haben, wo die Abhängigkeit von Werbung führen kann. Aber wie der Junkie an der Nadel haben sie auch diesmal nicht in die Qualität, sondern nur in die Vermarktbarkeit investiert, und - nun, ich habe ja gesagt, dass ich meine Kinder eher auf den Bau schicken würde, und die werbekäuflichen Pfeifen, die das uncool fanden, haben sicher noch ein paar Jahreszeiten vor sich, ihre damaligen Aufschreie zu überdenken. Und nein, ich würde mein Frühstück nicht mit ihnen teilen wollen. Auch mein Silber kann ich noch selber putzen - sie sollten bitte in freudlosen Orten bleiben.



Wir Alten wissen ja noch aus der New Economy, wie schnell es jetzt in den nächsten Wochen gehen wird, und ehrlich: Diesmal hätte ich gar keine Lust, das bei Dotcomtod breitzutreten, auch wenn es einen Haufen Neoliberale und Contentverticker erwischt. Ich möchte eigentlich nur in Ruhe und Gelassenheit durchkommen, mein ganzes Streben der letzten Monate war, mich von den Krisenherden zu entfernen. Hilfreich ist dabei auch ein angenehmer Strom schöner CDs mit ruhiger Musik. Daheim höre ich gerade häufig eine sehr feine, neu erschienene Platte mit Intermedii, Zwischenspielen der Spätrenaissance und der manierismus. Intermedii begannen ihre Karriere als einfache Unterbrechungen zwischen den grossen Spektakeln des Hofzeremoniells, wurden im Verlauf des 16. jahrhunderts pompöser und umfangreicher, bis sie eine eigene Kunstgattung darstellten und zu einer Frühform der Oper wurden. Das Capriccio Stravagante Renaissance Orchester und das Collegium Vocale Gent haben unter Skip Sempe nun ,mit La Pellegrina den Höhepunkt dieser Kunstgattung aufgenommen, ein grandioses Schauspiel zwischen Theater, Madrigalgesang, Tanzmusik und Prachtentfaltung, die den Hörer entführt, in den Saal der Monate in Ferrara oder mediceischen Gärten um Florenz.



Thematisch, das gebe ich gerne zu, bringt mich diese Inszenierung griechischer Sagen wie schon die Zeitgenossen an den Rand meines mythologischen Wissens, was erklärtermassen angesichts meiner Studien peinlich ist - aber der Winter wird lange dauern, im Regal sind drei Meter klassische Archäologie, und etwas mehr Bildung schadet keinem. Aber auch ohne Verständnis des Dargebotenen ist es angenehm zu hören, Musik mit Mass und Ruhe, in der so vieles angelegt ist, was später die Musikwelt bereichert. Erste Bildungslücken behebt die zweite CD, in der Skip Sempé die Natur der Intermedii erklärt. Was ich ein wenig schade fand, ist die akademische Natur der Aufnahme; man kann davon ausgehen, dass die originalen Schauspiele Musik und Handlung dynamischer und - wir befinden uns schliesslich in einer extrem lebensfreudigen Epoche - lasziver waren. Ich würde die Intermedii gerne sehen, wie sie waren, ich würde gerne die für damalige Verhältnisse unfassbar teuren Feste feiern, die sie umgaben, und weil es so nicht kommen wird, bleibt mir diese CD, und ein Blick in die Speisepläne der Zeit, um das ein oder andere dazu zu geniessen.

und ja, ich halte sie auch für also dieses konsumfest da, das die christen feiern, tauglich. besser jedenfalls als jingle bells von youtube.

Ich würde übrigens raten, die CD entweder direkt bei Paradizo zu bestellen, oder im fähigen Plattenhandel - dort erhält man nämlich auch die Sampling-CD "Pandora´s Box", was ein wirklich hübscher Name für einen Kaufanreiz dieses neuen Labels ist.

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