: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 24. August 2009

Des einen Mannes Verlust

ist des anderen Mannes Gewinn, sagten die Briten in einer Epoche, die noch keine Derivate, CDOs und chinesischen Billigdreck oder deutsche Klingeltonbetrüger kannte, und die bei solchen Geschäften üblichen Wertverschiebungen von Qualität zu Müll. Da lobe ich mir den ehrlichen Flohmarkt; eben jenen, den ich vor vier Wochen aufgrund einer motorisierten Unpässlichkeit aufzusuchen leider nicht in der Lage war. So ein ausgefallener Tag belastet dann wochenlang das Konto mit viel zu üppigen Zahlen, und ausserdem war ich diesmal mit dem grossen Wagen unterwegs. Ich hob ab. So einiges. Und kaufte. Auch so einiges. Das übliche sowieso:



Momentan sind Gäste da, und da merkte ich, dass ich nach nur vier Tagen gezwungen wäre, die Rotation der Frühstücksmesser von Neuem zu starten, oder auf Versilbertes auszuweichen - das darf natürlich nicht sein. Ein Tortenmesser kann man immer, ach was, öfters als immer brauchen. Und die Gabel ist schwer und wäre reichlich teuer, aber der Verkäufer hatte eine Waage dabei und verkaufte sie zum Materialpreis. Vor zwei Jahren hätte man dafür 30 Euro oder mehr bezahlt, aber, so der Mann, inzwischen merke man die Krise. Bevor er es aber einschmelze, verkaufe er es so. Zu der Gabel, die ein Geschenk des Prinzregenten an einen Leutnant Roesch ist, wird noch einiges zu sagen sein, aber während ich noch überlegte, sah ich einen Stich von Riva am Gardasee. Oder auch: Riva in Tirol, wie darunter stand.



Denn Riva war mal in Tirol, genauer in Welschtirol. 1850 ist der Stich entstanden, da war noch sehr viel Italien sehr österreichisch, und Riva sollte es auch bis 1918 bleiben - weshalb Riva und das dahinter gelegene Arco auch zwei der hübschesten k.u.k.-Kurorte waren, und wäre ich nicht gerade auf dem Flohmarkt gewesen, wie gern wäre ich gerade dort. Aber solche Grüsse des 19. Jahrhunderts, hübsch gerahmt zumal, sind teuer, pardon, was kostet der Stich? Welcher? Na der auf dem Berg anderer Stiche. Ach so, alle gleich viel. 5 Euro das Stück? Und wenn man mehr nimmt, gibt es Rabatt? Mit Rahmen. Von den römischen Veduten über die kolorierten Pflanzen bis zu den Ansichten deutscher Schlösser. Höhö. Chrchr. Oh, auch ein paar chinesische Handelsschiffe auf dem gelben Fluss, für die Küche neben die Imarisammlung. Schönes Wetter heute.



Der Grund für dieses Geschäft: Des einen Mannes Gewinn... hinten standen noch die Preise der Galerie drauf, die sich nicht der Preisgestaltung des Marktes angepasst hatte. Eine Galerie in einem westdeutschen Kurstädtchen. Und die Preise waren durchaus anspruchsvoll... ist des anderen Mannes Verlust.

Das war am anderen Ende des Flohmarktes von jenem Ort gesehen, wo mein Auto stand. Und noch drei Reihen zu laufen. Also liess ich die Beute - Sie verkaufen das auch sicher nicht weiter, ja? Prima! - für die teilweise Gestaltung der 30 noch kahlen Gangmeter zurück und suchte weiter. Wie fein, dachte ich, wäre es jetzt, einen grossen Koffer zu finden, bestens erhalten, aus den 30er Jahren, am besten in ausgefallenem Schweinsleder und mit den Verschlüssen, die auch Hermes und andere in Frankreich verwendeten, mit absolut sauberem Innenleben und am besten für nicht allzu viel Geld - neu würde es mich bankrottieren, aber so ein feines Original, um die Bilder zum Auto zu schleppen - und das Silber, und die barocke Kasel, die gerade noch erstanden wurde, und die Bücher, und das Aquarell - so ein wirklich grosser, extrem schicker Reisekoffer, der wäre schon was. Mit präszisen Nähten und Lederkappen an den Ecken, und Messingnieten, die glänzen, als wäre der Koffer nie auf ihnen abgestellt worden. In etwa so einer, wie da vorne steht.



Und dessen Besitzer meint, seine Frau würde ihn umbringen, wenn er den wieder mitbringe, denn sie habe ihn gezwungen, einen Teil seiner Ledersammlung aufzulösen. Da hilft man natürlich gerne.

Und so wurde es ein netter Vormittag in Pfaffenhofen, und dann kamen die Gäste nach, und es wurde auch ein netter Tag, alles in allem.

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