: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 16. August 2009

Analoge Freuden und digitales Elend

Einen Euro will die ältere Dame dafür haben, und ich schäme mich ein wenig. Nicht, weil es zu wenig ist; das ist ihre Sache, und die zugehörigen Leicaobjektive sind längst weg, so sind die kleinen Gläser im Ledertäschchen sinnlos geworden. Sondern weil das Mäppchen mit dem Aufdruck "Heliopan" erzählt, wie man mit Kameras umgehen müsste: Wie mit Wertgegenständen, die zu ihrem Schutz eine hochwertige Hülle verdienen; am besten eben aus solchem sorgfältig genähten Leder, und das hinunter bis zu den Aufsatzfilters. Ich trage meine Digitalkamera natürlich einfach so in der Hosentasche. Immerhin lasse ich, damit es keine Kollision gibt, das Mobiltelefon im Auto, und trage den Schlüssel in der anderen Tasche. Trotzdem ist es beschämend, so mit den Dingen umzugehen - selbst wenn sie nicht 50 Jahre alt sein werden.



Nun brauche ich Digitalkameras beruflich, und sie haben tatsächlich vieles erleichtert. Aber mit Filtern, gerade alten KB- und KR-Filtern könnte man den automatischen Weissabgleich austricksen, warme Sepiatöne oder ultraintensives Blau erzeugen, ohne sich durch Menüs zu wühlen und am Ende doch genervt von den Voreinstellungen zu sein. Auch wenn sie mir nicht helfen, habe ich sie natürlich trotzdem genommen, denn sie sind erstklassig und passen zudem auf das Objektiv meines russischen Leica-Nachbaus von Zorki, der, schwieriges und schmerzvolles Thema, hoffentlich bald seinen Weg ins Handschuhfach meines Sunbeams finden wird. Mitsamt den neuen Filtern natürlich.



Was ich mir wirklich wünschen würde, wäre ein digitaler Einbausatz für solche Kameras. Etwas, das man anstelle der Innereien defekter Leicas, Zeiss-Ikons, Zorkis und anderer Schwermetallbrocken einbauen könnte, nur Sensor, Auslöser, Speicher, Verschluss und Batterie. Das wäre dann das beste aus beiden Welten. Kein Zoom, 42mm Festbrennweite, den Rest muss man komponieren. So, wie es jetzt ist, muss man immer wieder nachrüsten und zukaufen; jüngst erwarb ich für den Sunbeam auch noch eine Ricoh R8 als Notknipse. Die ist halbwegs ausreichend, wenn man was im Handschuhfach haben möchte, recht klein, aber mit einem ordentlichen Weitwinkel, und obendrein eine Empfehlung des Fachhändlers meines Vertrauens, Georg Mayer in Gmund am Tegernsee. Der klebt, was ich entzückend finde, immer sein Firmenbapperl unter der Kameras. Damit man weiss, wohin man gehen soll, wenn es einen Garantiefall gibt. So ist das noch. In Gmund. Am Tegernsee. Wo man wohnt, im Gegensatz zu den Werbern und anderen Leuten, die man nicht kennt. Jedenfalls fand ich es nett, dass die Ricoh ein wenig wie die alte Zeiss-Ikon aussieht. Ein klassischer, schwerer Metallkasten, mit eher grossen Linsen. Ungefähr so gross wie bei der Zorki. Der äussere Rand des Objektivs ist sogar fast identisch, oder? Könnte es sein?



Es ist. Man muss zwar etwas aufpassen, wenn man das Objektiv bei der Digiknipse einfährt, aber es geht. Und der Weissabgleich kommt höllisch durcheinander, gerade bei den bräunlichen Filtern. Das Digitale arbeitet sich vergeblich am Analogen ab, damit hat es nicht gerechnet, dass man ihm den Teufel in Gestalt eines Helioplans aufdrückt. Wieder ein kleiner Sieg gegen das Digitale, ein Stück Echtes dem Nostalgischen entgangen, der toten Technik ein Stück unberechenbares Leben aufgezwungen. Das Digitale, das Elektrische darf niemals siegen. Ausser bei den Idioten, die sich Schnittstellen für ihr begrenztes Hirn wünschen.

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