: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 9. September 2010

Alte Männer und Kisteninhalte

Sehr guter Text von Don Dahlmann, übrigens. Ich denke, dass es vor allem die ungeliebte Erkenntnis ist, dass Bloggen wie jedes echte Schreiben Zeit braucht, die den Prozess der Blogeinstellung mitunter so schwierig und unangenehm macht. Der Übergang vom langsamen Blog zum schnellen Twitter oder zur "Timeline" ist wie vom Buch zur Morning Show im Radio, und ab und an ahnt mancher, was er da verliert. Anderen ist es egal, weil Schreiben saugt volle Kanne ey.

Hier ist gerade viel los, ohne dass es wirklich interessant und spannend wäre: Mieterwechsel, Familiendinge, Freundschaftliches, gesundheitliche Problembehandlung durch Ignoranz und anderes, das nicht ins Blog gehört. Oder anders, es ist nicht langweilig, es sieht nur so aus. Allerdings ist da noch die anstehende Reise Richtung Italien, die ihre Schatten voraus und mich um 25 Jahre zurück wirft. Denn das Rennen, an dem ich teilzunehmen gedenke, ist zwar für Oldtimer, aber zu meiner bitteren Erkenntnis muss ich sagen, dass diese Oldtimer die Träume meiner Jugend waren. Sprich, wenn die Räder veraltet sind, dann bin ich...



Es ist vielleicht in dieser Hinsicht gar nicht so gut, das alte Zeug immer aufzuheben. Bei den Fahhrädern wurde eines, das erste, einem Bekannten gestohlen, dem ich es dummerweise geliehen hatte. Immer, wenn ich ein hellblaues KTM mit gelber Schrift sehe, zuckt es mich. Ich habe zwei Bianchis verunfallt, und von einem sind die Reste noch im Keller, und vier Räder habe ich an andere weitergegeben, zwei davon fahren noch, zwei andere hängen an Wänden. Der Rest, und es sind mehr als 2, ist noch da. Nur die letzten 10 Jahre fehlen in der Sammlung, aber ich bin ohnehin der Meinung, dass sich seitdem nicht mehr so arg viel getan hat. Bei meinem Saronni für die l'Eroica hatte ich erst den Eindruck, dass es Äonen weg von den anderen Rädern ist, aber erstaunlicherweise lag das vor allem an den originalen und sehr dünnen Reifen.

Inzwischen stellt sich wieder das Gefühl einer Vertrautheit ein, das wenig angenehm ist, wenn man sich überlet, wie alt die Kiste ist, auf der man sitzt. Man kann damit umgehen, weil man es gelernt hat. Heutige Jugendliche wären vermutlich völlig von den schwergängigen Bremsen und den seltsamen Schalthebeln überfordert. Das ist kein Vorteil des Alters, denn diese Maschinen existieren kaum mehr. Auf ein Rennrad aus den 80ern kommen bei Ebay 50 aus den darauffolgenden Jahrzehnten. Man hat eine Geschichte, deren Grundlagen verschwinden.



Inzwischen suche ich immer noch meine alten Rennradschuhe von Detto Pietro. Die sind noch handgenäht aus Leder mit vielen Löchern und Schnürsenkeln, und leider irgendwo in der Garage meiner Eltern verschwunden. Weggeworfen, steht zu befürchten. Und anderweitig in der Art nicht mehr zu beschaffen, ausser bei sündhaft teuren Spezialanbietern, die mit dem Retrotrend gute Geschäfte machen. Was ich allerdings anderweitig und unter anderen Voraussetzungen entdeckt habe, sind meine alten Adidas Merckx, von denen ich auch dachte, dass sie beim Umzug nach Berlin verschwunden sind. Mit denen hat es eine besondere Bewandtnis, wenn man sie mal neben all die todschicken Hipsterturnschuhe hält, wie jene, die Trickers für den Preis von weit über 100 Billigdönernn "in englischer Handarbeit nach alten Mustern" produziert.



Da hat man plötzlich mit einem dreissig Jahre alten Schuh die modernen jungen Leute wieder am Schlawittchen, und vor allem: Die suchen händeringend nach den Originalen, deren potthässliche Neuschöpfungen auch wieder zu bekommen sind. Obwohl damals die Adidas schon doppelt so teuer wie die Detto Pietro waren - 179 DM war 1988 nicht wenig Geld - fand ich die italienischen Schuhe ohne Plastikeinsätze sehr viel besser. Aber wenn es dabei bleiben sollte, und ich mit den Adidasschuhen starten muss, ist es so auch nicht schlimm. Manchmal hat es eben doch seine Vorteile, wenn man alt ist und Kisten voller Zeug hat, das man nicht wegwirft.

Darüber habe ich im Netz noch etwas anderes gefunden, was mich sehr erfreut - dieses Bild von Merckx und anderen Mitte der 80er Jahre (und zum Glück in Schwarzweiss, in Farbe wäre es schlimm): Mir geht es um den Herrn in der Mitte meit dem sagenhaften Leibchen eines Küchenherstellers, und hier wiederum um die wirklich schicken und ansonsten gar nicht so sportüblichen Socken. Als Kind der 80er Jahre habe ich eine enorme Aversion gegen kurze weisse Sportsocken, ich trug immer nur dunkle, lange Socken, und ich werde das auch nicht ändern. Mit dem Bild habe ich ein historisch korrektes Beispiel für diese meine Haltung auch im Sport. Die passenden Socken habe ich, die Trikots kommen hoffentloch morgen, fehlen also nur noch Knickerbocker.

Und ein paar hundert Trainingskilometer, damit ich nicht mehr ganz so alt und gebrechlich daherkomme, und schneller trete, als andere junge Leute in grossen Städten, die sie nie verlassen, im Bus twittern.

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