... newer stories
Dienstag, 26. Juli 2011
Einzeltäter
Ich glaube, ziemlich viele Leute werden im Moment so irgendwie gar nicht daran erinnert werden wollen, dass wir in Deutschland eine Weile recht nah daran waren, eine breit aufgestellte, islamophobe Szene im Internet zu bekommen. Das begann ungefährt mit dem Irakkrieg, als sich Vertreter verschiedener Gruppierungen, teilweise auch mit Unterstützung mancher Parteien, zusammentaten, um für das Ansehen der Bush-Regierung in Deutschland und gegen einen "Antiamerikanismus" ins Feld zu ziehen. Die eine Grundlage der Überlegung war, dass man den USA etwas schuldete, die wie schon bei Pearl Harbour grundlos angegriffen worden war, und sich nun verteidigte. Die andere Überlegung war, dass die Muslime dieser Welt tatsächlich in einem Kampf gegen die Werte des Westens waren. Diese Deutschen nun wollten, so würde ich das rückblickend sehen, in erster Linie tatsächlich so etwas eine eine transatlanische Solidarität und mehr Verständnis für die Bush-Regierung.
Was dieser Szene dann aber sehr schnell das Leben schwer machte, waren zwei gegenläufige Entwicklungen: Einerseits der katastrophal verlaufende Besatzungskrieg im Irak und in Afghanistan. Dann aber auch die nicht immer glatt verlaufende Suche nach Bündnispartnern, die in islamophoben Kreisen gefunden wurden. In dieser Zeit baute man sich in gegenseitiger Anregung ein neues Weltbild zusammen, das in weiten Teilen dem Buch "An End to Evil" der amerikanischen Politikberater David Frum und Richard Perle entsprach, und natürlich auch der Propaganda von Al Quaida: Ausgehend vom Streit um Israel über den Bürgerkrieg im Libanon, die Taliban, den Balkankrieg und bishin zu vielen Terroraktend habe sich ein an vielen Fronten geführter, bislang aber von uns ignorierter Krieg des Islams gegen den Westen entwickelt; Bush sei der erste, der die Herausforderung annehmen würde und nun unsere Zivilisation rettet. Je weniger sich diese Hoffnung aber erfüllte, je deutlicher die Probleme des "Krieges gegen den Terror" wurden, desto mehr rückten die Moslems in den Vordergund: Dieser schlecht verlaufende Krieg liess sich nur logisch begründen, wenn der Feind so gefährlich, radikal und omnipräsent wie nur irgend möglich war, Man sprach also weniger von den eigenen Misserfolgen, denn von den Erfolgen der Gegner beim Aufbau einer globalen Front.
Wer das nicht so sah - ich war einer davon - konnte sich auf einiges einstellen. In der deutschen Szene nennt man solche Leute Dhimmis und Appeaser, und um auch gleich deutlich zu machen, dass das hier Beihilfe im Drittem Weltkrieg ist, wurden aus dem Muslimen Islamofaschisten. Damit war das ideologische Grundgerüst fertig: Eine kleine Minderheit, die die Probleme erkennt, kämpft in Deutschland gegen jene, die den neuen Faschisten Tür und Tor öffnen. Dass die Definition für den verteidigten "Westen" nicht zwingend das ist, was man sonst so als Westen versteht, war egal: Der Westen war diese Gruppe. Alle anderen waren Ignoranten, oder Verräter, oder dekadente Zerfallserscheinungen. Man trat für Israel ein - wenn es Siedlungen baute. Man beschimpfte Israelis aber als Verräter, wenn sie Siedlungen räumten und Frieden wollten. Man hoffte endlich auf einen Krieg zwischen den USA und dem Iran. Wer den Westen nicht nach ihrem Gusto haben wollte und das schrieb, konnte sich auf etwas gefasst machen. Da wurde dann schnell das Widerstandsrecht des Grundgesetzes bemüht.
Es ist, nachträglich betrachtet, ein grosses Glück gewesen, dass diese Szene nach dem Karikaturenstreit in mehrere Fraktionen zerfallen ist. Amerikafreunde, Libertäre, Islamhasser, Tea-Party-Vorläufer, Überidentifizierte mit jüdischen Namen, sie alle hatten zwar eine gemeinsame Basis und mitunter auch Leute, bei denen alle nickten - Broder und Sarrazion stehen für diesen Konsens der Islamophobie - aber intern ging es dann auch schnell um die Meinungsführerschaft. In dem Moment, da sich Politically Incorrect als Zentralorgan der Szene mit den meisten Lesern etablierte. war es auch schon wieder vorbei mit der Einheitsfront. PI wurde zur Stimme der grossen, lautstarken Randgruppen, andere aus diesen Kreisen der Transatlantiker eigener Definition verschwanden (Statler und Waldorf), wurden irrelevant (Fact Fiction, Antibuerokratieteam), oder tauchen immer wieder mal in Medien auf (Welt und Focus).
Insgesamt, langfristig, haben sie gewonnen. Die SPD muss sich schämen, einen Vordenker wie Sarrazin in ihren Reihen zu haben, uund man sollte den deutschen Sozis in Berlin ins Gesicht spucken dafür, dass sie nicht den Mut hatten, diese Figur davonzujagen. Die Vorstellung, dass es tatsächlich so etwas wie eine geplante Übernahme des Westens gibt, wurde von all jenen dauerventiliert, die sich im Wettkampf um Aufmerksamkeit stets überbieten mussten, und nach Sarrazin haben sich diese Theorien fast schon in den normalen Politikbetrieb hinein verselbstständigt. Darunter muss man als Islamkritiker gar nichtg mehr anfangen. Anders gesagt: Das, was um 2003/4 noch die Meinung von ein paar Irren war, ist heute die Meinung von sehr vielen Irren. Es wird gar nicht mehr in Frage gestellt. Und wenn man 10 Jahre in dieser Szene ist und einerseits sieht, dass die eigene Meinung Mainstream wird, aber andererseits irgendwie nichts vorangeht im Krieg, rechnet man vielleicht auch damit, dass man vollstreckt, was "grausam, aber notwendig" ist. Das Potential derjenigen, die einer islamfeindlichen Partei ihre Stimme geben, liegt auch hierzulande bei 20%. Das ist viel. Bei 20% der Bevölkerung kann man nicht mehr von verwirrten Einzeltätern sprechen. Und wenn ich mir die Hassmails von damals anschaue, ist es auch nicht überraschend, dass sich die Gewalt gegen jene richtet, die als Verräter in den eigenen Reihen betrachtet werden. Es geht um die Säuberung des Westens, damit er so Westen sein kann, wie sie ihn haben wollen. PI und andere beliessen es bei Kampagnen gegen einzelne Politiker, Journalisten und Blogger. Es war Krieg, sie sahen keine andere Wahl, es steht ja so auch bei der Welt und bei Spiegel Online, wo Broder früher arbeitete, es ist Krieg, da kann man keine falschen Rücksichten nehmen, es ist Krieg, da heisst es eben, man selbst oder der andere.
Ich glaube nicht, dass man in einer Welt, in einem Internet mit derartigen Massenangeboten wie Little Green Football, der Tea Party, Gates of Vienna, den Rechtsauslegern bei der Welt und PI überhaupt so etwas wie ein verwirrter Einzeltäter sein kann. Das Gedankengerüst, die Ideologie, die Verblendung, der Glaube an einen Krieg, sei es nun über Terror oder die Geburtenrate oder Eugenik, ist nicht zu unterscheiden. Man kann eine Tat als Einzelner durchführen, aber die Verwirrung, die einen dazu bringt, haben viele. Millionen. Und wenn Millionen so etwas glauben, und sich darin bestärken, und damit Karriere machen und Aufmerksamkeit bekommen und reich werden, dann bauen halt die einen ihre alte Nazipartei zu etwas um, was der heutigen Strachepartei in Österreich entspricht. Und andere machen Jagd auf Dhimmis. Islamophobie ist sicher der neue Rechtsextremismus, und das wirkt besser als Antisemitismus, man fliegt damit noch nicht mal aus der SPD, man ist endlich wieder dort, wo man seit 45 nicht mehr ist: In der Mitte der Gesellschaft. The Weapon of Choice, wenn man so will. Ein Volltreffer. Sie sagen, der Islam würde den Westen vernichten wollen.
Dass dabei der Westen der anderen in Intoleranz, Hass und Rassismus zugrunde geht, wird gern in Kauf genommen. Da sind sich die Einzeltäter alle einig.
Was dieser Szene dann aber sehr schnell das Leben schwer machte, waren zwei gegenläufige Entwicklungen: Einerseits der katastrophal verlaufende Besatzungskrieg im Irak und in Afghanistan. Dann aber auch die nicht immer glatt verlaufende Suche nach Bündnispartnern, die in islamophoben Kreisen gefunden wurden. In dieser Zeit baute man sich in gegenseitiger Anregung ein neues Weltbild zusammen, das in weiten Teilen dem Buch "An End to Evil" der amerikanischen Politikberater David Frum und Richard Perle entsprach, und natürlich auch der Propaganda von Al Quaida: Ausgehend vom Streit um Israel über den Bürgerkrieg im Libanon, die Taliban, den Balkankrieg und bishin zu vielen Terroraktend habe sich ein an vielen Fronten geführter, bislang aber von uns ignorierter Krieg des Islams gegen den Westen entwickelt; Bush sei der erste, der die Herausforderung annehmen würde und nun unsere Zivilisation rettet. Je weniger sich diese Hoffnung aber erfüllte, je deutlicher die Probleme des "Krieges gegen den Terror" wurden, desto mehr rückten die Moslems in den Vordergund: Dieser schlecht verlaufende Krieg liess sich nur logisch begründen, wenn der Feind so gefährlich, radikal und omnipräsent wie nur irgend möglich war, Man sprach also weniger von den eigenen Misserfolgen, denn von den Erfolgen der Gegner beim Aufbau einer globalen Front.
Wer das nicht so sah - ich war einer davon - konnte sich auf einiges einstellen. In der deutschen Szene nennt man solche Leute Dhimmis und Appeaser, und um auch gleich deutlich zu machen, dass das hier Beihilfe im Drittem Weltkrieg ist, wurden aus dem Muslimen Islamofaschisten. Damit war das ideologische Grundgerüst fertig: Eine kleine Minderheit, die die Probleme erkennt, kämpft in Deutschland gegen jene, die den neuen Faschisten Tür und Tor öffnen. Dass die Definition für den verteidigten "Westen" nicht zwingend das ist, was man sonst so als Westen versteht, war egal: Der Westen war diese Gruppe. Alle anderen waren Ignoranten, oder Verräter, oder dekadente Zerfallserscheinungen. Man trat für Israel ein - wenn es Siedlungen baute. Man beschimpfte Israelis aber als Verräter, wenn sie Siedlungen räumten und Frieden wollten. Man hoffte endlich auf einen Krieg zwischen den USA und dem Iran. Wer den Westen nicht nach ihrem Gusto haben wollte und das schrieb, konnte sich auf etwas gefasst machen. Da wurde dann schnell das Widerstandsrecht des Grundgesetzes bemüht.
Es ist, nachträglich betrachtet, ein grosses Glück gewesen, dass diese Szene nach dem Karikaturenstreit in mehrere Fraktionen zerfallen ist. Amerikafreunde, Libertäre, Islamhasser, Tea-Party-Vorläufer, Überidentifizierte mit jüdischen Namen, sie alle hatten zwar eine gemeinsame Basis und mitunter auch Leute, bei denen alle nickten - Broder und Sarrazion stehen für diesen Konsens der Islamophobie - aber intern ging es dann auch schnell um die Meinungsführerschaft. In dem Moment, da sich Politically Incorrect als Zentralorgan der Szene mit den meisten Lesern etablierte. war es auch schon wieder vorbei mit der Einheitsfront. PI wurde zur Stimme der grossen, lautstarken Randgruppen, andere aus diesen Kreisen der Transatlantiker eigener Definition verschwanden (Statler und Waldorf), wurden irrelevant (Fact Fiction, Antibuerokratieteam), oder tauchen immer wieder mal in Medien auf (Welt und Focus).
Insgesamt, langfristig, haben sie gewonnen. Die SPD muss sich schämen, einen Vordenker wie Sarrazin in ihren Reihen zu haben, uund man sollte den deutschen Sozis in Berlin ins Gesicht spucken dafür, dass sie nicht den Mut hatten, diese Figur davonzujagen. Die Vorstellung, dass es tatsächlich so etwas wie eine geplante Übernahme des Westens gibt, wurde von all jenen dauerventiliert, die sich im Wettkampf um Aufmerksamkeit stets überbieten mussten, und nach Sarrazin haben sich diese Theorien fast schon in den normalen Politikbetrieb hinein verselbstständigt. Darunter muss man als Islamkritiker gar nichtg mehr anfangen. Anders gesagt: Das, was um 2003/4 noch die Meinung von ein paar Irren war, ist heute die Meinung von sehr vielen Irren. Es wird gar nicht mehr in Frage gestellt. Und wenn man 10 Jahre in dieser Szene ist und einerseits sieht, dass die eigene Meinung Mainstream wird, aber andererseits irgendwie nichts vorangeht im Krieg, rechnet man vielleicht auch damit, dass man vollstreckt, was "grausam, aber notwendig" ist. Das Potential derjenigen, die einer islamfeindlichen Partei ihre Stimme geben, liegt auch hierzulande bei 20%. Das ist viel. Bei 20% der Bevölkerung kann man nicht mehr von verwirrten Einzeltätern sprechen. Und wenn ich mir die Hassmails von damals anschaue, ist es auch nicht überraschend, dass sich die Gewalt gegen jene richtet, die als Verräter in den eigenen Reihen betrachtet werden. Es geht um die Säuberung des Westens, damit er so Westen sein kann, wie sie ihn haben wollen. PI und andere beliessen es bei Kampagnen gegen einzelne Politiker, Journalisten und Blogger. Es war Krieg, sie sahen keine andere Wahl, es steht ja so auch bei der Welt und bei Spiegel Online, wo Broder früher arbeitete, es ist Krieg, da kann man keine falschen Rücksichten nehmen, es ist Krieg, da heisst es eben, man selbst oder der andere.
Ich glaube nicht, dass man in einer Welt, in einem Internet mit derartigen Massenangeboten wie Little Green Football, der Tea Party, Gates of Vienna, den Rechtsauslegern bei der Welt und PI überhaupt so etwas wie ein verwirrter Einzeltäter sein kann. Das Gedankengerüst, die Ideologie, die Verblendung, der Glaube an einen Krieg, sei es nun über Terror oder die Geburtenrate oder Eugenik, ist nicht zu unterscheiden. Man kann eine Tat als Einzelner durchführen, aber die Verwirrung, die einen dazu bringt, haben viele. Millionen. Und wenn Millionen so etwas glauben, und sich darin bestärken, und damit Karriere machen und Aufmerksamkeit bekommen und reich werden, dann bauen halt die einen ihre alte Nazipartei zu etwas um, was der heutigen Strachepartei in Österreich entspricht. Und andere machen Jagd auf Dhimmis. Islamophobie ist sicher der neue Rechtsextremismus, und das wirkt besser als Antisemitismus, man fliegt damit noch nicht mal aus der SPD, man ist endlich wieder dort, wo man seit 45 nicht mehr ist: In der Mitte der Gesellschaft. The Weapon of Choice, wenn man so will. Ein Volltreffer. Sie sagen, der Islam würde den Westen vernichten wollen.
Dass dabei der Westen der anderen in Intoleranz, Hass und Rassismus zugrunde geht, wird gern in Kauf genommen. Da sind sich die Einzeltäter alle einig.
donalphons, 01:34h
... link (76 Kommentare) ... comment
... older stories