: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 21. Oktober 2004

Lass uns Freunde bleiben

Es ist Oktober in Berlin, vom Himmel fallen kalte Tropfen und in den Hinterhofwohnungen von Mitte unternehmen Zweitemestlerinnen den ersten, tapsigen Selbstmordversuch. Du triffst dich mit alten Freunden, ihr habt ein gutes Thema und viele gute, alte Geschichten, und keiner von euch hat Lust auf irgendwas Szeniges oder gewollt Kultiges. Deshalb schlägst du ihnen das Lasst uns Freunde bleiben vor, das zwar in direkter Nähe zur Kastanienallee liegt, aber von deren berufsjugendlichen Welt Lichtjahre entfernt ist.

Du kommst etwas zu früh, gehst durch den Raum mit der Theke hoch ins zweite Zimmer, und nimmst einen richtigen Tisch. Es gibt zwar auch Sessel mit Couchtischen, aber heute steht eine Verschwörungen auf der Tagesordnung, du willst Köpfe zusammenstecken und Pläne schmieden. Das Ambiente mit einer unverputzten Wand und den gelblichen Farben passt zu den Plänen. Es ist nicht viel los, manche Leute lesen Zeitungen oder reden leise über die Krise in ihrem Leben. Du gehst an die Bar, und bist von den Preisen doch etwas überrascht, die heisse Zitrone kostet 1,30 Euro, mit Zucker oder Honig, und es ist wirklich Zitrone und nicht Zitronensaftkonzentrat. In einer kleinen Theke steht ungeschickt geformter, aber wie bei Muttern schmeckender Kuchen, die Baguettes sind bodenständig wie ein Pausenbrot. Es ist zwar Selbstbedienung angesagt, aber das dünne Mächen meint, dass sie dir alles an den Tisch bringt.



Während deine Freunde anrufen und sagen, dass sie etwas zu spät kommen, schaust du in die Gesichter der Anwesenden. Sie sehen alle nicht so aus, als ob es ihnen zu gut gehen würde, aber hier haben sie einen Moment der Ruhe in ihrem Daseinskampf, manchmal bekommen Lippen wieder Farbe, da hinten lacht jemand, und das Mädchen am Nachbartisch beginnt nach einer halben Stunde, doch erkennbar mit ihrem Gegenüber zu flirten; sie beugt sich über den Tisch, lässt Haarstähnen nach vorne fallen, und streicht sich über die Lippen. Vielleicht wird ihr Leben in diesem Augenblick wieder schön.

mehr bei Restaur.antville

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Donnerstag, 21. Oktober 2004

AG Berlin Mitte 15 C 1011/04

manche sinken dagegen gerade noch in die Grube. Yeah!

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Halloween

Mensch Lanu, mach schnell Dotcomtod wieder online, nie war es wichtiger als heute, Jungs, ladet die Finalizer, die schlimmsten Drecksäcke von damals kommen wieder aus ihren Gräbern!

Wenn das so weitergeht, machen sie das Business 2.0 auch in Deutschland wieder auf. Einer der nettesten Abende der Munich Area war ein 2001er Event im Parkcafe, als der entlassene Chefredakteur des eingestampften Business 2.0 versuchte, sich beim Pre-Interview mit einem VC namens German Incubator noch irgendwie als beschäftigt einzubringen. Danach ging er auf Jobsuche; Journalist, PR, Pressesprecher, irgendsowas halt, erzählte er mir beim Cocktail. Auf der Bühne dahinter machte die Moderatorin der Wiwo Startup Show einen auf Optimismus, die Drinks waren umsonst, und es stank nach Verwesung.

Nicht noch mal, bitte.

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Ehrlich währt auch nicht immer

Zumindest wirft Ehrlichkeit keine Währung ab, in den neu hochgezogenen "Quarees" des angeblichen Spree-Paris.



Man könnte es als Bankrotterklärung bezeichnen, aber nein, pleite sind sie noch nicht, nur in der Krise. Und ja, es mag ja sein, dass die Wirtschaftsflaute für manche Chancen bietet, aber sicher nicht für die Investoren, die auf ihren zuigtausend Quadratmeter im Quaree sitzen bleiben. Fährt man die Strasse hoch, kommen noch etliche grosse Freiflächen, verwildert und ruinenübersäht. Bis dort die Projektplaner in die Puschen kommen, dürfte die Flaute das Quaree schon wieder zur Ruine gemacht haben.

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Informelles DCT-Veteranen-Treffen

heute Nachmittag. Kleiner Kreis, Perspektiven, Reorganisation, Ideen, und so. Portal/Netzwerkstrukturen. B2B, Back2Boo, gewissermassen.

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Dienstag, 19. Oktober 2004

Ihr lieben 68er

Wichtiger Hinweis zur Durchführung des Revolutionären Aufbau: Wenn Demo jeweils nicht geöffnet

Ohne diese organisatorische Klarstellung könnte es bei der praktischen Umsetzung der Weltrevolution ja zu erheblichen Problemen, ja sogar zu Verzögerungen kommen, die so weder von Marx noch von Trotzki vorhersehbar waren.

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Monostruktur

Vorletzte Woche war ich in Rüsselsheim. Es war spät Nachts, die Strassen waren leer, nur manchmal kam mir ein Opel entgegen. Nur Opel, nichts anderes. Mein Fiat war eindeutig ein Fremdkörper. Am Ende der Stadt ist dann das Werk, langgestreckt, hell erleuchtet, mit einer schimmernden Kuppel im Nebel, auf die alle Strassen, alle Gleise zuführen. Für diesen Sakralbau der deutschen Wirtschaft (vorsicht nix für ironiefreie Volldeppen) ist die Stadt eigentlich nur ein Anhängsel. Das Werk ist Rüsselsheim. Es gibt Orte, die gross genug sind, um brutale Aktionen durchzuziehen; die gehen dann im Grundrauschen irgendwann unter. Aber nicht hier. Hier ist ein Schlachtfeld, auf dem es zwei Gegner gibt, die beide nicht anders können. Und wenn das Management gewinnt, wird es bitter - für alle. VW sind dann die nächsten, die das durchziehen werden.

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Alles geht

Da steht also ein ganzes Gebäude in allerbester Lage, gleich neben der Frankfurter Messe. Es ist frisch hergerichtet, strahlend weiss, neu poliert, mit glänzend-schwarzen Glasfenstern, und steht da einfach so rum. Vollkommen jungfräulich, unberührt und leer. Es muss schon etwas länger her sein, dass da jemand im Erdgeschöss die Scheiben mit diesen grossen, optimistisch-deutschebankblauen Plakaten verklebt hat.



Anything goes, der rebellischen Wahlspruch der Tempo, ist jetzt also in die Tiefen des Systems angekommen, als Wahlspruch derer, die keine Grenzen anerkennen wollten. Alles geht bei 24.000 Quadratmeter, sofort zu beziehen, und wirklich passt fast alles, solange es nur gross, vermögend und durch den Boom entsprechend aufgebläht ist. Bloss haben wir im Moment keinen Boom.

Nur eben diese 24.000 Quadratmeter, das sind 50 mal 50 Meter Grundfläche auf 10 Stockwerke minus Mauern und Versorgungsanlagen, das wäre Platz für 1000 Studenten, 500 Angestellte, 250 mittlere Manager, wenn man denn Wohnraum wollte. Will man aber nicht. Wohnraum lohnt sich für Immobilienfonds und Investmentstrategen nicht. Erst die Grösse macht bein Vermietung den Profit. Man mag langfristige Mieter aus der Finanz- oder Versicherungsbranche, und man wartet denn eben mal ein paar Monate auf den richtigen Kunden. Oder Jahre. Gut, langsam geht das hier eher in Richtung Jahrzehnte. Gleich rechts neben dem Marriott-Hotel, kurz vor Dresdner KW. Gute Gegend, wirklich, natürlich nicht in jedermanns Augen schön, und manchmal so entsetzlich leer.



Aber es ist ja Anything goes, es kostet ja nur Geld, genauer Steuergeld der Anleger, die entsprechende Verlustzuschreibungen bekommen und ihre Steuerlast damit schön niedrig bekommen. Rendite ist eher mau, aber es ist weniger riskant als Steuerflucht, und solange der Fond nicht crasht oder in einen Skandal schlittert, ist es immer noch besser als Spitzensteuersätze zahlen. Nur wenn denn mal ein Skandal kommen würde, so einer, wie der, der gerade in Frankfurt Konjunktur hat, dann...

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Montag, 18. Oktober 2004

Bitte erschiesst mich

an dem Tag, an dem ich statt Treffpunkt Meeting Point sage.

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Während draussen

die konservative Reaktion jede Sicherheit, alle Netzwerke und die Zukunft als Begriff dekonstruiert, fliehen wir zurück in die 70er Jahre. Damals, als unsere Mutter beim Bügeln Abba hörte und hoffte, die RAF würde bald den einen oder anderen rechtsgerichteten Politiker wegräumen. Als es im kugelrunden Fernseher nur drei Programme, aber dafür Wicki gab. Als die Tassen orange und die Tapeten gelb waren. Als uns gesagt wurde, dass alles schon gut wird, dass es kein zurück mehr in die schlechte Zeit gibt, und wir später mal mindestens genauso grosse Häuser haben würden, mit Gärten und Holzhäuser für unsere Kinder drin.



Wir kaufen die Tapete nach, holen uns ein Wählscheibentelefon in lindgrün vom Flohmarkt, und das Geld reicht vielleicht noch für eine Perlmuttlampe. Und die Mütter, die von Sozialhilfe leben und die Kleider von ihren Eltern bezahlt bekommen, erzählen ihren Kindern, dass sie später mal vielleicht in einem richtigen Haus wohnen werden, wie das von Opa, und einen Beruf haben werden, nicht nur so Jobs wie Papa Nr. 3. Und dann telefonieren sie mit ihrer Freundin, die gerade so einen Seventies-Shop für uns Romantiker aufmacht, und dort die Dinge verkauft, die wir - und das glauben wollende Kind in uns - mit Sicherheit, Wohlstand und Glauben an die Zukunft verbinden. Und ein Fortschritt, gegen die Kräfte des konservativen Systems, das uns ersticken will.

Und... ja, auch ein wenig RAF - nur fehlt uns dazu dann doch der Mut, weil das mit dem Demonstrieren ist zu uncool, und in den Untergrund sind unsere Eltern ja auch nicht gegangen, sondern nach Südportugal, wo es ihnen jetzt richtig gut geht. Sagen sie, wenn sie uns mal anrufen.

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Real Life 18.10.04 - C+P

Das Leiden der Meldungsschreiber, heute bei der Qualitätsseite Manager-Magazin in einem ansonsten lesenswerten Artikel über die Werbeflaute bei Pro7/Sat1:

Nach diesen Äußerungen fiel die Aktie ProSiebenSat.1 am Montagvormittag zeitweise um mehr als 4 Prozent auf 14,50 Euro. Es gehörte damit zu den schwächsten schwächsten M-Dax-Werten.

Es? Da stand früher davor vielleicht mal "Papier", das würde das "es" rechtfertigen. Und dass Pro7/Sat1 schwächer als schwach ist, wissen wir doch schon lange. Was wir nicht wissen ist, was im Kopf, Abteilung Satzstellung des Autoren vorging, der dieses Zitat so niederschrieb:

"Wir sehen dennoch auch, dass sich die leicht positiven Zuwächse des ersten Halbjahrs nicht fortsetzen werden bis zum Jahresende."

Naja, vielleicht verdient MM-Online bis zum Jahresende wieder so gut, dass sie sich eine Schlusskorrektur leisten können.

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Nicht kommen

Die Medientage München sind die Fortsetzung des Oktoberfestes mit anderen Mitteln. Oder war es zumindest, früher, so in der Zeit bis 2002. Normalerweise musste man sich anmelden, einen Marathon durch die Orga machen, um in die richtigen Events zu kommen - es sei denn, der Pressesprecher hatte den falschen Eindruck und stufte einen ganz an der Spitze der Medienschaffenden ein, was mit einem Redaktionssitz am Broadway, NY, nicht wirklich schwer war. Dann war es dort, als hätte man beinm Oktoberfest eine Freikarte für immer und alles gehabt, die Ansicht der rotgesichtigen, begeisterten Medienmanager aus aller Welt, auf die tanzenden Mädchen, auf die Hostessen, die die Bedienungen ersetzten und auf die Kollegen, die sich gegenseitig auf die Schultern klopften und dachten, das grosse Fressen würde nie enden.

Letztes Jahr war ich zu dieser Zeit in Norddeutschland unterwegs, und schaffte es erst am letzten Tag in die Systems. Irgendwo, zwischen begrünter Freifläche und Eingang zum Mediencampus, schwor ich mir, dass ich mich 2004 nicht nochmal breitschlagen lassen würde. Die pampigen Sandwiches bei einer Abendveranstaltung gaben mir dann den Rest. Keine Chance mehr für die Medientage, für das wehleidige Besucherpack, das jetzt die Folgen von einer Dekade Protz und Verschwendung, grossen Teils auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit, in die Säuferleber geprügelt bekam. Kein Mitleid für die Kids, die noch immer nicht kapiert hatten, dass jeder Metzger, jede Einzelhändlerin ein besseres Leben vor sich hat als Spinner wie sie, die auf der Suche nach dem Glück durch die Messehallen stolperten, wie weiland die Conquistadores auf Haiti bei der vergeblichen Jagd auf Gold.

Trotzdem haben sie mich noch immer nicht aus ihrem Grosskotz-Verteiler geschmissen. Ich möchte doch bitte, ich soll doch, es würde sie sehr freuen, und mein Magen hüpft vor Abscheu bei jedem Wort und bei der Erinnerung an die Mayonaise. Um so überraschender die Absagen, die Kollegen treffen: Da wird brutal gesiebt, da dürfen nur wenige kommen, da müssen viele leider draussen bleiben. Als ob jemand kommen würde, um glibbrige, weiche, schleimige Sandwiches zu schnorren. Oder ist die Versorgungslage schon so schlimm? Ich werde es nicht erfahren, ich komme nicht.

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Montag, 18. Oktober 2004

Ein Empfang

wie ein Rausschmiss oder die Neue Unbehaglichkeit.



Deutliche Anleihen an das Filmdesign im Babelsberg der 30er und frühen 40er Jahre, vielleicht auch etwas Speer. Darin sehr verloren und leicht unpassend der Eames Chair. Wenn sie könnten, würden sie monochrome Menschen reinsetzen, damit kein Farbschmutz das Ambiente der Nichtigkeit stört.

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Real Life 17.10.04 - Kampf um die Plätze

Platz ist genug da. Für eine kurze Liste von Autoren. 1, 2, 3, 4, 5 Namen neben meinem. Davon lebt das Produkt, die geben ihm ein klares Gesicht, eine Richtung.

Für die anderen 7 bis zum Schluss ist nicht so viel Platz da. Die müssen sich dann eben darum prügeln, Konkurrenz belebt das Geschäft. Es ist wie immer: Ein paar kommen problemlos rein, der Rest muss auf die Gnade der Türsteher warten. Ein paar haben den Ruf, es einfach drauf zu haben, und können tun, was sie wollen. Die anderen haben Scheine, Noten und Arbeitszeugnisse, die keiner lesen mag. Ich sage jedes Mal, dass ich keine Ahnung habe, weder von den Themen noch vom Schreiben, dass ich es nie gelernt habe und auch nie in der Lage sein werde, einen schlichten, faktenorientierten Artikel zu schreiben, und sie sagen, das ist Koketterie und mal wieder typisch für die Creme der Hausautoren, aber egal, was möchte man denn das nächste Mal machen? Eine Photoreportage über 4 Monate? Aber gern. Die Frage, ob ich überhaupt Ahnung vom Photographieren habe, kommt nicht.

Diejenigen, die es laut Diplom können und laut Arbeitsamt unvermittelbar sind und besser noch eine Bäckerlehre machen sollten, werden das nie verstehen. Ich auch nicht. Die ganze Welt ist aus den Fugen, für jeden Gewinner gibt es zehn Verlierer, und die sind zu sehr mit dem Krieg gegeneinander beschäftigt, als dass sie ein System hinterfragen würden, in dem sie jahrelanges Verweilen auf Praktika-Ebene als gottgegeben ansehen. Nur, wenn sie dann die geschichten der Lucky Few hören, kommt der neid hoch, aber nie länger als bis zum nächsten Kampf ums Dasein, der ihre volle Aufmerksamkeit verlangt.

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Es gibt Pressemitteilungen,

die liest man gerne. Irgendwo in den Tiefen des Internets, wenn man genau hinhört, hört man die alten Höllenhunde mit ihren blutunterlaufenen Augen knurren und an ihren Ketten zerren. Lange wird es nicht mehr dauern. Mal schaun, ob Heise das dann auch bringt.

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Samstag, 16. Oktober 2004

Real Life 16.10.04 - Du weisst es wird Herbst

und auch sonst wird es nicht gut, mit der Wirtschaft, der Zukunft, mit Wasauchimmer, wenn das Fernsehteam von dir herbstliche Texte haben will, traurig, depri, nasskalt.



Denn sie haben heute schon ein paar Einstellungen gedreht, zu denen das passen soll. Läuft dann auch am 30. Oktober, quasi schon November und eigentlich definitiv Winter, vom Empfinden her. Und eigentlich sollte ich mich ins Auto setzen und abhauen. Das wird nicht gut, hier.

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Herbstfest

Die Bernauer Strasse hat sich seit dem Fall der Mauer kaum geändert. Es ist eine innerstädtische Ödnis, leer, brach und ungenutzt. Nur an der Brunnenstrasse schlagen ein paar Penner oder Frühpensionäre ihr Lager auf, ein Tisch und eine Bank, und dann packen sie die Flaschen aus und saufen sich sprachlos in das Vergessen oder die Träume von der Deutschen Demokratischen Republik, als sie noch einen Posten und Ansehen als Parteimitglied hatten.



Man will dagegenhalten. Die Stadt lässt hier Volksfeste zu, die für ein paar Tage Leben, Remidemmi und Vergügen simulieren sollen. Was anderes fällt ihnen auf die Schnelle nicht ein. Die Besitzverhältnisse des Geländes sind nicht geklärt, und solang die Prozesse laufen, wird sich daran auch nichts ändern. Was eigentlich kein Problem ist, in einer Stadt, wo der heisse Krieg bis 45 und der kalte Krieg bis 89 immer noch schwärende Wunden, tiefe Kratzer und Löcher hinterlassen hat. Ein paar Meter die Strasse runter fehlen drei Eckhäuser. Auf den Flächen haben sich ein Gebrauchtautohändler, ein ambulantes Blumengeschäft und, auf dem dritten, eine ganze Menge Unkraut breit gemacht. Kann sein, dass der nächste potentielle Investor erst mal Kröten umsiedeln muss, oder Ausgleichräume schaffen, irgendwo vor der Stadt, damit die dort seit Jahrzehnten siedelnden, wahrscheinlich seltenen Pflanzen und Insekten einen neue Heimat bekommen.

Am Mauerstreifen ist das nicht zu befürchten. Banales Gras, ein paar Büsche, das ist alles, was sich durt in den letzten 15 Jahren angesiedelt hat. Da kann man schnell mal was drüberklatschen, so eine Volksbelustigungsgeschichte mit Autoscooter, Karusell, Würstchenbude und Losstand. Was man halt sokennt und aus der näheren Umgebung ranschaffen kann.



Aber leise muss es natürlich sein, wegen der Anwohner. Und nicht zu blinkend schrill, und bitte auch nicht allzu lange, schliesslich will man schlafen, und Ruhe ist die erste Bürgerpflicht bis heute, ist ja Preussen, wa. Da hat so ein fest auch nicht allzu spassig zu sein, und Wind und Regen von der Nordsee treiben die letzten Kids weg nach Hause vor die Glotze. Oder in die richtigen Autos, mit denen sie durch die regennassen Strassen der Stadt preschen, da kann die Musik wenigstens richtig LAUT sein, das ist schneller, nur rumbumsen kann man nicht, aber vielleicht findet man ja mehr Glück als bei so einem komischen Losstand; nicht nur einen rosa Plüschelefanten, sondern was fürs Bett, für die Nacht oder einfach nur für den Rücksitz, wenn die Eltern daheim was dagegen haben, und damit kann man am nächsten Morgen ja auch ordentlich angeben.

Auf dem Herbstfest geht das ohnehin nicht, die Büsche sind zu dünn, es ist zu kalt und windig, und Bierzelte wie in Bayern gibt es auch nicht. Sie nennen es Herbstfest - aber mit einem Fest hat es nichts zu tun. Herbsttrauerveranstaltung wäre ein aktzeptabler Begriff.

Hinweis: beitrag für 3Sat, bitte keine Beschwerden!

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Freitag, 15. Oktober 2004

Manchmal wache ich auf

Und dann hatte ich wieder diesen Alptraum, irgendwo zu sein, im Mittelpunkt des Geschehens, aber es war kaum jemand gekommen; zuwenig, um etwas zu tun, aber zu viele, um die Show abzusagen. Es klingt dumm, wenn ein Journalist das sagt, aber im Kern verabscheue ich Öffentlichkeit und Treffen mit mehr als 1 Person, ich bin dann unsicher, tolpatschig und in gewisser Weise auch gehemmt. Man merkt es mir nicht an, aber ich habe jahrelang gekämpft, das Gefühl der Verlorenheit unter vielen zu unterdrücken, und mir einzureden, dass es toll ist, One2Many-Communication zu betreiben. Awareness als etwas positives zu begreifen. Den Mittelpunkt nicht zu fliehen. Kein Puls von 180 mehr am Mikrophon. Und nicht mehr diese Angst vor den Aufstehern, Weggehern und Ausschaltern.



Manchmal wache ich auf, und dann erinnere ich mich an Fetzen dieses Traumes, und die sehen so aus, wie der Event, auf dem ich gestern war, der mir als ganz gross angekündigt wude und der sich als Rohrkrepierer der PR erwies. In letzter Minute wurde noch telefoniert, eingeladen und bestürmt, damit es wenigstens etwas Kulisse gibt, Klatschvieh, Weinfürlausäufer. Es kamen die Künstler, ihre Freunde, Bekannten und Eltern, ein paar Journalisten, die das Buch abgriffen, und vielleicht noch ein paar andere Leute, die aber schnell wieder gingen. Man beklatschte sich selbst, man brachte das Publikum mit, man war unter sich und allein, einsam und verlassen, und so hatten sie es ganz sicher nicht vorgestellt mit der ersten Vernissage.



Manchmal wache ich auf , und mir laufen Bilder aus einem anderen Leben durch den müden Kopf, Bilder der Kunst und der Architektur, Bilder der Romanik mit ihren doppelstöckigen Kapellen und das Mysterium, das ihnen inne wohnt, die gnadenlose Akustik dieser Räume, die klare Stimmen verlangt, um nicht im Hall zu einem kakophonischen Choral zu werden, Bilder von schlanken Säulen und dünnen Gestalten auf den Tympanoi , grossäugig und mit gespannter haut wie viele meiner jetzigen Mitmenschen, und heute morgen habe ich mich ernsthaft gefragt, ob das nicht ein grandioser Raum für eine Lesung wäre, so weiss, so glatt, so konzentriert und mit Emporen über den Seitenflügeln, hinter deren Brüstung man sich zurückfallen lassen kann, um über das gehörte nachzudenken, über den da unten, der ich dann hoffentlich nicht bin, sondern ein anderer.

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the day the music died

MTV hatte einen guten Trick. Wenn man dort anrief und auf Warteschleife geschickt wurde, weil Viola oder Franzi gerade im Klo vielleicht ihren Nasescheidenwänden eine Schlankheitskur verpassten, dann liefen Blumfeld mit "Diktatur der Angepassten". Das Lied schwebt zwischen Aufstand und Resignation, und irgendwie erwartete man danach etwas bedonderes, eine kaputte Piepsstimme, klein und zerbrochen, oder das harte Keuchen einer Fanatikerin, die gerade Bohren und den Club of Gore in die Heavy Rotation gebracht hat. Das ist diese völlig irrsinnige Musik, die der kaputteste meiner drei Helden in Liquide dauernd hört, in der Hoffnung, es würde sein Leben irgendwie verlangsamen. Sowas in diesen Lilala-Sender zu bringen, mit 25 Beats pro Minute und Tracks, die die halbe Ewigkeit von hier bis ins Inferno dauern, das wäre ein Aufstand. Eine Rebellion.

Aber dann kommt die Liedzeile "Gebt endlich auf, es ist zu spät", und genau dann hoben Franzi oder Viola den Hörer ab und krähten immer gleich jung, gesund und lustig ihr Hallo , waren natürlich zu jeder Auskunft bereit, und es klang immer toll, grandios und einzigarig, und in ihren Augen keinen Brösel angepasst, auch wenn es nur um die Frage ging, wie sie eigentlich die Daten aus den "Ruft uns an und sagt wieviel Kohle ihr für den Urlaub ausgebt"-Aktionen verwerten. Wieso, ist doch alles im grünen Bereich, dann bieten wir den Leuten genau das an, was sie sich leisten können, echt kein Problem, ne?

So war das in den goldenen Zeiten in der Ostwerwaldstrasse, als sie sich noch verfluchten, dass sie nicht wie Viva einen IPO machen konnten. Inzwischen sind Franzi und Viola längst rausrotiert worden, Viva ist ein Teil von MTV und MTV geht nach Berlin, und bei der Gelegenheit, wie man heute erfährt, soll aus MTV wirklich ein Jugendsender werden; Videos sind ja Musik und der Musikmarkt ist tot. Statt dessen Gameshows, 9Live für geistig nicht ganz so Arme. Ein paar KW-Studentinnen müssen sich andere Traumberufe ausdenken, irgendeine halbstaatliche Schulungseinrichtung wird die Räume übernehmen, und ich werde mit dem Rennrad zum Eisbach fahren, wenn er kein Wasser mehr hat, und leise summen:

Männer, Frauen, Junge, Alte
in den Büros und den Fabriken
an den Schulen und zu hause
lassen sich für dumm verkaufen,
kaufen, kaufen, kaufen

und mich fragen, ob diese jungen Dinger heute noch irgendwo die Schuhe wegwerfen und tanzen wie damals auf den Wiesen in Schwabing, als alles noch möglich schien, als Musik ihre kaputte Seele retten konnte, oder ob sie inzwischen... es ist immer so eine Sache mit der Google-Suche, man findet sie nicht mehr, sie sind irgendwohin verschwunden, keiner weiss wo, und selbst die Überlebenden haben keinen Kontakt mehr, sie sagen nichts darüber und drehen sich lieber weg, wenn dann die Leute die Studios abbauen, sich noch einnmal vollaufen lassen und den letzten Zug zu einem anderen Standort nehmen, und sich wundern,
warum sie das überleben mussten
und nicht einfach sterben konnten,
vor dem letzten aller Tage,
als die komerzielle Musik starb
und Blumfeld aus der Warteschleife flog.

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Donnerstag, 14. Oktober 2004

Das DCT-Forum

eine ergiebige Quelle von Gerüchten und Trollereien, wird abgeschaltet, sagt Lanu. Alles weitere dann bei ihr (oder vielleicht auch hier, wer mag das schon sagen?)

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Nackt in Mitte

Langsam nimmt das Kapital wieder Fahrt auf und fräst sich weiter in die Subkultur. Die Kastanienallee ist lang, noch gibt es weite Flecken Andersartigkeit, aber jetzt geht es an die unersetzliche Infrastruktur für biersüchtige Punks, rheumakranke Autonome und abhängige Kleindealer; 15-EuroQuickie-Mädels verlieren ihren Anlaufpunkt, und die Designerinnen der Kaputtheit die Strasse runter werden sich einen anderen Ort für dsie schnelle Pulle Nachts um drei suchen müssen.

Flashback. Februar dieses Jahres. Date bei meinem Verleger, Debatte um Blogs! und das Aussehen, um urbanen Lifestyle, wenn man das Gesumpfe wirklich als Leben definieren will. Er meint, man soll sich mal die Gestalten an diesem Nachtkauf Nudes anschauen, wenn man wissen will, was wirklich abgeht in der Stadt.

Seitdem bin ich öfters daran vorbeigelaufen. Wollte vielleicht mal drüber schreiben, über die Mädels, die einen anpumpen, weil sie da drin keinen Kredit mehr bekommen, über ihre Hunde und das Leben, das die in irgendwelchen Abbruchbuden führen und den Eltern irgendwo in der Provinz erzählen, dass alles gut geht und das Studium schon irgendwie passt, während sie auf der Suche nach einem Kreativjob und dünn sind, wie man für solche Jobs sein sollte, aber eben dünn aus Hunger,dieser nagenden, unvermeidlichen Bestie, aber es muss so sein denn das Geld brauchen sie für die Träume, die sie in gelben und rosa Pillen kaufen, und die exorbitante Handyrechnung, weil das Festnetz längst abgestellt wurde. Über das Grauen und die Hoffnung in ihren Augen, über dieses Gefühl, dass man sie einfach niederschlagen will und in das Auto zerren und sie heimbringen zu ihren verdammt blöden 68er Eltern, damit sie die ins Bett packen, zudecken und am nächsten Tag nochmal etwas erziehen, nicht zu einer karrieregeilen Pitchersau, aber zumindest so weit, dass es täglich eine warme Mahlzeit statt der scheisssynthetischen Pillen gibt, und darüber, dass das alles in den paar Sekunden passiert, wenn ich ihnen was gebe und dann trotzdem die halbe Nacht nicht schlafen kann, weil ich einfach noch nicht abgebrüht genug bin, um diesen Leuten beim draufgehen zuzuschauen, und das wird sich auch nie ändern, solange ich es sehe.



Aber wie es aussieht, sorgt das Kapital für mich und befreit mich von den Racheengeln. Die Vermieter haben dem Nudes gekündigt, es hat zu gemacht, die Leuchtschrift, von der es seinen Namen hat, ist erloschen. Vielleicht macht dort die nächste Coffeee-Shop-Kette einen Franchise-Laden auf. Oder ein Restaurant mit pseudokreativer Einrichtung, verspielt und mit Happy Hour für Mai Thais. Oder eine Agentur mit Trendscouts, die hier nach dem wahren Leben suchen und es dann auf Powerbooks bannen, um es den Konzernzentralen in London, Singapur oder Gütersloh zu schicken, wo Produkte für den Massengeschmack der Provinz entstehen.

Morgen Abend gibt es dort nochmal eine letzte Party, mit DJs, Mädchen, Hunden, Kleindealern und dem Mittepack, das sich das aus Kredibilitätsgründen antun wird, bevor sie am Montag wieder Projekte entwickeln und sich bei einer Bank bewerben, Abteilung Kreditwesen.

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Nach dem Sturm

Obwohl die Zugriffszahlen in den letzten Tagen nie so hoch waren, wie bei DCT während eines normalen Tages, bin ich ganz froh, dass es jetzt etwas ruhiger wird. Es ist einfach was anderes, ob man von vielen in einem grossen Büro besucht wird, oder ob eine Horde Aufgescheuchter durch das eigene Wohnzimmer trampelt. Ab und zu hier reinschauen ist ok, irgendwann steht hier auch die Meldung vom Anlaufen von DCT.

However, wenn ich mir meine Referrers anschaue, würde ich sagen, dass die Abodienste Kress.de und IBusiness schnellstens den Laden schliessen sollten, die Zahlen sind echt peinlich, jeder Blogger schafft mehr.

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